Mit der Filjowskaja-Linie der Moskauer Metro gelangt man aus dem grünen Westen der Stadt über den Moskwa-Fluss bis zur zentralen Flaniermeile Arbat. Ab sofort steuern Frauen die Züge dieser als „Nummer 4“ bekannten, hellblau eingefärbten Linie. Das ist eine kleine Sensation. Denn bisher durften Frauen in Russland den Beruf der Metro-Zugsführerin nicht ausüben. Mit Jahresbeginn haben zwölf Frauen in dunkelblauen Uniformen und dem markanten Käppchen auf dem Kopf ihren Dienst angetreten.
Schon bald sollen 50 Frauen in der Moskauer Metro als „Maschinistin“ – so heißt der Beruf im Russischen – tätig sein. Mehrere Jahrzehnte lang war Frauen die Tätigkeit gesetzlich nicht gestattet. Zwar gab es Metrofahrerinnen in den frühen Tagen der Sowjetunion, als staatliche Organe die Emanzipation vorantrieben. Auch im Zweiten Weltkrieg waren Frauen im Untergrund im Einsatz, als Ersatz für die Männer, die an die Front gerufen wurden. Erst zu Beginn der 1980er Jahre wurde Frauen der Beruf verboten. Offiziell wegen der körperlichen Belastung.
Nun erlaubt das russische Sozialministerium den Einsatz von Frauen erneut. Es gebe eine „riesige Nachfrage“ junger Frauen, sagte Vizebürgermeister Maxim Liksutow beim Dienstantritt der neuen Mitarbeiterinnen. „Wir sind der Meinung, dass alle die Wahl haben sollten, den Beruf auszuüben, den man ausüben will, unabhängig vom Geschlecht.“ Was die angebliche körperliche Belastung betreffe, so sei heutzutage „mehr Automatik“ im Einsatz, beruhigte der Vizebürgermeister in traditioneller Manier. Zudem verfüge die Linie Nummer 4 – übrigens eine der kürzesten Metrolinien Moskaus – über die modernsten Züge. Implizit sollte das wohl heißen: Das „schwache Geschlecht“ müsse sich nicht die manikürten Finger schmutzig machen.
Auch das Prestige spielte beim Verbot eine Rolle
In Russland gab es bis vor kurzem eine lange Liste an Tätigkeiten, die Frauen verwehrt sind. Bisher waren es mehr als 450 Berufe, die ausschließlich von Männern ausgeübt werden durften. Die offizielle Begründung: Die Ausübung dieser Berufe beeinträchtige die weibliche Reproduktionsfähigkeit. Frauen waren demnach nicht im Bergbau oder in der Metallverarbeitung zugelassen, auch Lastwägen und Boote durften sie bisher nicht lenken. Letztere Tätigkeiten sind ihnen nun gestattet. Matrose, Automechaniker und Blasinstrumentenbauer – diese beruflichen Profile waren Berufsanwärterinnen ebenfalls verwehrt. Seit Jahresbeginn gibt es nur noch 100 verbotene Berufe.
Nicht nur das angebliche gesundheitliche Risiko, auch das einstige Prestige des Berufes könnte beim Maschinistinnen-Verbot eine Rolle gespielt haben. Doch hat mit der Zeit das Ansehen der Zugsführer gelitten. Für die Bedienung anderer öffentlicher Verkehrsmittel waren Frauen schon bisher gut genug: 80 Prozent der Straßenbahnen werden von Frauen gefahren und 60 Prozent der Elektrobusse. Zudem sind Frauen in der U-Bahn auf Kontrollposten im Untergrund im Einsatz – und damit ebenfalls stundenlang ohne Tageslicht. 36 Prozent der 62.000 Moskauer Metro-Angestellten sind weiblich.

Bei der Öffnung der Fahrerkabine für Frauen achtete man darauf, die Aufhebung des Berufsverbots nur nicht allzu progressiv erscheinen zu lassen. So betonte die Stadtverwaltung, dass die künftigen Mitarbeiterinnen zwischen Hosen und Röcken als Uniform wählen könnten. Außerdem ließ man eine eigens gestaltete Metro-Barbie gestalten mit dem Motto: „Du kannst alles erreichen, was du möchtest.“ Ebenso sollen neue Metro-Tickets in Pink mit Barbie-Motiv offenbar eine weibliche Kundschaft ansprechen.
Moskaus erste Metrofahrerinnen haben sich einen langgehegten Traum erfüllt. Fast ein Jahr lang wurden sie in speziellen Kursen ausgebildet. In Zukunft werden sie sich auf das konzentrieren, was sie wirklich interessiert: auf das Fahren eines Zuges.
De Maart
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