OSZE-TreffenAn Teilnahme von Russlands Außenminister scheiden sich die Geister

OSZE-Treffen / An Teilnahme von Russlands Außenminister scheiden sich die Geister
Mit diesem Leitspruch, der beim Treffen des OSZE-Ministerrates in Skopje zu sehen ist, kann der russische Außenminister Sergej Lawrow nicht viel anfangen Foto: AFP/Robert Atanasovski

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Ausgerechnet US-Druck soll Russlands Außenminister Sergej Lawrow den Weg zum OSZE-Ministerrat in Nordmazedonien geebnet haben. Aus Protest gegen den umstrittenen Gast boykottieren die Chefdiplomaten der Ukraine und der baltischen Staaten das Treffen. Doch laut der um ihre Existenz ringenden OSZE kann von einem diplomatischen Sieg Moskaus keine Rede sein.

Als wäre er nie isoliert und sanktioniert gewesen: Mit unbeweglicher Miene schritt Russlands Außenminister Sergej Lawrow bei seiner ersten Dienstreise in einen NATO-Staat seit Beginn des Ukrainekriegs am Donnerstag in Nordmazedoniens Hauptstadt Skopje im Blitzlichtgewitter der Fotografen über den roten Teppich.

Mit einem Handschlag, aber ohne den üblichen Plausch begrüßte Nordmazedoniens Chefdiplomat Bujar Osmani als Gastgeber der Außenministerkonferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den kontroversen Gast betont frostig: Die Teilnahme des Kremlgesandten hat die kriselnde Friedensorganisation schon im Vorfeld des zweitägigen Gipfeltreffens gespalten.

Nicht nur der ukrainische Außenminister blieb dem OSZE-Ministerrat wegen der Teilnahme des russischen Chefdiplomaten demonstrativ fern. Mit dem Risiko „der Legitimierung des Aggressors“ und der Gefahr „der Trivialisierung“ der von Russland in der Ukraine begangenen Kriegsverbrechen begründeten die Außenminister von Estland, Lettland und Litauen in einer gemeinsamen Erklärung ihren Boykott des alljährlichen OSZE-Stelldicheins.

Vor Jahresfrist hatte der damalige OSZE-Vorsitzende Polen dem Kreml-Gesandten noch die Anreise zum Gipfeltreffen in Lodz mit Verweis auf die EU-Sanktionen gegen Russland, aber auch Lawrow persönlich verweigert. Ausgerechnet Druck der USA soll Russlands Außenminister nun den Anflugweg zum Gipfel in Skopje geebnet haben.

Einerseits will Washington genauso wie mehrere führende EU-Staaten den dünn gewordenen Gesprächsfaden mit Moskau nicht ganz abreißen lassen: Die 1995 aus der KSZE hervorgegangene OSZE mit Sitz in Wien gilt als einer der letzten internationalen Organisationen, in der der Westen mit Moskau noch eine Minimalkooperation pflegt.

Andererseits ist die OSZE wegen offener Personalfragen sowie des Tauziehens um seinen jährlich rotierenden Vorsitz und des noch nicht verabschiedeten Budgets für 2024 in eine seiner schwersten Existenzkrisen seiner Geschichte geraten: Nur in Absprache mit Moskau kann die auf dem Konsensprinzip beruhende Organisation ihre drängenden Probleme lösen.

Viele Teilnehmer auf Abstand bedacht

Erfolgreich hat Moskau bereits im Vorfeld des Gipfels per Veto das benachbarte Estland als eigentlich für 2024 vorgesehenen OSZE-Vorsitzenden verhindert. Mit dem künftigen OSZE-Vorsitzenden Malta springt wie von Russland gefordert stattdessen ein Staat ein, der nicht der NATO angehört.

Nur Ungarns russophiler Außenminister Peter Sijjarto nutzte schon den ersten Gipfeltag zu einem Treffen mit dem von ihm regelmäßig in Moskau hofierten Lawrow. Ansonsten mühten sich selbst die Befürworter von dessen Teilnahme, den Eindruck zu vermeiden, in Skopje auf Schulter- oder Schmusekurs mit den russischen Kriegsaggressoren zu gehen.

Schon vor dem Auftakt des OSZE-Ministerrates dementierte Washington alle Spekulationen, dass es an dessen Rande zu einem Treffen von Lawrow mit US-Außenminister Antony Blinken kommen könnte: Demonstrativ reiste Blinken nach einem Arbeitsessen mit dem OSZE-Vorsitzenden Bujani schon vor der Ankunft von Lawrow am Mittwochabend aus Skopje in Richtung Israel ab.

Das Gipfeltreffen sei „kein diplomatischer Sieg Russlands, sondern ein diplomatischer Sieg der OSZE“, beteuerte Nordmazedoniens Premier Dimitar Kovacevski in seiner Eröffnungsrede. Gleichzeitig verurteilte er ausdrücklich „Russlands ungerechtfertigte Aggression“: „Die Unterstützung der Ukraine ist eine wesentliche Priorität unserer Präsidentschaft.“

Bettel: „Leid von Millionen von Menschen beenden“

Bereits vor dem Treffen erklärte der neue luxemburgische Außenminister Xavier Bettel gegenüber RTL Lëtzebuerg, er werde den russischen Amtskollegen Sergej Lawrow nicht ignorieren, sollte dieser den Kontakt suchen. Bettel selbst jedoch werde nicht „proaktiv den Kontakt suchen“. In seiner Rede betonte Bettel, vor dem Krieg ein „gutes Verhältnis“ mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gehabt zu haben. Er habe versucht, einen Austausch zwischen diesem und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj herzustellen. Mit ihrem Verhalten hätten die Russen jedoch alles zerstört, was im kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Bereich aufgebaut worden sei. Russland sei nun weitgehend isoliert. „Das Narrativ auf Ihrer Seite ist nicht das richtige“, wandte sich Bettel an die russische Delegation. Diese saß ohne ihren Außenminister da, der nur während seiner eigenen Rede anwesend war. „Es ist niemals zu spät einzusehen, dass Sie einen großen Fehler gemacht haben.“ Er habe zu Beginn des Krieges versucht, einen Austausch mit Russland zu haben. Dafür sei er von anderen Ländern kritisiert worden und ihm sei Mangel an Solidarität vorgeworfen worden. Russland sollte das stoppen, was nicht zu erklären sei, für das es keinen Sinn gebe, forderte Bettel. Stärke würde derjenige beweisen, der „das Leid von Millionen von Menschen beendet“, sagte Bettel abschließend. (gk)