Türkische Buchhandlungen in Österreich, Deutschland und den Niederlanden verkaufen wie berichtet ins Türkische übersetzte Bücher von Antisemiten, Holocaust-Leugnern, Dschihad-Ideologen und sogar Terroristen. In Wien gibt es mit Aziziye-Kitabevi und MGV Publications zwei solcher Buchhandlungen, wobei Letztere von einem Funktionär der islamistischen türkischen Saadet-Partei geführt wird.
Im bayerischen Niedernberg bietet die Online-Buchhandlung tikla24.de Werke des französischen Holocaust-Leugners Roger Garaudy an. Dazu passend das Buch „Küresel Tehlike Siyonizm ve İsrail (Globale Gefahr Zionismus und Israel), das auf der tikla24-Homepage so beworben wird: „Wo immer es zu Krieg, Krise oder Not kam, war ein jüdischer Finger im Spiel.“ Nicht weniger antisemitisch klingt der Buchtitel „Siyonizmin Büyük Kaos Planı“ (Der große Chaosplan des Zionismus ). Darin geht es laut Promotiontext um „die schrecklichen Spiele jüdischer Mächte, die darauf abzielen, die Welt mit einem 1.000-Jahres-Plan zu regieren“. Das Buch „Küresel Gizli Örgütler Hedef Dünya Egemenliği“ (Globale Geheimorganisationen streben nach Weltherrschaft) geht unter anderem der Frage nach, „wie die Zionisten Hitler unterstützten“. Ebenso im Angebot bei tikla24.de: Die zweibändige Autobiografie des in Israel wegen zigfachen Mordes zu 5.200 Jahren Haft verurteilten Hamas-Bombenbauers Abdullah Barghouti (türkisch: Bergusi). Die Bochumer Buchhandlung kolnkutuphane.de verkauft ebenso wie die anderen erwähnten Händler die türkische Übersetzung des vom früheren Muslimbruder-Chefideologen Seyyid Qutb 1964 veröffentlichten Buches „Meilensteine“, das bis heute als ideologisches Fundament des islamistischen Terrorismus gilt.
Meinungsfreiheit für Terroristen
Die Staatsanwaltschaft Wien hat vorige Woche Ermittlungen gegen die Buchhandlungen aufgenommen. Auch die Politik wird aktiv. SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim will in einer parlamentarischen Anfrage von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) wissen, was zu tun ist, „um Antisemitismus und Extremismus effizient strafrechtlich zu verfolgen und diesbezügliche Publikationen einzuziehen“. In Deutschland fordert die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier die zuständigen Behörden in Berlin auf, „schnellstmöglich dafür zu sorgen, dass weder physische noch digitale Exemplare solcher Bücher zu bekommen sind“.
Dass dies gar nicht so einfach ist, betonen die Justizministerien beider Länder. „Generell ist der Verkauf von Büchern keiner Beschränkung per se unterworfen. Es geht um den Inhalt“, so Sina Bründler vom Wiener Justizministerium. Konkret heißt das: Obwohl Abdullah Barghouti die in der EU als Terrororganisation gelisteten Qassam-Brigaden angeführt und Dutzende Menschen ermordet hat, sind Bücher, in denen er sein Terroristenleben beschreibt und sich als „Märtyrer“ inszeniert, nicht grundsätzlich mit einem Verkaufsverbot belegt. Ähnlich sieht man das in Berlin: „Grundsätzlich ja“, sagt eine Sprecherin des Justizministeriums auf die Tageblatt-Frage, ob der Verkauf der Barghouti-Bücher zulässig sei. Denn: „Es ist tatsächlich nicht so, dass, wenn man in einer Terrororganisation ist, einem dann nicht das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zusteht.“ Es komme auf den Inhalt an.
Wie in Wien wird das nun auch in Bayern geprüft. Die zuständige Staatsanwaltschaft Bamberg ermittelt im Hinblick auf eine Strafbarkeit der angebotenen Bücher nach § 86 des Strafgesetzbuches (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen).
Langer Weg auf den Index
Wie langwierig der Weg zum Verbot ist, zeigt sich an einem anderen Buch, das die Behörden im vergangenen Jahr ebenfalls nach einem Tageblatt-Bericht auf den Plan gerufen hat: Der vom Istanbuler Uysal-Verlag auf Deutsch und Türkisch herausgegebene Islamisten-Katechismus „Ilimihal für Frauen“ rechtfertigt die Tötung von Islam-Kritikern und enthält ein Kapitel über „Leichtes Schlagen“ von Ehefrauen. Mehrere Behörden, darunter die Verfassungsschutzämter in Bayern und Baden-Württemberg, hatten schon im April 2021 bei der Bonner Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) eine Indizierung dieses Buches angeregt. Obwohl die Sachlage angesichts des Inhaltes klar ist, steht die BzKJ-Entscheidung noch immer aus. Das Buch wird weiter in mindestens zwei türkischen Buchhandlungen in Deutschland verkauft …
De Maart
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