Fußball„Wie Argentinien ohne Messi“ – Der ehemalige georgische Torjäger Shota Arveladze spricht über die Play-offs

Fußball / „Wie Argentinien ohne Messi“ – Der ehemalige georgische Torjäger Shota Arveladze spricht über die Play-offs
Shota Arveladze ist eine Legende in Georgien Foto: Imago/David Davies

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der ehemalige Weltklasse-Stürmer, der zwischen 1991 und 2007 für Dinamo Tiflis, Trabzonspor, Ajax, Glasgow Rangers sowie AZ Alkmaar Tore wie am Fließband schoss, ist auch heute noch Rekordtorschütze der georgischen Nationalmannschaft (26 Treffer in 61 Länderspielen). Als Coach ist die Karriere von Shota Arveladze (51) bislang weniger eindrucksvoll, erst am Sonntag endete sein Job beim türkischen Erstligisten Karagümrük. Als Experte für Georgien ist er aber nach wie vor ein interessanter Gesprächspartner.

Tageblatt: Wie ist Ihr Gefühl vor dem Match gegen Luxemburg? Denken Sie, dass Georgien Favorit ist?

Shota Arveladze: Ich glaube nicht, dass man von einer Favoritenrolle sprechen kann. Trotzdem sehe ich einen leichten Vorteil für Georgien, nicht zuletzt auch weil es ein Heimspiel ist, bei dem mehr als 50.000 Fans für eine tolle Atmosphäre sorgen werden.

Sie kennen die Mentalität Ihrer Landsleute. Glauben Sie, dass Luxemburg, zumindest unterbewusst, unterschätzt wird?

Nein, das glaube ich überhaupt nicht. Über die starken Leistungen und guten Resultate der Luxemburger in der EM-Qualifikation weiß jeder Bescheid, sodass ganz sicher niemand denkt, dass dies eine leichte Aufgabe sein wird. Unsere Spieler werden enormen Druck verspüren, weil sie die große Chance haben, etwas zu erreichen, das Georgien noch nie geschafft hat. Alleine schon mit diesem Erfolgsdruck umzugehen, wird nicht einfach sein. Da würde nur noch fehlen, dass man Zeit vergeudet mit Gedanken, dass man vermeintlich viel besser ist als der Gegner.

Aus georgischer Sicht ist es ohne Zweifel schade, dass mit Napoli-Star Khvicha Kvaratskhelia ausgerechnet der beste Spieler Gelb-gesperrt ist.

Das kann man wohl sagen. Georgien hat definitiv gute Spieler. Jedoch, mit allem Respekt für die anderen Spieler, Georgien ohne Kvaratskhelia ist so wie Argentinien ohne Messi.

Welche Spieler sind die Leistungsträger in der Mannschaft Georgiens?

Wir haben, wie gesagt, mehrere gute Spieler im Team. Mikautadze ist ein Torjäger, für den Ajax viel Geld bezahlt hat. Leider bekam er vorerst wenig Spielzeit und ist jetzt als Leihspieler bei Metz, wo er starke Leistungen zeigt. Davitashvili ist ein toller Fußballer; ein Spielerc, der den Unterschied ausmachen kann. Auch Chakvedatze bringt in England gute Leistungen. Mit Mamardashvili haben wir einen hervorragenden Torhüter. Wir haben Spieler mit großer Erfahrung, wie unseren Kapitän Kashia, sowie auch junge, talentierte Spieler. Alles in allem denke ich, dass es für die georgischen Fans gute Gründe gibt, optimistisch zu sein. Eine EM-Teilnahme wäre für unseren Fußball ein großer Auftrieb. Damals, gegen Nordmazedonien, kamen wir diesem Ziel sehr nahe, leider haben wir es aber nicht geschafft. Ich hoffe, dass es diesmal klappen wird (im Nations-League-Play-off für die Euro 2020 bezwang Georgien zunächst Belarus mit 1:0, verlor dann jedoch daheim gegen Nordmazedonien mit 0:1; Anm. d. Red.).

Wie beurteilen Sie die Leistungen und Resultate Georgiens in der EM-Qualifikation?

Wir waren in einer schweren Gruppe (mit Spanien, Norwegen, Schottland und Zypern). Trotzdem kann mit den Ergebnissen natürlich niemand zufrieden sein. Ich denke, dass in manchen Spielen die Leistung unserer Mannschaft besser war als das Ergebnis. Wir hätten sicher drei, vier Punkte mehr verdient. Auf jeden Fall ist Georgien nicht so schwach, wie man aufgrund der hohen Niederlage gegen Spanien glauben könnte (1:7 in Tiflis). Das war eines jener Spiele, bei dem einem Gegner fast alles gelingt und bei dir alles schiefläuft.

Wo sehen Sie die Stärken und Schwächen Georgiens?

Wir haben vorne Spieler mit hoher individueller Klasse und auch das schnelle Umschaltspiel zählt sicher zu unseren Stärken. Jede Mannschaft hat Schwächen, über die möchte ich aber nicht reden. Es könnte ja sein, dass vor so einem wichtigen Spiel etwas, was ich sage, in meiner Heimat dann falsch interpretiert wird.

Was denken Sie über das Nationalteam von Luxemburg?

Einer Mannschaft, die in der Qualifikation 17 Punkte holt, gebührt auf jeden Fall Respekt. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich Luxemburg gut kenne. Als feststand, dass sie gegen Georgien spielen würde, hatte ich natürlich das Bedürfnis, mich zu informieren. Luxemburg hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Offensichtlich wurde gute Arbeit geleistet und wohl auch viel investiert, unter anderem auch in ein neues Stadion. Die meisten Spieler aus dem Nationalteam stehen bei ausländischen Klubs unter Vertrag, einige davon sogar in Deutschland.

Welche Spieler von Luxemburg würden Sie hervorheben?

Auf jeden Fall Gerson Rodrigues, der ja bis vor kurzem hier in der Türkei gespielt hat (zu diesem Trainer war Arveladze noch Cheftrainer bei Fatih Karagümrük). Jedoch sind, so viel ich mitbekommen habe, Teamwork und taktische Disziplin die Stärken der Mannschaft von Luxemburg.

Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit Luxemburgs Fußball, aus Ihrer Karriere als Spieler und später als Trainer?

Ich kann mich erinnern, dass es zu meiner Zeit zwei Länderspiele gegen Luxemburg gab (ein 3:0 Sieg für Georgien in 2001 und ein 0:0 in 2007), aber beide Male war ich nicht dabei. Ich war wohl verletzt. Als Coach spielte ich einmal mit Trabzonspor in der Europa League-Qualifikation gegen Differdingen. Wir sind eine Runde weitergekommen, aber es war eine knappe Angelegenheit, zu Hause 1:0 und in Luxemburg 2:1.

Im Sommer 2015 war Shota Arveladze als Trainer (M.) im Stade Josy Barthel zu Gast
Im Sommer 2015 war Shota Arveladze als Trainer (M.) im Stade Josy Barthel zu Gast Foto: Editpress/Gerry Schmit