Ein Wald von filmenden Mobiltelefonen reckte sich Ungarns Wahltriumphator entgegen. „Viktor, Viktor!“ skandierten seine Anhänger, als der alte und neue Regierungschef Viktor Orban mit heiserer Stimme auf der Wahlparty seiner Fidesz-Partei seinen Siegesgefühlen freien Lauf ließ: „Wir haben einen riesigen Sieg errungen, so groß, dass er sogar vom Mond, aber sicherlich von Brüssel aus zu sehen ist!“
Ein knappes Rennen hatten die Meinungsforscher trotz des Umfrage-Vorsprungs der Fidesz-Partei bei der vom Ukraine-Krieg überschatteten Parlamentswahl vorhergesagt. Ungewohnt nervös hatte selbst der erfahrene Seriensieger vor dem Urnengang am Sonntag gewirkt. Erstmals traten die in einem gemeinsamen Bündnis von links bis rechts geeinten Oppositionsparteien gemeinsam gegen ihn an. „Es kann alles passieren“, unkte Orban letzte Woche.
Wir haben alles richtig gemacht. Aber nach zwölf Jahren Gehirnwäsche kann Orban in Ungarn immer jede Wahl gewinnen.
Doch „Ungarns ewiger Orban“ bleibt seinen begeisterten oder restlos deprimierten Landsleuten auch noch eine fünfte Amtsperiode erhalten: Mit 53 Prozent der Stimmen sicherte sich seine seit 2010 amtierende Fidesz-Partei zum vierten Mal in Folge eine Zweidrittelmehrheit. Von einer „Nacht des Glücks“ schwärmte der Mann mit dem Doppelkinn: „Wir sehen ziemlich gut aus, wir sehen immer besser aus: Vielleicht haben wir noch nie so gut ausgesehen wie heute.“
Wunden lecken war hingegen in den Reihen der konsternierten Opposition angesagt. „Wir haben alles richtig gemacht“, versicherte ihr gescheiterter Spitzenkandidat Peter Marki-Zay: „Aber nach zwölf Jahren Gehirnwäsche kann Orban in Ungarn immer jede Wahl gewinnen.“
Gegenüber dem Tageblatt machte der Analyst Bulcsu Hunyadi vom Institut Political Capital in Budapest mehrere Gründe für Orbans unerwartet klaren Triumph verantwortlich. Zum einen habe Orbans Botschaft von der angeblichen Wahl zwischen Krieg und Frieden bei den Wählern offensichtlich mehr Gehör gefunden als die Kritik der Opposition am Putin-Freund. Ein weiterer Grund sei die Fähigkeit von Fidesz, „den öffentlichen Diskurs mit dem Mediennetzwerk der Partei zu kontrollieren“. Im Wahlkampf habe die Regierungspartei zudem von ihren immensen, „aus öffentlichen Mitteln gespeisten Finanzressourcen“ profitiert: „Hinzu kommt ein Wahlsystem, das Fidesz klar bevorzugt.“
Orban zusehends isoliert
Bei der Analyse der Resultate wird laut Hunyadi allerdings deutlich, dass die früheren Wähler der in die rechte Mitte gerutschten Jobbik-Partei die Wahl entschieden: Die Opposition habe gegenüber 2018 fast eine Million Stimmen verloren. Ein kleinerer Teil der früheren Jobbik-Wähler sei zu Fidesz, ein weiterer Teil zur neuen rechtsextremistischen Mi Hazank (Meine Heimat) abgewandert: „Doch die Mehrheit von ihnen blieb offenbar zuhause.“
Doch trotz seines Erdrutschsiegs wird sich Orban laut Hunyadi bald vermehrten Problemen ausgesetzt sehen. Einerseits werde Ungarn die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukrainekriegs stets stärker zu spüren bekommen. Andererseits seien die Staatsfinanzen durch kostspielige Wahlgeschenke an Rentner und Familien „völlig aus den Fugen geraten“. International sei Orban nicht nur in der EU, „sondern auch in der Region zunehmend isoliert“. Doch Fidesz werde die Unterstützung der polnischen PiS angesichts der drohenden EU-Sanktionen weiter benötigen: „Es wird für Orban eine große Herausforderung sein, die Beziehungen zu Polen wieder zu glätten.“
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können