Donnerstag13. November 2025

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MontenegroAbwahl von Dauerregent Djukanovic könnte den Weg in die EU ebnen

Montenegro / Abwahl von Dauerregent Djukanovic könnte den Weg in die EU ebnen
Montenegros künftiger Präsident Jakov Milatovic (M.) und seine Ehefrau nach der Stimmabgabe am Sonntag Foto: AFP/Elvis Barukcic

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Ausgelassene Freudenfeiern läuteten in Montenegro das von vielen ersehnte Ende einer langen Ära ein. Draußen auf den Straßen knallten die Feuerwerkskörper, drinnen im Stab des Wahlsiegers die Sektkorken, als der künftige Landesvater Jakov Milatovic das Wort ergriff.

„Auf diese Nacht haben wir mehr als 30 Jahre gewartet“, freute sich der 37-jährige Ökonom über seinen „historischen Sieg“ bei der von ihm mit rund 60 Prozent klar gewonnenen Stichwahl gegen Dauerregent Milo Djukanovic: „Wir haben uns von der Kriminalität und Korruption verabschiedet. In den nächsten fünf Jahren werden wir Montenegro in die EU führen.“

Ob als einstiges Mitglied im Zentralkomitee des Bunds der Kommunisten, mehrfacher Premier, Präsident oder Parteichef der von ihm 1991 gegründeten DPS: Über drei Jahrzehnte teilte „Zar Milo“ im Land der Schwarzen Berge die Karten aus. Sein Gang zum Mikrofon fiel dem geschlagenen Politfossil trotz des donnernden Applauses seiner Anhänger denn auch sichtlich schwer. Manchmal gewinne man Wahlen, manchmal verliere man sie, sinnierte der Wahlverlierer, bevor er seinem 24 Jahre jüngeren Rivalen Milatovic höflich zu seiner Wahl gratulierte: „Montenegro hat gewählt. Und diese Wahl respektiere ich.“

Vergeblich hatte der Ränkeschmied im Wahlkampf den im Westen ausgebildeten Kennedy-Fan Milatovic als Handlanger serbischer und russischer Interessen zu diskreditieren versucht. Einerseits verfügte er seit der Verbannung seiner DPS in die Opposition 2020 nicht mehr über die Geheimdienst- und Polizeiressourcen, um ein weiteres „Wahlmirakel“ organisieren zu können. Andererseits ging der Schuss eines von ihm organisierten Unterstützerchors, der von bosnischen und kroatischen Regierungspolitikern bis hin zu serbischen Bürgerrechtlern reichte, nach hinten los: Auch die Empörung über die orchestrierte Schmutzkampagne trieb so viele Wähler wie selten zuvor an die Urnen.

Zwar gehört Milatovic wie die Mehrheit seiner Landsleute der Serbisch-Orthodoxen Kirche an. Doch obwohl der Oxford-Absolvent für verbesserte Beziehungen zum größten Nachbarn und Handelspartner Serbien plädiert, greift es zu kurz, ihn als Mann Belgrads abzustempeln.

2006 stimmte er beim Unabhängigkeitsreferendum für die von Serbien heftig kritisierte Eigenstaatlichkeit Montenegros. Seine politische und berufliche Sozialisation hatte er bei mehreren Auslandssemestern im Westen, bei der Deutschen Bank in Frankfurt und bei der Europäischen Entwicklungsbank (EBRD) erfahren. Als Wirtschaftsminister war er von 2020 bis 2022 Teil eines Expertenkabinetts, das eher gespannte Beziehungen zu Belgrad unterhielt. Einen Popularitätsschub sollte ihm als Minister die von ihm mit konzipierte Steuerreform bescheren: Dank Kürzung der Sozialabgaben stiegen die Netto-Durchschnittslöhne 2022 fast um ein Drittel.

Djukanovic droht Ärger mit der Justiz

Seinen Erdrutschsieg hat er aber vor allem seinem Rivalen zu verdanken: Die Mehrheit der Wähler war der Klientelwirtschaft und Mafia-Schatten der Djukanovic-Ära schlicht überdrüssig. Er werde Djukanovic „in Rente schicken“, hatte Milatovic im Stimmenstreit verkündet. Doch tatsächlich droht dem noch amtierenden Präsidenten nach dem Verlust seiner Immunität statt einer geruhsamen Frührente neuer Ärger mit der Justiz – und die Anklagebank: Der tiefe Fall von Kroatiens hinter Gitter gewanderten Ex-Premier Ivo Sanader oder Rumäniens einstigem Sozialistenchef Liviu Dragnea muss dem steinreichen Djukanovic eine Warnung sein.

„Ende für einen Neuanfang“, titelte die Zeitung Vijesti in Podgorica zu Wochenbeginn hoffnungsfroh. Doch ob dem Küstenstaat der ersehnte Neuaufbruch und ein entschlossenerer Kampf gegen die mächtigen Drogenclans und das Organisierte Verbrechen gelingt, dürfte vom Ausgang der vorgezogenen Parlamentswahl im Juni abhängen.

Die von Milatovic mitbegründete Bewegung „Europa Jetzt“ zieht gestärkt, die DPS von Djukanovic geschwächt in den Stimmenstreit. Doch das Zweckbündnis, das Milatovic vor der Stichwahl unterstützte, ist keineswegs homogen: Nur wenn den Djukanovic-Gegnern die Bildung einer tragfähigen Koalition gelingt, kommt in Montenegro das Ziel eines EU-Beitritts in Sicht.

Milo Djukanovic wird als Präsident Montenegros abgelöst
Milo Djukanovic wird als Präsident Montenegros abgelöst Foto: AFP/Elvis Barukcic