Mittwoch5. November 2025

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ItalienEinstiger Regierungschef Enrico Letta wieder an der Spitze des Partito Democratico

Italien / Einstiger Regierungschef Enrico Letta wieder an der Spitze des Partito Democratico
Die italienischen Sozialdemokraten wählten den ehemaligen Ministerpräsidenten Enrico Letta zu ihrem neuen Vorsitzenden Foto: dpa/AFP/Eric Piermont

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Enrico Letta konnte am Sonntagmorgen seine Überraschung selbst nicht verbergen: Voller Emotionen kehre er an den Sitz der Demokratischen Partei in der Via del Nazareno in Rom zurück. An den Ort, den er vor sieben Jahren, nach dem schmählichen Sturz durch seinen innerparteilichen Konkurrenten und Nachfolger auf den Sessel des Regierungschefs, Matteo Renzi, verlassen hatte. Nun steht der 54-jährige Pisaner wieder an der Spitze der Demokratischen Partei.

Die Wahl Enrico Lettas zum neuen Sekretär des Partito Democratico (Pd) war überdeutlich einstimmig: Bei der Online-Abstimmung stimmten 860 Delegierte für Letta, nur zwei Gegenstimmen (bei vier Enthaltungen) wurden gezählt. Selten ist ein Parteichef so einmütig gewählt worden. Ein Zeichen der Wiedergutmachung? Im April 2013 wurde Enrico Letta vom damaligen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano mit der Bildung einer Koalitionsregierung aus Pd, Silvio Berlusconis Popolo della Liberta, dem Zentrum und der Partei Scelta civica beauftragt. Es war die erste Regierung nach dem technischen Kabinett Mario Montis. Letta war etwa ein Jahr Regierungschef, bis ihm durch innerparteiliche Querelen – ausgelöst vom Bestreben des „Verschrotters“ Matteo Renzi – der Posten streitig gemacht wurde: Renzi wollte nicht nur den Partei-, sondern auch den Regierungsvorsitz.

Letta wich unter dem Druck und ging für die kommenden Jahre ins „Exil“: Er verließ nicht nur die Reihen seiner Partei, sondern auch Italien. Von 2015 an lehrte er an der renommierten Grande Ecole Sciences Po Paris, wo er ab dem September jenes Jahres das Institut für internationale Beziehungen leitete. Erst mit der Wahl seines langjährigen Freundes Nicola Zingarettis zum Sekretär des Pd im März 2019 war Letta gewillt, seine Parteimitgliedschaft wieder aufzunehmen.

Gewählter Mediator

In den vergangenen fünf Jahren kam es zu heftigen Richtungsstreitigkeiten in der Führung der Sozialdemokraten. Renzi wollte die Partei nach seinem Gusto umbauen, doch der frühere Oberbürgermeister von Florenz scheiterte nicht nur mit seiner Regierungspolitik, sondern auch in den parteiinternen Auseinandersetzungen. Letztlich führte dies dazu, dass er den Pd verließ und die kleine Minderheitengruppe Italia Viva gründete. Immerhin hatte diese noch die Macht, durch den Rückzug ihrer zwei Minister die etwas wackelige Koalitionsregierung Giuseppe Contes zu stürzen. In dieser waren die Sozialdemokraten zwar der zweitstärkste Partner, doch gerade in Zeiten der Corona-Krise zeigten die ewigen Richtungsstreitigkeiten, mit denen sich die italienische Linke seit geraumer Zeit demontiert, eine große Krise der Partei an. Die schließlich darin mündete, dass Zingaretti am 4. März dieses Jahres seinen Rücktritt als Vorsitzender erklärte.

Letta folgte dem Ruf der Parteigremien und kehrte nun nach Rom zurück. In seiner Antrittsrede erklärte er, die verschiedenen Parteiströmungen miteinander aussöhnen zu wollen. Es ginge nicht darum, so Letta wörtlich, dass ein neuer Sekretär an der Spitze stehe, sondern darum, dass sich die Partei erneuere. Enrico Letta, der auch in der Vergangenheit keiner speziellen Strömung in der Partei angehörte, könnte dafür die richtige Person sein. Der christlich-katholisch orientierte Politiker könnte Richtungen der ehemaligen Parteilinken mit den Gruppen, die aus den Überresten der Democrazia cristiana zum Pd gestoßen sind, miteinander vereinen.

Langjährige politische Erfahrungen

Enrico Letta ist bei weitem kein politischer Neuling in Italien. Bereits in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bekleidete er in verschiedenen Mitte-Links-Regierungen Minister- und Staatssekretärsposten. Seit 2009 war er unter Luigi Bersani Vizesekretär des Pd. Nach Bersanis Rücktritt 2013 übernahm er kurzfristig die Leitung der Partei, wurde dann jedoch von Matteo Renzi abgelöst. Nun wieder an der Spitze des Pd wird Letta beweisen müssen, ob seine integrativen Kräfte ausreichen, die Machtkämpfe zu beenden.

Auf jeden Fall kann er als beruhigender Faktor in der Koalitionsregierung Mario Draghis angesehen werden. Der als liberal geltende Letta unterhält seit langem gute und intensive Beziehungen zum aktuellen Premier, die aus Zeiten herrühren, da Draghi noch Präsident der Italienischen Nationalbank war. Zudem ist der Name Letta im Lande kein unbekannter: Gianni Letta, der Onkel des jetzigen Pd-Chefs, ist ein langjähriger enger Vertrauter und Berater des Forza-Italia-Gründers und Vorsitzenden Silvio Berlusconis, sodass Letta (Neffe) auch zum Mitte-Rechts-Spektrum über gute Beziehungen verfügt. Nicht erst durch seine Tätigkeit in Paris – unter anderem als politischer Berater des Präsidenten Macron – zeigte sich Letta als überzeugter Europäer. Für die Beziehungen zur EU könnte also die Neuwahl des Pd-Chefs ein positives Signal sein.