ItalienBürgermeister will Maskenträger bestrafen, Nobelclub-Besucher geben falsche Kontaktdaten

Italien / Bürgermeister will Maskenträger bestrafen, Nobelclub-Besucher geben falsche Kontaktdaten
Der frühere Formel-1-Manager Flavio Briatore wurde positiv auf das Coronavirus getestet und wird die nächste Zeit zu Hause in Quarantäne verbringen – Gäste seines Nobelclubs hatten falsche Kontaktdaten hinterlegt und die Tracing-Teams so in die Irre geschickt Foto: dpa/Claudio Furlan

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Je länger die strengen Sicherheitsmaßnahmen zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung Italiens in Kraft bleiben, desto mehr regen sich auch Proteste dagegen. Zu beobachten ist dabei auch eine zunehmende Unvernunft: Ein Bürgermeister stellt in seiner Gemeinde das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken in der Öffentlichkeit unter Strafe. Und bei Partys und Festen geben Teilnehmer falsche Kontaktdaten an.

Trotz zunehmender Infektionszahlen wächst in Italien die Abneigung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Wie in Deutschland versammeln sich auch hierzulande von Zeit zu Zeit Gegner der von der Regierung Giuseppe Contes angeordneten Hygienemaßnahmen zu Protestdemonstrationen; beachtenswert, dass auch hier vor allem das extrem rechte Spektrum der Gesellschaft besonders aktiv ist.

Doch die Spitze aller Proteste bot jetzt Vittorio Sgarbi, Bürgermeister der in der Provinz Viterbo gelegenen Gemeinde Sutri. Wer in der 6.000 Einwohner zählenden Ortschaft ohne einen hinreichenden Grund einen Mund-Nasen-Schutz in der Öffentlichkeit trägt, muss mit einer Ordnungsstrafe rechnen.

Bürgermeister will Maskenträger bestrafen

Der frühere Kunstkritiker und heutige Bürgermeister von Sutri, Sgarbi, beruft sich auf ein Gesetz aus den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, ein Vermummungsverbot, das zur Zeit der Roten Brigaden erlassen wurde. Wer einen Schutzhelm trug oder andere Dinge, die ein Erkennen der Person erschweren könnten, musste mit Ordnungsstrafen rechnen. Dieses eigentlich veraltete Gesetz wendet Sgarbi nun in seiner Ortschaft an. „Nur Gauner oder Terroristen maskieren sich freiwillig“, begründet der Erste Bürger von Sutri sein Verbot.

Mit dieser Aktion meldet sich Sgarbi allerdings nicht zum ersten Mal als Kritiker der Sicherheitsmaßnahmen der Regierung. Vor wenigen Wochen nahm Sgarbi, der dem italienischen Abgeordnetenhaus als Mandatsträger der Gemischten Gruppe angehört, an einer Veranstaltung der Corona-Leugner teil, zu der auch Lega-Chef Matteo Salvini seine Präsenz zeigte.

Schon im März, als die Covid-Pandemie in Italien mit Tausenden Toten auf ihren Höhepunkt zusteuerte, erklärte Sgarbi, „man soll ruhig in die Öffentlichkeit gehen, es passiert gar nichts“. Selbst bei Parlamentssitzungen hält sich Sgarbi nicht zurück, erst kürzlich musste er nach Beleidigungen der Stellvertretenden Parlamentspräsidentin Mara Garfagna und der Forza-Italia-Abgeordneten Giusi Bartolozzi aus dem Saal getragen werden. Wegen der Schwere der Beleidigungen – er hatte beide Parlamentarier als „Faschisten“ betitelt – wurde er für den Zeitraum von 15 Sitzungstagen vom Parlament ausgeschlossen.

Von radikal Rechten bis zu Briatores Corona-Disco

Wenngleich die Aktionen Vittorio Sgarbis besonders extrem sind, so ist der frühere Kulturstaatssekretär unter Berlusconi kein Einzelfall. Ebenso drastisch tritt der Ex-Carabinieri-General und Führer der rechtsgerichteten „Orangen Westen“, Antonio Pappalardo, mit seinen Anti-Corona-Demonstrationen auf. Dessen Credo ist, die „Pandemie existiert überhaupt nicht“.

Weniger extrem, doch nicht minder leugnend tritt auch Silvio-Berlusconi- und Donald-Trump-Freund Flavio Briatore auf. Mehrfach kritisierte der frühere Formel-1-Manager die Regierung und den Bürgermeister der sardischen Gemeinde Arzachena, Roberto Ragnedda, für die scharfen Corona-Schutzmaßnahmen. Ragnedda hatte für Briatores Nobelclub „Billionaire“ ein Diskothekenverbot verhängt, gegen das der Unternehmer protestierte. Die Quittung kam prompt: 63 Mitarbeiter wurden positiv auf SARS-CoV2 getestet, Briatore selbst musste sich zur Behandlung ins Krankenhaus nach Mailand begeben.

Besonders kritisch in dem Fall: Viele Disco-Besucher hatten falsche Kontaktdaten angegeben. Die zuständigen Staatsanwaltschaften ermitteln nun in Sachen Verletzung der Aufsichtspflicht. Zudem wird mit Hilfe der Polizei versucht, Kontakt- und mögliche Infektionsketten zu verfolgen. Der Fall „Billionaires Club“ ist nur ein aktuelles Exempel vielfacher Verletzungen der Covid-Auflagen. Die Regierung Conte bleibt gefordert, die Schutzmaßnahmen durchzusetzen, um einen erneuten Lockdown, der die angeschlagene italienische Wirtschaft ruinieren dürfte, zu vermeiden. Und der Herbst mit seinen steigenden Infektionszahlen und möglichen Grippewellen steht erst bevor.

HTK
1. September 2020 - 9.34

Ist das zufällig der Bürgermeister von Bergamo?