Contact TracingUmfrage sieht „große Akzeptanz“ für Corona-App – Regierung setzt weiter auf manuelles Tracing 

Contact Tracing / Umfrage sieht „große Akzeptanz“ für Corona-App – Regierung setzt weiter auf manuelles Tracing 
In Deutschland kann man seit Juni die offizielle  „Corona-Warn-App“ herunterladen Foto: dpa/Marius Becker

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Weltweit haben Länder Tracing-Apps entwickelt, die dabei helfen sollen, das Coronavirus einzudämmen. Die Smartphone-Programme werden dabei teils kritisch gesehen. Im Großherzogtum gibt es keine Tracing-App – und es ist auch keine geplant, wie die Regierung dem Tageblatt erneut bestätigt hat. Das Statec hat die Luxemburger dennoch gefragt: Würden Sie sich eine App installieren? 

Viele EU-Länder haben im Laufe der vergangenen Monate eine App entwickelt, die Corona-Infektionen tracen und vor Risikokontakten warnen soll. Das Ziel, so ein Bericht der EU-Kommission: Infektionsketten unterbrechen und dabei helfen, die Pandemie einzudämmen. 19 der 27 EU-Länder haben bereits eine App in Betrieb. Vier stecken noch in der Entwicklungsarbeit oder haben eine App in Planung. Und vier andere Länder haben laut EU-Kommission erst gar nicht vor, eine App einzusetzen: Bulgarien, Rumänien, Schweden – und Luxemburg. 

Mehrmals hat sich die Luxemburger Regierung gegen die Idee ausgesprochen, eine App einzusetzen. Ende Juni – das Infektionsgeschehen lag bei rund 20 Neuinfektionen täglich – sagte Premierminister Xavier Bettel (DP) im Parlament, dass die Regierung einer App „skeptisch“ gegenüberstehe. Das analoge Tracing – also über das Contact-Tracing-Team der Gesundheitsinspektion – sei für die Regierung das „wirkungsvollste Werkzeug“ zu diesem Zeitpunkt. Dort sei die Fehlerquote kleiner, zudem würde der persönliche Kontakt helfen, wenn die Tracer einem Menschen die Botschaft überbringen, dass er Kontakt zu einem Infizierten hatte. „Es ist effizienter als irgendeine SMS auf einem Handy, die sagt, ihr hattet Kontakt mit dem und dem an dem und dem Tag – und deshalb müsst ihr daheim bleiben und werdet am Ende in Quarantäne gesetzt“, sagte Bettel. Komplett ausschließen wollte der Premier das „digitale Tracing“ nicht: „Wir sind nicht hundertprozentig gegen eine App, wenn wir wirklich auf einmal keine andere Wahl mehr haben“, sagte er vor der Chamber. „Aber unter den aktuellen Konditionen ist es wirklich nicht die Option, die wir privilegieren – wenn es sich ändert, sind wir aber bereit.“

Virologe warnte im Sommer

Der Virologe Claude P. Muller warnte wenige Wochen später, dass das „analoge“ Contact Tracing nicht ausreichen könnte. „Sämtliche Modelle und Strategien von Uni.lu/LIH sind eng an die Tracing-Kapazität geknüpft“, schrieb Muller in einem Meinungsbeitrag, der am 24. Juli im Tageblatt veröffentlicht wurde. „Das manuelle Tracing stößt aber gerade dann an seine Grenzen, wenn es am nötigsten gebraucht wird. In Erwartung einer zweiten Welle musste dies antizipiert werden.“ Für Muller war die Unterstützung einer Tracing-App „unumgänglich“, aber die Regierung habe die Latte für deren Verwendung sehr hoch gelegt. „Es ist fraglich, ob die App bereitsteht, wenn das manuelle Tracing überfordert ist“, sage Muller. 

Im Herbst trat dann genau dieser Fall ein: Die Zahlen der täglichen Neuinfektionen stiegen rasant. Beim bisherigen „Peak“ in der letzten Oktoberwoche wurden laut „Santé“ pro Tag durchschnittlich 671 Neuinfektionen gemeldet (ohne die Grenzgänger, deren Fallzahlen seit Ende August nicht mehr kommuniziert werden). Schließlich bewältigte die Contact-Tracing-Abteilung das Aufkommen nicht mehr. Die Mitarbeiter konnten nicht mehr den helfenden „persönliche Kontakt“ herstellen, wenn sie einem Menschen „die Botschaft überbrachten, dass er Kontakt zu einem Infizierten“ hatte. Ganz im Gegenteil: Am 25. Oktober rief die Regierung Infizierte dazu auf, selbst die eigenen Kontakte zu informieren.

„Aufgrund der großen Zahl neuer Fälle war das Contact Tracing in Verzug geraten“,  schrieb Gesundheitsministerin Paulette Lenert am 17. November in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage. „So stiegen die täglichen Anrufe von 200 bis 250 pro Tag vor dem 20. Oktober auf mehr als 400 pro Tag vor dem 28. Oktober, dann auf 500 bis 600 pro Tag am 1. November, um am 12. und 13. November mehr als 1.000 zu erreichen.“ Der Rückstand sei aber zum 17. November vollständig abgebaut worden. „Wir haben gesehen, was inzwischen auch eine allgemeine Erkenntnis ist: dass auch das Contact Tracing natürlich nur bis zu einem gewissen Punkt seine Effizienz hat – aber eine genaue Zahl ist nach wie vor schwer auszumachen“, sagte Paulette Lenert auf einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag.

Einer Tracing-App erteilte Lenert auch am 17. November eine Absage:  „Wir sind davon überzeugt, dass die manuelle Rückverfolgung effizienter ist als eine App. Menschen werden kontaktiert oder wenden sich an uns, und wir sind in der Lage, sie zu begleiten und alle ihre Fragen zu beantworten.“ Zum Zeitpunkt des Anrufs könne die infizierte Person alle Fragen stellen, was einen echten Mehrwert darstelle. „Eine App gibt nur Informationen an Personen weiter, mit denen sie in Kontakt gekommen ist.“ Die Menschen würden dabei aber mit ihren Fragen und Sorgen alleine gelassen.

Contact-Tracing-Team wurde verstärkt

Mittlerweile hat sich die Lage beim manuellen Contact Tracing nach Angaben des Gesundheitsministeriums beruhigt. „Im Rahmen unserer Strategie wurden unsere Teams, die die analoge Rückverfolgung von Kontakten durchführen, erheblich verstärkt“, heißt es in einer Stellungnahme aus dem Gesundheitsministerium Anfang Dezember. Mehr als 200 Mitarbeiter sind mittlerweile in einem ehemaligen Bürogebäude am Findel im Telefondienst. Daten, wie viele Positivfälle die Contact-Tracer aufgespürt haben, gibt es jedoch seit Wochen nicht. Denn, so schrieb die „Santé“ in ihren letzten Wochenberichten: „Angesichts der hohen Zahl von Neuinfektionen und Neukontakten ist es zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, diese Daten differenziert anzugeben.“

Bei einer Pressekonferenz am Freitag erklärte „Santé“-Direktor Jean-Claude Schmit, weshalb das so ist. Das Problem sei, dass die Tests, die auf Initiative des Contact Tracings gemacht werden, nicht getracet werden könnten. „Das sind Leute, die vom Contact Tracing identifiziert sind – aber das Tracing von den Tests, die danach gemacht werden, ist ein bisschen komplexer in dieser Situation als das Contact Tracing selbst.“ Wenn die Zahlen „runtergingen“, würde man wieder zum normalen System übergehen. 

Eines der Argumente, die Xavier Bettel stets gegen eine App in Luxemburg vorgebracht hat, ist der ausbleibende Erfolg bei den Programmen in den Nachbarstaaten. „Was bringt es?“, fragte er bei der Chamber-Fragestunde im Juni. „Es gibt eine Reihe von Studien, nicht zuletzt von der Oxford-Universität, die sagen, dass 60 Prozent der Menschen die App nutzen müssen.“ Im Juli präzisierte der Premier in der Chamber, dass man in Deutschland nicht einmal 20 Prozent der Bevölkerung erreicht habe, in Frankreich sogar nur zwei Prozent.

Umfrageergebnis deutet auf „große Akzeptanz“ hin

Aber lassen sich diese Zahlen so einfach auf Luxemburg übertragen? Ein Umfrageinstitut hat im Auftrag der Statistikbehörde Statec zwischen dem 10. Juli und dem 10. August den Einwohnern Luxemburgs in Sachen „Tracing-App“ auf den Zahn gefühlt. „Wie wahrscheinlich wäre es, dass Sie eine Corona-Tracing-App auf ihrem Smartphone installieren?“, lautete die Frage, die 730 Einwohner Luxemburgs beantworteten. 38 Prozent der Befragten antworteten mit einem klaren „Ja“, schreibt Statec in einer Pressemitteilung Anfang Dezember. 34 weitere Prozent antworteten mit „wahrscheinlich“. Nur elf Prozent würden sie definitiv nicht installieren.

Das heißt: 72 Prozent der Befragten gaben an, sie würden die App wahrscheinlich oder definitiv installieren. „Diese Werte deuten darauf hin, dass die Akzeptanz für eine Tracing-App in Luxemburg groß ist“, heißt es der Abhandlung zur Umfrage. Die Hauptgründe der Menschen, die sich für eine App entscheiden würden, sind  edel. Sie führen vor allem ihr Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft an – und den Schutz von Freunden und Familien. 

Allerdings zeigen die Erfahrungen anderer europäischer Länder, dass die Antworten nicht immer auf die Praxis zutreffen, sagen die Statistiker. „Unsere Resultate sollten daher mit Vorsicht interpretiert werden.“ Tatsächlich gaben bei einer ähnlichen Umfrage in Frankreich 45 Prozent der Befragten an, die App definitiv zu installieren – mehr als in Luxemburg. In der „Grande Nation“ machten am Ende aber nur 2,6 Millionen Menschen mit. Die Reputation der App war so gering, dass die französische Regierung Ende Oktober sogar eine neue an den Start bringen musste.

Deutsche App im Luxemburger App-Store

Bereits seit dem 25. Juni kann man die deutsche „Corona-Warn-App“ auch in den Luxemburger Versionen von Apples App-Store und Google Play herunterladen. Für Luxemburger, die nicht nach Deutschland fahren, ist ein Download aber zwecklos, denn es werden ausschließlich die Testergebnisse deutscher Labors eingespeist. Der einzige Nutzen: „Wenn man sich als Luxemburger in Deutschland aufhält, kann man sich die App herunterladen und in Deutschland benutzen“, wie ein Sprecher des Bundespresseamts gegenüber dem Tageblatt erklärt. Die Luxemburger bekämen dann zumindest potenzielle Risikokontakte in Deutschland über die App gemeldet. „Dann können die Luxemburger versuchen, mit einem Test nachzuvollziehen, ob sie selbst betroffen sind“, sagt der Sprecher.

Tatsächlich hat die luxemburgische Regierung erwogen, die deutsche Technik für eine Luxemburger App zu nutzen. Die Regierung stünde mit dem deutschen Robert-Koch-Institut in Kontakt, heißt es Anfang September. Das Staatsministerium erklärte auf Tageblatt-Anfrage am vergangenen Freitag, dass die „Anpassung und Entwicklung“ der deutschen App „mindestens vier Millionen Euro“ kosten würde. Vor allem aus „Gründen des Datenschutzes“ würde man auf das analoge Tracing setzen. Ein weiterer Grund: Fragen zur Interoperabilität zwischen verschiedenen nationalen Apps seien noch nicht geklärt. Das Angebot aus Deutschland steht offenbar noch immer. Die Bundesregierung erklärte gegenüber dem Tageblatt: „Andere Entwicklungsprojekte können die Spezifikationen im Rahmen der Lizenz verwenden.“ 

Was die „Interoperabilität“ angeht, hat die EU-Kommission mittlerweile eine Art Warn-App-System eingerichtet. Die unterschiedlichen Apps können damit – zumindest auf dem Papier – grenzüberschreitend miteinander kommunizieren und Warnungen austauschen. Bis jetzt funktioniert der Datentausch aber nur zwischen den Apps aus Deutschland, Kroatien, Dänemark, Irland, Italien, Lettland, den Niederlanden, Polen und Spanien. Luxemburgs Nachbar Belgien nimmt an dem System noch nicht Teil. Für die neue französische App ist der Datenaustausch erst gar nicht vorgesehen.

Deutsche Corona-App: 23,5 Millionen Downloads

In Deutschland war die Akzeptanz für eine Tracing-App laut einer Umfrage nicht ganz so hoch wie in Luxemburg oder Frankreich. Laut dem deutschen Robert-Koch-Institut wurde das Programm bis Anfang Dezember dennoch 23,5 Millionen Mal heruntergeladen, 4,8 Millionen Testergebnisse wurden über die App digital übermittelt, 100.000 positive Testergebnisse wurden von den App-Nutzern bis Anfang Dezember auch tatsächlich „geteilt“. Insgesamt wurden seit dem App-Launch am 16. Juni aber 976.000 Menschen in Deutschland positiv getestet.

Das heißt, dass nur knapp zehn Prozent aller Infizierten ihr Testergebnis auch über die App geteilt haben und so die Kontakte, die die App zuvor über die Bluetooth-Sender mit anderen Corona-App-Handys hatte, informiert haben. Selbst Testergebnisse, die die Nutzer direkt über die App von den Laboren empfangen, werden von ihnen nicht zwangsläufig geteilt. 46 Prozent klicken nicht auf den entsprechenden Knopf. Die Anzahl der Menschen, die die App dann tatsächlich über einen Risikokontakt informiert haben? Unbekannt. „Wie viele Nutzer dadurch gewarnt wurden, wissen wir aufgrund des dezentralen, datensparsamen Modells nicht“, sagt eine Mitarbeiterin des Bundespresseamts. 

Aber wie viel aktives Mitmachen braucht eine App überhaupt, damit sie sinnvoll ist? Die auch von Xavier Bettel gemachte Aussage, dass laut einer Oxford-Studie 60 Prozent der Einwohner die App installiert haben müssten, um die Pandemie zu stoppen, stimmt so jedenfalls nicht. Denn die zitierte Oxford-Studie, die im April veröffentlicht wurde, besagt im Prinzip das genaue Gegenteil. „Unsere Modelle zeigen, dass wir die Pandemie stoppen können, wenn rund 60 Prozent der Bevölkerung die App nutzen – aber auch mit einer geringeren Zahl von App-Nutzern erwarten wir eine Reduzierung bei Infektionen und Fällen“, heißt es auf einer Website der britischen Universität zur Studie.

Die Grafiken zeigen die Auswirkung fünf unterschiedlicher App-Konzepte auf die Neuinfektionen bei einem Infektionsgeschehen mit einer Verdopplungsrate von 3,5 Tagen. Je gelber die Linie, desto mehr ist die Tracing-App verbreitet. 
Die Grafiken zeigen die Auswirkung fünf unterschiedlicher App-Konzepte auf die Neuinfektionen bei einem Infektionsgeschehen mit einer Verdopplungsrate von 3,5 Tagen. Je gelber die Linie, desto mehr ist die Tracing-App verbreitet.  Quelle: Oxford University

Und die Autoren gehen sogar noch weiter. Gegenüber der deutschen Nachrichtenwebsite heise online sagte Studien-Autor Christophe Fraser: „Wir schätzen, dass für alle ein bis zwei Nutzer eine Neuinfektion vermieden wird.“ In dem Papier selbst erteilen die Forscher ausgerechnet dem von der Luxemburger Regierung präferierten manuellen Contact Tracing eine klare Absage: „In Anbetracht der Infektiösität von SARS-CoV-2 und des großen Anteils von Übertragungen von prä-symptomatischen Individuen ist die Kontrolle der Pandemie mit manuellem Contact Tracing nicht praktikabel.“ 

Tracking oder Tracing?

Zwischen einer Tracing-App und einer Tracking-App gibt es einen großen Unterschied. Tracing-Apps erfassen – so sagen die Entwickler – nur die unmittelbaren Kontakte zu anderen Handys mit aktivierter App. Dazu nutzen die Apps den Bluetooth-Sender des Smartphones. Die deutsche Corona-Warn-App nutzt die Bluetooth-Technik laut Bundesregierung, um den Abstand und die Begegnungsdauer zwischen Personen zu messen, die das Programm installiert haben. Wird eine der Personen positiv getestet – und gibt das auch in der App an – werden Nutzer informiert, die über eine bestimmte Zeit in einer bestimmten Distanz des positiv Getesteten waren. Daten wie zum Beispiel die Position oder persönliche Informationen werden nicht abgefragt. Tracking-Apps erfassen auch den Aufenthaltsort der Nutzer – und andere persönliche Informationen. Laut dem deutschen Rundfunksender RBB könnte der Staat damit Bewegungs- und Kontaktprofile der Bürger erstellen. China und Südkorea setzen solche Apps ein.

Jemp
15. Dezember 2020 - 17.57

Och wann 72% vun de Leit soen, sie géifen di App installéieren, mecht wahrscheinlech e groussen Deel vun hinnen et net, an en anere groussen Deel brengt et net fäerdeg eng App ze installéieren, och wann se e Smartfone vu 700€ hunn. Vun deenen, déi se dann tatsächlech installéieren, vergesst dann nach e groussen Deel, de Bluetoth an de GPS anzeschalten. Dobäi kennt nach, datt wa Bluetooth an GPS permanent ageschalt sinn, d'Batterie séier eidel ass, an den Smartfone schalt sech dann selwer aus. Vun denen wou d'App dann tatsächlech richteg funktionnéiert, verpasst e groussen Deel d'SMS oder d'Warnung, déi bei engem Kontakt geschéckt gett. Vun denen, déi d'SMS liesen, läscht e groussen Deel se erem séier, well se keng Loscht hunn, sech selwer ze isoléieren, well se keng Symptomer hunn... Décke Mumpitz, dat Ganzt!

Charel HILD
14. Dezember 2020 - 17.09

"Eppur si muove" huet de Galilei genuschelt. Hie war stur, an hien hat och recht. Hie war jo och ee vun deene ganz schlauen. Hie war alles anescht ewéi en Iesel.