Dienstag11. November 2025

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NordmazedonienDie unsinkbaren Betonbarken von Skopje

Nordmazedonien / Die unsinkbaren Betonbarken von Skopje
Eines der vielen Reiterstandbilder von Alexander dem Großen in Skopje Foto: Thomas Roser

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Seit fast fünf Jahren lebt Nordmazedoniens Ex-Premier Nikola Gruevski als Justizflüchtling im ungarischen Exil. Das kitschige Monumentalerbe seiner Ära macht der in ein architektonisches Disneyland mutierten Hauptstadt Skopje noch immer zu schaffen: Selbst drei abstruse Beton-Galeonen halten sich hartnäckiger in den Fluten des Vardar als beabsichtigt.

Regenten kommen und gehen – oder versuchen, sich mit ihrem architektonischen Vermächtnis unsterblich zu machen. Was Versailles für Frankreichs einstigen Sonnenkönig Ludwig XIV. oder die Karlsruher Fächerstadt für Badens Markgraf Karl Wilhelm war, ist „Skopje 2014“ für Nordmazedoniens flüchtigen Ex-Premier Nikola Gruevski: In den zehn Jahren seiner korruptionsträchtigen Ära modelte er die nach der Erdbebenkatastrophe von 1963 im nüchternen Brutalismus neu aufgebaute Hauptstadt bis zu seinem Abtritt 2016 mit falschen Barockfassaden, neoklassizistischen Säulen und turmhohen Monumentalskulpturen in ein architektonisches Disneyland um.

Noch bevor der wegen Korruption, Geldwäsche und der illegalen Aneignung von Staatseigentum mittlerweile zu insgesamt neun Jahren verurteilte Stadterneuerer 2018 seine Haft anzutreten hatte, setzte sich der nationalistische Populist zu seinem Budapester Gesinnungsfreund Viktor Orban ab: In Ungarn, das seine von Skopje beantragte Auslieferung ablehnte, genießt der 52-jährige Justizflüchtling bis heute politisches Asyl.

Das Monumentalerbe des Ex-Regenten macht der Stadt hingegen noch immer zu schaffen. Das architektonische Potpourri seines schrägen Geschmacks lässt zwar die Kameras von schaudernden oder begeisterten Touristen klicken. Doch ob das höchste Alexander-der-Große-Denkmal der Welt, die dem Pariser Triumphbogen nachgebaute „Porta Makedonija“ oder der dem Weißen Haus nachempfundene Regierungssitz: Skopjes Bauwunder liegen nicht nur vielen Bewohnern, sondern auch Würdenträgern wie ein wuchtiger Wackerstein im leeren Magen.

Hässlichste Bausünden stehen noch

Schon zu Amtszeiten Gruevskis hatten sich heftige Proteste gegen die von ihm versuchte „Antikisierung“ der Stadt geregt. Unmittelbar nach seinem Sturz hatten seine Nachfolger den Rückbau und die rasche Lichtung des Skulpturenwaldes gelobt. In einer Umfrage kürten die Bewohner von Skopje damals die hässlichsten Bausünden, die als erste getilgt werden sollten: drei Segelschiffe aus Beton in den Fluten des Vardar.

Doch nicht nur die geänderten Prioritäten und der fehlende politische Wille der neuen Staats- und Stadtregenten, sondern auch leere Kassen und die unklare Rechtslage haben die kostspielige Bergung der Betonbarken bislang verhindert. 2021 kündigte die Stadt zwar endlich die Demontage des ersten Dreimasters an. Doch der ungelöste Streit, wer die hohen Abrisskosten von umgerechnet fünf Millionen Euro pro Schiff tragen soll, hat deren beabsichtigte Versenkung scheitern lassen.

Ursprünglich sollten gar sechs der Betonungetüme ins Flussbett gemauert werden: Die unsinkbare Fake-Schiff-Armada sollte Wirtshäuser, Herbergen und ein Casino beherbergen. Mittlerweile wird nur noch in einem der drei Galeonen ein kleines Hotel und Cafe betrieben. Eine weitere ist seit Jahren verriegelt. Obdachlose und Nachtschwärmer machen es sich laut der Agentur „Balkan Insight“ derweil vermehrt auf dem dritten, zum Teil ausgebrannten Wrack breit: „Das Schiff verbreitet manchmal den Geruch von Toilette, manchmal von verkohltem Holz – je nachdem durch welche Löcher im Rumpf der Wind weht.“