Samstag25. Oktober 2025

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Neuwahl in PortugalAbsolute Mehrheit für Costas Sozialisten

Neuwahl in Portugal / Absolute Mehrheit für Costas Sozialisten
„In einer Demokratie kann niemand allein regieren“: Costa genießt den Sieg und geht auf die unterlegenen Parteien zu Foto: AFP/Patricia de Melo Moreira

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In Portugal erreichen die Sozialisten von Premier Costa bei vorgezogenen Neuwahlen überraschend die absolute Mehrheit. Die Rechtspopulisten steigen zur drittstärksten Fraktion auf.

Selbst Portugals sozialistischer Premier António Costa hatte nicht mit diesem Erfolg gerechnet: Der 60-Jährige holte in der Parlamentsneuwahl mit seinen sozialdemokratisch orientierten Sozialisten die absolute Mehrheit. Damit kann Costa, der seit sechs Jahren mit einer wackeligen Minderheitsregierung im Amt war, nun bequem die kommenden vier Jahre weiterregieren und sein Reformwerk fortsetzen. Trotz seines Triumphs zeigte Costa Dialogbereitschaft: „In einer Demokratie kann niemand allein regieren.“

An Herausforderungen mangelt es nicht. Portugals Wirtschaft wächst zwar seit Jahren überdurchschnittlich, das Land gehört aber zusammen mit Griechenland immer noch zu den ärmsten Ländern Südeuropas. In Sachen Wohlstand liegt der Staat mit seinen 10,3 Millionen Einwohnern laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat erst bei 76 Prozent des EU-Niveaus. Die Arbeitslosigkeit ist mit sechs Prozent gering. Die Löhne sind jedoch extrem niedrig, die Mieten in den Städten hingegen sehr hoch. Hunderttausende junge Portugiesen verlassen deswegen das Land und suchen im Ausland ihr Glück.

Konservative nur auf 28 Prozent

Nach dem vorläufigen Endergebnis erreichte Costas Sozialistische Partei (PS) knapp 42 Prozent der Stimmen und holte 117 der 230 Parlamentssitze. Damit übertrafen die Sozialisten alle Erwartungen. In der vergangenen Wahl im Oktober 2019 hatten sie 36 Prozent der Stimmen erhalten. Nach Bekanntwerden der Ergebnisse feierten Parteianhänger auf den Straßen der Hauptstadt Lissabon mit Hupkonzerten und Siegesgesängen.

Die größte konservative Bewegung, die sich in Portugal kurioserweise Sozialdemokratische Partei (PSD) nennt, kam nur auf knapp 28 Prozent. Für die Konservativen, die von dem 64-jährigen Rui Rio angeführt werden, ist dieses Resultat enttäuschend. Sie hatten sich Hoffnungen auf einen Sieg gemacht. In der Wahlzentrale in Lissabon herrschte am Sonntagabend eisiges Schweigen. Parteichef Rio schloss seinen Rücktritt nicht aus.

Auch die Rechtspopulisten feiern

Unter den kleinen Parteien Portugals hatte vor allem die rechtspopulistische Protestpartei Chega („Es reicht“) Grund zum Feiern. Die Rechtsaußenpartei, die bisher nur einen einzigen Abgeordneten im Parlament hatte, kletterte auf über sieben Prozent, holte damit zwölf Abgeordnetenmandate und rückte zur drittmächtigsten Fraktion auf. Damit etablieren sich nun auch im EU-Land Portugal die Rechtspopulisten im Parlament. Eine weitere konservative Partei namens Iniciativa Liberal (IL) wurde mit fünf Prozent viertstärkste Kraft.

Der alte und neue Regierungschef Costa kann derweil künftig ohne die kleinen Linksparteien regieren, die sein bisheriges Minderheitskabinett die vergangenen sechs Jahre stützten. Diese wackelige Zusammenarbeit, die in Portugal unter dem Namen „Klapperkiste“ bekannt wurde, war im Herbst 2021 zerbrochen, weil die linken Verbündeten den Haushaltsentwurf Costas für 2022 nicht mittrugen. Sie wollten mehr Sozialausgaben und ließen das Staatsbudget im Abgeordnetenhaus durchfallen. Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa löste daraufhin das Parlament auf und ordnete Neuwahlen an.

Wegen dieses Bruchs mit den Sozialisten wurden die beiden Linksparteien nun hart abgestraft: Der Linksblock (BE) wie die kommunistisch-grüne Plattform PCP/CDU sackten auf vier Prozent ab. Sie hatten eigentlich gehofft, mit der von ihnen provozierten Neuwahl zuzulegen – doch der Schuss ging nach hinten los.

Andre Ventura, Vorsitzender der rechtspopulistischen Partei Chega, während einer Wahlkampfveranstaltung
Andre Ventura, Vorsitzender der rechtspopulistischen Partei Chega, während einer Wahlkampfveranstaltung Foto: dpa/Armando Franca

Die Wahlbeteiligung, die in Portugal traditionell sehr niedrig ist, kam nicht über 58 Prozent hinaus. Das war aber immerhin deutlich mehr als in der vergangenen Parlamentswahl in 2019, als nur 49 Prozent ihre Stimme abgegeben hatten. Als Problem erwies sich erneut, dass die 1,5 Millionen im Ausland lebenden Wahlberechtigten auf bürokratische Probleme stießen. Viele Auslandsportugiesen klagten, dass sie die Unterlagen nicht rechtzeitig erhielten.

Spezielles Wahlfenster für Infizierte

Der Urnengang an diesem Sonntag wurde nicht nur durch Politikmüdigkeit und administrative Hindernisse, sondern zugleich durch die Corona-Pandemie erschwert. Wie alle europäischen Länder befinden sich in Portugal die Infektionen derzeit auf einem Höchststand. Die 7-Tage-Inzidenz liegt bei über 3.000 Fällen pro 100.000 Einwohner.

Trotzdem hat Portugal eine der niedrigsten Hospitalisierungsraten von Covid-Patienten in ganz Europa, was der sehr hohen Impfquote zugeschrieben wird: Über 90 Prozent der Bevölkerung sind doppelt geimpft, 47 Prozent erhielten mittlerweile die Auffrischungsimpfung.

Den rund eine Million Portugiesen, die sich derzeit wegen Corona in Quarantäne befinden, hatten die Behörden erlaubt, für die Stimmabgabe das Haus zu verlassen. Für sie war die letzte Öffnungsstunde der Wahllokale reserviert.