Auch im EU-Wartesaal auf dem Westbalkan sorgt vor allem der Kurswechsel in Deutschland für Gesprächsstoff. Von einer „historischen Wende um 180 Grad“ in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik spricht das Portal von Serbiens staatlichen TV-Sender RTS: „Die Vorstellung, dass Deutsche Waffen liefern, um Russen zu töten, wäre vor einigen Wochen undenkbar gewesen.“
Der Zeitenwende durch den Ukrainekrieg ist sich auch Belgrad bewusst. „Die ganze Welt hat sich völlig verändert“, konstatiert Präsident Aleksandar Vucic. Am Lavieren zwischen Ost und West hält der russophile EU-Anwärter dennoch fest. Serbien gebe „der territorialen Integrität der Ukraine die volle Unterstützung“ und werde „keinerlei Sanktion gegen Russland“ verhängen, so Vucic.
Im Ukraine-Krieg fühlt sich Belgrad in einer Zwickmühle. Einerseits fordert die EU von ihrem Beitrittskandidaten die Angleichung an die gemeinsame Außenpolitik – einschließlich der Übernahme der Russland-Sanktionen. Andererseits erwartet Moskau für die gewährte Schützenhilfe im Kosovo-Konflikt von Belgrad Loyalität – samt Ablehnung der Sanktionen.
Furcht vor Weltkrieg
Schon vor dem Kriegsausbruch in der Ukraine hat Serbien seine Armee in den letzten Jahren kräftig aufgerüstet – oft mit ausgedientem Kriegsgerät aus Russland. Laut einer Umfrage fürchten zwei Drittel der Serben, dass der Ukraine-Krieg zum Weltkrieg ausarten könne. Ihre Kriegsängste treiben die Serben indes weniger auf die Straße als in die Supermärkte: Letzte Woche kam es zu Hamsterkäufen von Mehl – und langen Warteschlangen vor den Tankstellen.
Zwar warnen Analysten, dass das Land nicht weiter auf zwei Stühlen sitzen könne. Doch obwohl Serbien seine EU-Perspektiven aufs Spiel zu setzen droht, ist Belgrad zu einem Kurswechsel noch nicht bereit. Von der Kürzung der Vorbeitrittsmittel über den Entzug der Visa-Befreiung bis hin zur Aberkennung des Kandidatenstatus soll die Palette der angedrohten Daumenschrauben reichen, mit denen die EU Serbien in die Sanktionsfront zwingen will.
De Maart
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