SerbienEin verhafteter Clanchef bringt Präsident Vucic in Erklärungsnöte

Serbien / Ein verhafteter Clanchef bringt Präsident Vucic in Erklärungsnöte
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic will nichts mit den Hooligans am Hut haben Foto: AFP/Andrej Isakovic

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Empört weist Serbiens Präsident Aleksandar Vucic die Behauptung eines verhafteten Clanchefs zurück, dass er sich jahrelang die Dienste von dessen Hooligan-Schlägern zunutze gemacht habe. Doch es mehren sich die Hinweise auf die sehr engen Bande von Staatsmacht und Halbwelt im Balkanstaat.

Serbiens allgewaltiger Präsident Aleksandar Vucic ruft aufgebracht zum Selbstverhör. Er sei zur Aussage „an jedem Lügendetektor“ bereit, versichert der Chef der nationalpopulistischen Regierungspartei SNS. Wenn es sich erweisen sollte, dass er den verhafteten Clan-Chef Veljko Belivuk „irgendwo und irgendwann“ einmal getroffen habe, sei er bereit, seinen Posten zu räumen und „bis zum Ende meines Lebens hinter Gittern zu sitzen“.

Entführungen und Folterungen von Gegenspielern, zerstückelte, angeblich in Salzsäure aufgelöste oder durch den Fleischwolf gedrehte Leichen: Seit der Verhaftung von führenden Mitgliedern von Belivuks Hooligan-Clans im Februar erschüttern immer grausamere Enthüllungen den Balkanstaat. Als eine Art Chefermittler, der im Augiasstall aufräumt, präsentierte sich dabei bisher Staatschef Vucic – eifrig assistiert von regierungsnahen Boulevardmedien, die zum Entsetzen der Angehörigen der Ermordeten selbst Polizeifotos von enthaupteten Leichen zu veröffentlichen pflegen.

Doch mit einem dem Webportal „krik“ zugespielten Protokoll seines Polizeiverhörs zu Monatsbeginn hat Belivuk den Präsidenten nun selbst in Erklärungsnot gebracht: Laut Darstellung des Kriminellen soll sich Vucic die Prügel- und Einschüchterungsdienste seiner Hooligan-Schläger jahrelang systematisch zunutze gemacht haben.

Er sei bereits seit 2011 SNS-Mitglied, so Belivuk: Er behauptete, den als „Chef“ bezeichneten Präsidenten seit 2017 bei mehreren Geheimtreffen auch persönlich gesprochen zu haben. Im Auftrag von Vucic hätten seine Gefolgsleute Antiregierungsproteste zerschlagen, einen Taxifahrerstreik gestoppt, für das Ende der Vucic-Schmähgesänge im Partisan-Stadion gesorgt, Störmanöver bei den Belgrader Pride-Paraden verhindert und SNS-Kundgebungen „verstärkt“, so Belivuk. Von einem „notorischen Lügner“ spricht erzürnt das SNS-Vorstandsmitglied Darko Glisic. Tatsächlich scheint die Glaubwürdigkeit des Mafioso begrenzt und der Wahrheitsgehalt seiner Aussagen keineswegs sicher. Aber nicht nur Oppositionspolitiker, sondern auch unabhängige Medien weisen auf sich mehrende Hinweise, die den Vorwurf der engen Bande zwischen Staatsmacht und Halbwelt beim EU-Anwärter zu bestätigen scheinen.

Unabhängig von deren Wahrheitsgehalt offenbarten die Aussagen von Belivuk „nichts Neues“, sagt der oppositionelle Ex-Präsident Boris Tadic, der den SNS-Machthabern seit Jahren enge Verbindungen zu kriminellen Kreisen vorwirft: „Es gibt in Serbien viele Belivuks. Seit der Inauguration von Vucic ist klar, dass das Regime die Hooligans als paramilitärische Hilfstruppe nutzt.“

Große Nähe zu Hooligans

Tatsächlich wurden Angehörige von Belivuks „Janjicari“-Hooligans bei der Amtseinführung des Präsidenten 2017 als Ordner eingesetzt – und sorgten durch das Verprügeln von missliebigen Journalisten für Schlagzeilen. Gefolgsleute von Belivuk sollen es auch gewesen sein, die bei Kommunalwahlen in der Provinz regelmäßig in schwarzen Jeeps vorfuhren und sich in Wähler- und Oppositionseinschüchterung übten. Als prügelnde Provokateure machten diese bei den Belgrader Corona-Krawallen vor Jahresfrist von sich reden: Die angezettelte Gewaltorgie sollte die Antiregierungsproteste diskreditieren.

Präsidentensohn Danilo wurde in den letzten Jahren mehrmals in Begleitung von polizeibekannten Hooligans gesehen und fotografiert: Einer von ihnen soll laut Belivuk dessen Verbindungsmann zu Vucic gewesen sein. Als „Vucic-Krieger“ bezeichnete die regierungskritische Zeitung Nova am Freitag den aus dem Verkehr gezogenen Mafioso. Nicht nur wegen der Präsidentschaftswahlen im kommenden Frühjahr kommt Dauerwahlkämpfer Vucic der Wirbel um dessen Bekenntnisse derweil reichlich ungelegen.

Das öffentlich gemachte Verhörprotokoll könnte nicht nur auf ein Rumoren im Sicherheitsapparat hindeuten, sondern auch auf die weiter schwelenden Grabenkämpfe in seiner von ihm mit harter Hand befriedeten Partei. Er lasse sich nicht erpressen und werde dem Volk zeigen, „dass wir die Kriminellen und ihre politischen Helfer besiegen werden“, kündigt der Präsident grollend an.