ÖsterreichStarke Ansage: Neuer SPÖ-Chef Doskozil schließt Koalition mit FPÖ und ÖVP aus

Österreich / Starke Ansage: Neuer SPÖ-Chef Doskozil schließt Koalition mit FPÖ und ÖVP aus
Noch viele Gräben zuzuschütten: Hans Peter Doskozil ist neuer SPÖ-Chef Foto: dpa/Helmut Fohringer

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Krankheitsbedingt mit schwacher Stimme macht der neue SPÖ-Vorsitzende eine umso stärkere Ansage: Hans Peter Doskozil will weder mit der FPÖ noch mit der ÖVP koalieren. Seine größte Herausforderung ist vorerst aber die Befriedung der tief gespaltenen Genossenschaft.

Der seit mehr als vier Jahren fast ununterbrochen tobende Machtkampf ist endlich entschieden, wenn auch wieder nicht mit absoluter Klarheit: Ein SPÖ-Sonderparteitag kürte am Samstag in Linz den Mann zum neuen Vorsitzenden, der im Mai die Mitgliederbefragung ganz knapp gegen die nun aus der Politik scheidende Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und den zweiten Herausforderer Andreas Babler gewonnen hatte. Nun stimmten 53 Prozent der 609 Delegierten für Doskozil, 47 Prozent für Babler.

Obwohl die Kontrahenten in ihren Reden vor der Kür gegenseitige Angriffe vermieden und die Einheit beschworen, lässt dieses Ergebnis keinen Zweifel an der weiter tiefen Spaltung der SPÖ. Denn der burgenländische Landeshauptmann und der bis vor wenigen Wochen kaum bekannte Bürgermeister der niederösterreichischen Kleinstadt Traiskirchen repräsentieren zwei sozialdemokratische Parallelgesellschaften.

Parteichef der Herzen

Hier der hemdsärmelige Macher Doskozil, der einen pragmatischen, beim Dauerbrenner Migration auch schon einmal rechtspopulistisch angehauchten Kurs steuert, dort der bekennende linke Träumer Babler, der sich beim Parteitag mit klassenkämpferischen Tönen den längeren Applaus sicherte. Das Herz schlägt eben links.

Und hätte in Linz nur das Herz entschieden, hieße der neue SPÖ-Chef wohl Babler. Denn er fordert alles, was das sozialdemokratische Herz begehrt: die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und ohne Rücksicht auf den grassierenden Arbeitskräftemangel, Vermögenssteuern, Mietpreisbremse, ein warmes Essen für jedes Kind und einen Klimaschutz, für den die Reichen zahlen sollen. Vor allem trägt der 50-jährige Ex-Maschinenschlosser seinen Ruf nach einem „offensiven Gegenmodell zum vorherrschenden System“ auf mitreißende Weise vor. Gefühlt hundertmal sagt er „Liebe Genossinnen und Genossen“, während Doskozil von den „Bürgerinnen und Bürgern“ spricht. Und das mit leiser, heiserer Stimme. Auch nach mehreren Operationen bleiben seine Stimmbänder beeinträchtigt durch eine seltene Kehlkopferkrankung, die mehr oder weniger wohlmeinende Genossen zu der Frage veranlasste, ob Doskozil überhaupt den spätestens in einem Jahr anstehenden Nationalratswahlkampf stimmlich bewältigen werden könne. „Die Stimme funktioniert“, versichert der 53-Jährige, auch wenn es sich nicht ganz so anhört.

Umso stärker dann die Ansage, die sich Doskozil für die Siegesrede aufhob: Weder mit der FPÖ, noch mit der ÖVP werde es eine Koalition geben, sollte die SPÖ die nächste Wahl unter seiner Führung gewinnen! Was die Rechtspopulisten angeht, sagte Doskozil zwar nur, was seit 37 Jahren Partei-Doktrin ist. Doch im Burgenland hatte er eine von seinem Vorgänger Hans Niessl 2015 wider die Parteilinie gezimmerte Koalition mit der FPÖ angeführt, welche durch die mit ihm 2020 errungene absolute SPÖ-Mehrheit obsolet wurde. Bisher hatte Doskozil nur eine Koalition mit der „Kickl-FPÖ“ ausgeschlossen, was viele als Hintertür für ein Bündnis ohne FPÖ-Chef Herbert Kickl an zentraler Stelle interpretierten.

Wir öffnen ihnen jetzt nicht mehr die Tür, wir müssen so stark werden, dass wir Erste sind und die Dreierkoalition schaffen

Der neue SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil über die konservative ÖVP

Jetzt ist diese Hintertür zu, was auch als versöhnliches Signal an den linken Parteiflügel zu verstehen ist. Noch überraschender aber ist Doskozils Absage an eine Koalition mit den Christdemokraten. Die ÖVP sei „mit allen Tricksereien immer nur am Machterhalt interessiert“. In der Zusammenarbeit mit der ÖVP stünden immer Streit und das Gegeneinander auf der Tagesordnung, verweist Doskozil auf seine Erfahrungen in solchen Koalitionen. „Wir öffnen ihnen jetzt nicht mehr die Tür, wir müssen so stark werden, dass wir Erste sind und die Dreierkoalition schaffen.“ Mit Dreierkoalition meint er das, was es in Luxemburg und Deutschland schon gibt und auch Bablers Vision ist: eine Regierung mit den Grünen und der liberalen Neos-Partei.

Hoffen auf FPÖ-Wähler

Noch geben die Umfragewerte eine solche Konstellation nicht einmal annähernd her. Höchstens 40 Prozent sehen die Demoskopen für SPÖ, Grüne und Neos zusammen. Doskozil setzt aber darauf, jene Wähler zurückzuholen, die in den vergangenen Jahrzehnten sukzessive zur sich als neue „Arbeiterpartei“ gerierende, aber keinesfalls als solche agierende FPÖ abgewandert sind.

Ob für FPÖ-Wähler die Perspektive einer Ampel-Koalition verlockend ist, wird sich herausstellen müssen. Momentan befinden sich die Rechtspopulisten in einem Höhenflug, der allerdings auch dem jahrelangen Ausfall der vom Machtkampf gebeutelten SPÖ als offensive Oppositionskraft geschuldet ist. Ob sich das nach der Klärung der Führungsfrage nun ändern wird, hängt davon ab, ob die SPÖ auch die inhaltlichen Gräben zuschütten kann. Da steht Doskozil vor einer Herkulesaufgabe. Denn fast ein Drittel der Parteimitglieder und fast die Hälfte der Parteitagsdelegierten äußerten mit ihrer Stimme für Babler auch einen inhaltlichen Positionierungswunsch, den Doskozil nicht wird ignorieren können.

Im traditionell rechts der Mitte verorteten Österreich gilt ein Linksruck nicht gerade als Erfolgsrezept. Im Burgenland hat Doskozil mit einer eher an FPÖ und ÖVP orientierten Migrationspolitik und einer linken Sozialpolitik die SPÖ wieder auf die Siegerstraße zurückgeführt. Schwer vorstellbar, dass das Babler-Lager für so eine Mischung zu haben sein wird.