Als Elon Musk sein Starlink-Satelliten-System zur Koordinierung der ukrainischen Verteidigung verstärkte, dann plötzlich abschalten wollte, wenn die USA nicht mehr dafür zahlten, unvermittelt dann doch in Betrieb ließ, machte er mit seinem chaotischen Wechsel aus Service und Drohung auch dem letzten Zweifler in der EU klar, wie wichtig eine sichere und gesicherte eigene Kommunikation gerade in Krisen- und Kriegszeiten ist. Das mag dazu beigetragen haben, dass sich der Rat der EU-Regierungen und das Europa-Parlament am Donnerstagabend unerwartet schnell auf ein eigenes Satelliten-System verständigten. Es soll bereits 2024 starten, bis 2027 stehen.
Sechs Milliarden Euro sind dafür angepeilt, 2,4 Milliarden davon aus dem EU-Haushalt. Der Rest soll vor allem in einer Partnerschaft mit Privatunternehmen gehoben werden. Gerade Startup-Firmen sollen damit neue Chancen erhalten und den Standort Europa für sichere Kommunikation nach vorn bringen. Das Projekt heißt Iris², und das leitet sich ab von der englischen Bezeichnung für das Programm namens „Infrastruktur für Resilienz, Vernetzung und Sicherheit durch Satelliten“ – und das „im Quadrat“ soll offenbar nicht nur das doppelte S aus Sicherheit und Satellit auffangen, sondern auch ein Hinweis auf die damit verbundenen großen Ambitionen sein.
Ein großer Schritt für unsere Widerstandskraft – und ein riesiger Sprung für unsere technologische Souveränität
„Das ist historisch“, merkte EU-Kommissar Thierry Breton nach der Einigung an. Und zwar auf Twitter, dem von Musk übernommenen Kurznachrichtendienst. Er hatte das Projekt mit besonderer Energie Anfang des Jahres auf den Weg gebracht. Nun freute er sich entsprechend: „Ein großer Schritt für unsere Widerstandskraft – und ein riesiger Sprung für unsere technologische Souveränität“, lautete Bretons Beschreibung. Damit nahm er Anleihen bei den Worten des ersten Menschen auf dem Mond. Neil Armstrong hatte den historischen Augenblick 1969 als „kleinen Schritt“ für ihn selbst und „großen Sprung für die Menschheit“ kommentiert.
Wem das Projekt helfen soll
Das Iris²-Projekt soll vor allem drei Anwendergruppen zugutekommen: Regierungsstellen für ihre nationale und internationale Kommunikation, dem Militär in Europa und über Internet-Dienstleister auch der gesamten EU-Bürgerschaft. Und zwar so, dass selbst bei einem Ausfall der Bodenstationen die Kommunikation über das All noch gesichert ist. Damit könnten auch die derzeit noch vorhandenen „weißen Flecken“ auf der Internet-Landkarte verschwinden, also vor allem ländliche Regionen mit noch sehr schlechter digitaler Anbindung.
Alle Daten sollen einer speziellen Verschlüsselung unterliegen. Auch das ist Teil des im Frühjahr entwickelten „strategischen Kompasses“ der EU, mit dem sie Europa autonomer, sicherer und robuster gegen Cyber-Angriffe machen will. Vor allem die Unabhängigkeit von amerikanischen und chinesischen Satellitensystemen wird angestrebt. Dabei konzentriert sich die EU, anders als die Konkurrenten, allein auf den eigenen Kontinent. Allerdings legt der Verlauf der EU-Satelliten nahe, auch Teile Afrikas zu versorgen – und damit auch ein Versprechen wachsender Infrastruktur-Unterstützung zu erfüllen.
Gegenüber anderen Wettbewerbern sollen die Iris²-Satelliten den Vorteil aufweisen, auf Bahnen in unterschiedlichen Höhen stationiert zu sein. Das sei „neue Weltraumtechnik auf europäische Art“, kommentierte ein EU-Beamter. In den Verhandlungen kamen Aspekte von mehr Nachhaltigkeit, Eindämmung von Weltraumschrott und Minimierung von Lichtverschmutzung in den ursprünglichen Entwurf hinein.
De Maart
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