Projekt „Overture“Reisen in Überschallgeschwindigkeit: Luxemburger Luftfahrt steht Projekt skeptisch gegenüber

Projekt „Overture“ / Reisen in Überschallgeschwindigkeit: Luxemburger Luftfahrt steht Projekt skeptisch gegenüber
Illustration eines Flugs der „Overture“. Erste reelle Fotografien dürfen wohl erst ab 2026 bestaunt werden. Foto: Boom Supersonic/AP/dpa

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Schneller, höher, besser? Die Thematik „Überschall“ spaltet in der internationalen Luftfahrt seit dem fehlgeschlagenen Experiment der Concorde die Gemüter. Das Tageblatt hat bei der Luxemburger Fluggesellschaft Luxair und einem Repräsentanten der Pilotengewerkschaft ALPL nachgefragt.

Die Faszination für Überschallreisen gewinnt in den vergangenen Jahren vor allem in den Vereinigten Staaten wieder an Fahrt. Das in Colorado ansässige Unternehmen Boom Technology arbeitet seit 2014 an der Entwicklung von Flugzeugen, die mit „Supersonic Speed“ fliegen können. Laut der eigenen Homepage sollen die Jets mit dem Namen „Overture“ für die Strecke zwischen New York und London gerade einmal dreieinhalb Stunden brauchen – drei Stunden weniger als die übliche Flugzeit. Die Höchstgeschwindigkeit: Mach 1,7 – also 2.083 km/h. Das Unternehmen wirbt außerdem damit, dass ihre Flugzeuge besonders nachhaltig seien. Sie sollen laut eigener Homepage mit „100% sustainable fuel“ fliegen können – also nachhaltigem Kraftstoff.

Überschall-
geschwindigkeit

Im Allgemeinen wird von Überschallgeschwindigkeit gesprochen, wenn ein Objekt die Geschwindigkeit von Schall (ca. 343 m/s oder 1.235 km/h bei 20 Grad Außentemperatur) überschreitet. In der Forschung drückt man Schallgeschwindigkeit mit „Mach 1“ aus. Unter „Mach 2“ versteht man demnach die doppelte Schallgeschwindigkeit, die bei einer Außentemperatur von 20 Grad ungefähr bei 2.470 km/h liegt. Zur Einordnung: Eine Boeing 737 besitzt eine Reisegeschwindigkeit von ungefähr 840 km/h.

Bis die Hightech-Flieger aber durch die Luft schießen können, soll es noch etwas dauern: Erste Testflüge sind erst für 2026 geplant. Rund 80 Passagiere sollen in das Flugzeug passen, das theoretisch ab 2029 mit dem kommerziellen Betrieb starten könnte. Einige Fluggesellschaften haben bereits ihr Interesse bekundet. Laut dem amerikanischen Nachrichtenportal Business Insider entschied sich Japan Airlines bereits 2017, zehn Millionen Dollar in Boom Technology zu investieren. Im Gegenzug erhielt das Unternehmen das Vorkaufsrecht für 20 Flugzeuge. Nägel mit Köpfen machte derweil die amerikanische Fluglinie United Airlines. Laut dpa bestellte das Unternehmen im vergangenen Jahr 15 Flugzeuge und sicherte sich eine Kaufoption für 35 weitere. Doch damit nicht genug: Auch American Airlines verkündete vor zwei Wochen, 20 der Überschall-Maschinen zu kaufen – und 40 vorzubestellen. 

Boom Technology muss momentan auch keine Konkurrenz fürchten. Das amerikanische Unternehmen Aerion arbeitete zwar bis vor kurzem in enger Zusammenarbeit mit Airbus an der Entwicklung von zwei Geschäftsreiseflugzeugen, die ebenfalls Überschallgeschwindigkeit erreichen sollten. Die finanzielle Last fiel allerdings zu groß aus, sodass die Entwicklung unerwartet im Mai 2021 eingestellt werden musste.

Pilotengewerkschaft und Luxair bleiben skeptisch

Auf Nachfrage des Tageblatt zeigt sich Dirk Becker, Generalsekretär bei der Association luxembourgeoise des pilotes de ligne“ (ALPL), eher skeptisch, was die Pläne von Boom Technology und überhaupt die Zukunft des Überschallflugs in der Flugreisebranche angeht: „Ob sich Überschallflugzeuge in der Zukunft als Massentransportmittel eignen oder gar durchsetzen, ist schwer zu beurteilen.“ Die Erfahrungen mit der Concorde seien allerdings Grund für Skepsis.

Ein Modell der AS2 von Aerion aus dem Jahr 2020
Ein Modell der AS2 von Aerion aus dem Jahr 2020 Foto: Wikipedia

Laut Becker konnte die Concorde nie wirklich über den Status eines „Nischenprodukts“ herauswachsen. Das hatte mehrere Gründe. Einerseits hatte sie nur eine „geringe Payload“, weil sie nur wenige Passagiere transportieren konnte – laut British Airways waren es 100 Menschen. Andererseits hatte die Concorde einen enorm hohen Treibstoffverbrauch. Das führte wiederum dazu, dass der „wirtschaftliche Betrieb“ der Concorde nicht mehr möglich war.

Diese Probleme, „vor allem die geringe Payload“, sieht Becker auch auf das Projekt „Overture“ zukommen. Zudem zweifelt Becker an dem Versprechen der amerikanischen Firma, dass schnelle Flieger mit 100 Prozent erneuerbarem Kraftstoff fliegen können. Es sei nämlich noch nicht absehbar, wie viel SAF (Sustainable Aviation Fuel) überhaupt in absehbarer Zeit in ausreichender Menge produziert werden könnte. Immerhin würden nicht nur Boom oder Overture gerne auf SAF zurückgreifen, sondern auch „alle anderen Hersteller beziehungsweise Airlines“. Damit weist er auf eine der Hauptfragen der Reiseflugbranche hin, die sich im Allgemeinen „umweltverträglicher“ aufstellen müsse. 

Der Fehlschlag der Concorde

Erste Pläne für ein Flugzeug, das die Schallgeschwindigkeit überschreiten kann, wurden bereits in den 1950er-Jahren ausgearbeitet. Das Resultat: Die Aerospatial-BAC Concorde, oder kurz Concorde, die ab 1976 für Air France und British Airways abhob.
Das Projekt lief lange ohne größere Komplikationen, bis am 25. Juli 2000 eine Maschine beim Start in Paris in Brand geriet und in ein Hotel krachte. Die gesamte Crew und alle Passagiere verstarben. Kurze Zeit später wurde das Projekt für beendet erklärt und keine weiteren Flugzeuge hergestellt. Der Unfall war allerdings nicht der einzige Grund für den Fehlschlag, denn der wirtschaftliche Erfolg war lange ausgeblieben. 
(Quelle: Alexandra Klockau: Aufstieg und Fall des schönsten Vogels der Welt, in: ARD alpha, 1.3.2021.)

Das Luxemburger Flugunternehmen Luxair denkt derweil nicht daran, Flugzeuge zu erwerben, die mit Überschallgeschwindigkeit fliegen können. Dies konnte auf Nachfrage des Tageblatt bestätigt werden. Der Typ Flugzeug entspräche nicht dem „kommerziellen Modell“ des Unternehmens. Die Luxair-Pressestelle betont in Bezug auf die Risiken von Reisen in Überschallgeschwindigkeit, dass „die Luftfahrtindustrie eine der sichersten der Welt“ sei und dass man „auf die Vorschriften und die Technik“ dieser vertraue, um sicheres Fliegen zu gewährleisten – auch mit Überschall.