Als Australien den Hafen von Darwin Ende 2015 an eine chinesische Firma verpachtete, soll die US-Regierung dies aus der New York Times erfahren haben. Letzteres verärgerte den früheren US-Präsident Barack Obama angeblich so sehr, dass er sich den damaligen australischen Premierminister Malcolm Turnbull persönlich vorknöpfte und ihn bat, Washington doch künftig eine „Vorwarnung bei derartigen Dingen“ zu geben. „Lassen Sie es uns beim nächsten Mal wissen“, soll er gesagt haben. Das Gespräch soll freundlich verlaufen sein, Turnbull soll gar gescherzt haben, dass der US-Präsident doch besser die farbenfrohe Boulevardzeitung The NT News abonnieren solle – die Hauszeitung für das australische Nord-Territorium.
Die chinesische Firma Landbridge Group hatte im November 2015 eine auf 99 Jahre angelegte Pacht für den Hafen von Darwin abgeschlossen. 506 Millionen australische Dollar – umgerechnet rund 308 Millionen Euro – sollen die Chinesen dafür bezahlt haben. Die Summe war damals das bei Weitem höchste Bietergebot unter den 33 Interessenten gewesen. Außerdem erhoffte man sich, mit Hilfe von Landbridge neue Handelsoptionen für Vieh, Rohstoffe und Gas in der Volksrepublik zu schaffen.
Dazu muss man wissen: 2015 war das Verhältnis der Länder noch ein völlig anderes als heute. Im Jahr zuvor hatte der chinesische Präsident Xi Jinping als Gastredner vor dem australischen Parlament gesprochen. Die beiden Nationen hatten sich auf ein Handelsabkommen geeinigt.
Bündnispartner seit Jahrzehnten
Doch auch damals gab es bereits Warnzeichen, die man in Darwin und Canberra hätte sehen müssen: 2015 war Peking bei der Annexion von Gebieten im Südchinesischen Meer bereits weit fortgeschritten. Mehrere Inseln waren in Luft- und Marinestützpunkte verwandelt worden. Auch in australische Belange mischte sich Peking schon damals ein: Der Diebstahl geistigen Eigentums war keine Seltenheit, politische Parteien wurden immer wieder durch Spenden von mysteriösen chinesischen Geschäftsleuten kompromittiert. Neben Obama gab es deswegen auch innerhalb Australiens bereits kritische Stimmen, die warnten, dass man mit der Pacht die nationale Sicherheit für wirtschaftlichen Gewinn aufs Spiel setze.
Denn bereits damals war vielen bewusst, dass es sich beim Hafen um einen strategisch wichtigen Stützpunkt in Richtung Asien handelt. Darwin, die zentrale Stadt im Nordterritorium, ist ein idealer Ausgangspunkt, um die volatile Situation im Südchinesischen Meer zu überwachen. Nicht umsonst sind seit 2012 stets mehrere Tausend US-Soldaten im Norden Australiens stationiert, die dort gemeinsam mit australischen Truppen trainieren. Obwohl die USA im gemeinsamen Aukus-Pakt mit Großbritannien die strategische Allianz mit Australien nochmals vertieft haben, sind die Länder bereits seit Jahrzehnten militärische Bündnispartner.
Im sogenannten Anzus-Abkommen sichern sie sich seit 1951 – ähnlich wie die NATO-Staaten im Nordatlantikvertrag – gegenseitige militärische Unterstützung zu. Außerdem ist Australien Teil der sogenannten „Five Eyes“-Partnerschaft, in der die Geheimdienste von Australien, Neuseeland, Kanada, Großbritannien und den USA zusammenarbeiten. Beispielsweise befindet sich auch ein von Australien und den USA gemeinsam betriebenes Spionagezentrum namens Pine Gap in der Nähe von Alice Springs im Zentrum Australiens, eine Region, die ebenfalls in das weitläufige Nordterritorium des Landes fällt.
Speerspitze für den Ernstfall
Wie strategisch bedeutsam die Region ist, zeigt auch, dass die USA atomwaffenfähige B-52-Bomber im Norden Australiens stationieren werden, wie im Oktober des vergangenen Jahres bekannt wurde. Auf dem Luftwaffenstützpunkt Tindal, südlich von Darwin gelegen, sollen spezielle Einrichtungen für die großen Flugzeuge entstehen, die eine Reichweite von rund 14.000 Kilometern haben. Richard Tanter vom Nautilus Institute, einem Thinktank in Melbourne, sagte dem staatlichen australischen Sender ABC damals, dass die Stationierung „ein Zeichen für die Chinesen“ sei, dass Australien bereit sei, im Fall eines Konflikts „die Speerspitze“ der USA zu sein.
Dass China über die Pacht des Hafens in Darwin „einen Fuß“ im Norden Australiens hat, erscheint da beinahe wie die legendäre verwundbare Stelle Siegfrieds aus den „Nibelungen“. Nicht nur öffnet die Hafenpacht die Türen für Spionage, sie erlaubt dem Unternehmen, dem in der Vergangenheit bereits Nähe zur Kommunistischen Partei Chinas vorgeworfen wurde, die Region und ihre Möglichkeiten genauestens auszufühlen.
Hafenpacht wird überprüft
Als die australische Regierung vorvergangene Woche ihre neue Verteidigungsstrategie offenlegte und ein 110 Seiten starkes „Defence Strategic Review“-Dokument vorstellte, wurde der Hafen von Darwin darin nicht erwähnt. In dem Gutachten wurde aber ausführlich dargelegt, dass die Verteidigungsbasen im Norden des Landes – von Darwin bis Townsville – gestärkt werden sollten, um die Grenze besser auf die Bedrohung durch zukünftige ausländische Angriffe vorzubereiten. Der Hafen sei aber trotzdem im Visier der Regierung, wie John Coyne, ein Politikexperte des Australian Strategic Policy Institute (ASPI), ein Thinktank, der vom australischen Verteidigungsministerium mitfinanziert wird, der ABC sagte.
Tatsächlich befindet sich die Verpachtung des Hafens derzeit in einer Überprüfungsphase. Sollte Canberra zu dem Schluss kommen, die auf 99 Jahre angelegte Pacht aus nationalen Sicherheitsgründen zu brechen, so würde dies Washington erfreuen, das ohnehin volatile australisch-chinesische Verhältnis dagegen weiter belasten. Auf die australischen Steuerzahlen kämen dagegen Millionen an Entschädigungsgeldern zu, um die chinesische Firma für ihre Verluste zu kompensieren.
Noch ist der Ausgang der Überprüfung unklar, doch folgende Sätze aus dem Gutachten von vorletzter Woche könnten das Ergebnis erahnen lassen: „Chinas militärischer Aufbau ist inzwischen der größte und ehrgeizigste aller Länder seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“, hieß es darin. Und weiter: „Dieser Aufbau erfolgt ohne Transparenz oder Beruhigung der strategischen Absicht Chinas gegenüber der indopazifischen Region.“ Mit diesem Wissen im Hinterkopf mutet der chinesische Pächter in Darwin wie das Trojanische Pferd im Land an, das man vielleicht doch lieber wieder ausladen sollte.
De Maart
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