ForumMit Frieden in einen heftigeren Wahl-Krieg: Die „Vintage“-Spitze der CSV macht den Wahlkampf spannender

Forum / Mit Frieden in einen heftigeren Wahl-Krieg: Die „Vintage“-Spitze der CSV macht den Wahlkampf spannender
Luc Frieden inmitten seiner Parteikollegen Foto: Editpress/Julien Garroy

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„Zurück in die Zukunft“ will die CSV mit ihrem nicht ganz neuen Hoffnungsträger Luc Frieden. Dem noch vor fünf Jahren seine Partei ein politisches Comeback verwehrte. Dass die einst so stolze Volkspartei der Werner, Santer und Juncker nunmehr den altgedienten Frieden als letzte Trumpfkarte für eine Rückkehr an die Regierungsmacht aufbietet, wirft ein grelles Licht auf den verzweifelten Zustand der CSV. Die in zehn Jahren Opposition es nicht schaffte, einen neuen, glaubhaften Kandidaten aufzubauen für die Anwärterschaft auf das Amt des Premierministers.

Gewiss, Luc Frieden hat Regierungserfahrung. Bekleidete einige Posten in der Privatwirtschaft und sammelte nationale wie internationale Erfahrungen. Als Finanzminister tat er sich als Austerität-Fanatiker hervor. Der damals vom Koalitionspartner LSAP und allen voran von Minister Nicolas Schmit ausgebremst wurde. Mit der offensichtlichen Duldung durch Juncker und den CSV-Granden Spautz und Wolter. Friedens Ausflüge zu den Scheichen zur angeblichen Rettung von Cargolux oder BIL bleiben als teure Fehlschläge in wacher Erinnerung.

Seine Zusage zu einem „Background“-Gespräch am vergangenen Samstag bei RTL nahm Frieden kurzfristig zurück, mit dem Argument, er müsse sich noch vertrauter machen mit der politischen Linie seiner Partei. Was ihn nicht daran hinderte, Paperjam ein ebenso langes wie nichtssagendes Interview zu geben.

Die CSV bot zwei Altstars und eine Nachwuchspolitikerin auf, um die „Background“-Sendung zur Aufpolierung des Images des Vintage-Spitzenkandidaten zu nutzen. Der Befund: Luc Frieden hat sich „geändert“. Selbstverständlich. Er ist älter geworden. Alter schützt vor Torheit nicht. Ist dennoch nicht abträglich für geistige Agilität. So bleiben die Analysen des an seinen „Memoiren“ schreibenden Jean-Claude Juncker zutreffender als die Verlautbarungen des verhinderten Dauphins bei Paperjam.

Die von einer geradezu tristen Banalität sind: So ist Luc Frieden für eine „croissance durable et inclusive“, für eine „économie compétitive et une place financière forte“. Er will „un programme d’avenir responsable et raisonnable“, „une vue claire et concrète sur les problèmes des gens“. Verbunden mit einer „transition écologique et digitale“. Die er durch einen „plan Marshall“ finanzieren will. Woher das Geld dafür stammen soll, bleibt sein wohlgehütetes Geheimnis. Denn unter Frieden sollen die Bürger selbstverständlich weniger Steuern zahlen.

Woher nehmen, ohne zu stehlen? In seinem Buch „Europa 5.0“ plädierte Frieden für „private Finanzierungsbeteiligung“ an öffentlichen Infrastrukturen. Die „Renditeerwartungen der Anleger“ seien ein „Kontrollmechanismus“, welcher „das Risiko verringert, dass in Projekte mit starker Lobby, aber geringem wirtschaftlichen Nutzen investiert wird“. Etwa in Umweltprojekte?

Oder durch eine Abkehr vom staatlich gesicherten Sozialnetz durch die Teilprivatisierung der Alters- und Krankenversorgung? Was laut Frieden „eine größere Flexibilität in der Kapitalanlage“ ermöglichen würde. Mit weiteren ultraliberalen Perlen kann gedient werden.

Spitze ohne Programm?

Statt sich kritischen Journalisten zu stellen, traf sich der „geänderte“ Frieden mit seinen neuen Gefolgsleuten zu einem Brainstorming über das Wahlprogramm der CSV. Der patentierte Krawattenträger erschien gar im Rollkragen-Pulli. Zugeständnis an den proletarischen Flügel der CSV, oder Signal an die parteiinternen Ökologisten, er nehme es ernst mit dem Energiesparen?

Die CSV hat ihren Spitzenkandidaten. Aber noch kein Programm für eine eventuelle Regierungsbeteiligung. Nicht gerade ein Beweis für ihre Fähigkeit zum Angebot einer glaubhaften Alternative zur aktuellen Regierungspolitik.

Mit dem Rückgriff auf den bei den letzten Wahlen noch verschmähten Frieden gelang es der CSV zumindest, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Ob der polarisierende Frieden seine Partei von ihrem Absturz auf Raten befreien kann, bleibt ungewiss.

Eine Generation von Jungwählern kennt Luc Frieden nicht. Zu seinen Regierungszeiten gehörte er bei Meinungsumfragen nicht zu den beliebtesten Politikern. Dennoch sollte man ihn keineswegs unterschätzen. In der politischen Debatte wird er seinen Mann stellen. Selbst wenn ihm die Kontaktfreude eines Xavier Bettel oder die menschliche Wärme einer Paulette Lenert abgeht. Luc Frieden hat die Ausstrahlung eines Kühlschranks. Auch Kühlschränke sind nützlich.

Jedenfalls bringt Friedens Kandidatur Spannung in den Wahlkampf. Dessen Verlauf bis vor kurzem allgemein als langweilige Pflichtübung angesehen wurde. Die Karten werden neu gemischt. Die CSV wird womöglich weniger attraktiv für sozial oder ökologisch fixierte Mitbürger. Dagegen werden manche Besitzbürger in Frieden eine Alternative zu Bettels DP sehen. Selbst die Grünen riskieren Stimmen bei ihren gutbürgerlichen Wählern zu verlieren. Die ihre ökologische Ader durch das Benutzen von teuren E-Autos unter Beweis zu stellen glauben.

Offenes Spiel

Der Kampf um die nächste Regierung und den nächsten Premierminister ist wieder offener. Tausendsassa und Selfie-Champ Xavier Bettel, die kompetente und unpolemische Paulette Lenert oder der wirtschaftsliberale Luc Frieden mit seinem „Law and Order“-Evangelium?

Sicher ist jedenfalls, dass Frieden nicht an die Resultate eines Jean-Claude Juncker anknüpfen wird. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass weder DP noch CSV oder LSAP genügend Abgeordnete stellen werden, um die Bildung eine Zweierkoalition zu ermöglichen.

Es hängt viel vom Abschneiden der kleineren Parteien ab. Vor allem der schwächelnden Grünen. Mit Sam Tanson als Spitzenkandidatin. Die als Justiz- und Kulturministerin eine ehrbare Bilanz vorzuweisen hat, aber weder zu volkswirtschaftlichen noch zu klassisch grünen Themen viel auffiel.

Als drittes oder gar viertes Rad am Regierungskarren wähnen sich ADR und Piraten. Problem ist nur, dass niemand die rechtspopulistische „Reformpartei“ im Koalitionsbett haben will. Problem ist ebenfalls, dass die Piraten eigentlich eine Ein-Mann-Partei ohne erkennbares Programm sind. Wie Frank Engels Wahlverein, der es kaum zu einem oder gar zwei Sitzen schaffen wird. Die „Lénks“ wollen ohnehin nur in die Opposition.

Die kommende Regierungsbildung riskiert schwierig zu werden. Interessant ist jedenfalls, dass Frieden zwar mit aller Kraft eine Regierungsbeteiligung der CSV anstrebt. Sich auch mit der Rolle des Junior-Partners begnügen könnte.

Unter Bettel-III oder Lenert-I???


 Foto:  Editpress/Didier Sylvestre

* Der Autor ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter.

Ujheen
13. Februar 2023 - 18.34

@ Bruna « Wir wählen wieder Gambia » … schwätzt Där am pluralis majestatis? Sot léiwer « ECH wiele Gambia » loosst all Mënsch décidéieren wat e wëlles huet a gehait d’Leit net mat Äech an een Dëppen.

Bruna
12. Februar 2023 - 11.21

@Phil "Obwohl die Wähler mit Gambia übersättigt sind und eine Veränderung wollen," Nein, das sind bloss Sie, wir wählen wieder Gambia 3.

Phil
10. Februar 2023 - 23.38

Zitat: "Problem ist nur, dass niemand die rechtspopulistische „Reformpartei“ im Koalitionsbett haben will." Genau an dieser Annahme ist Claude Wiseler 2018 gescheitert. Als er Gast Gibéryen ihn als in Frage kommenden Koalitionspartner öffentlich einen Korb überreicht hat, haben viele CSV Sympatisanten ihm den Rücken gekehrt. Luc Frieden macht den gleichen Fehler! Obwohl die Wähler mit Gambia übersättigt sind und eine Veränderung wollen, erleichtert er ihnen mit der gleichen "dummen" Wiseler Aussage von 2018 den Weg an die Macht. Anschéinend stéisst sech e gudden Iesel och zweemol...!

Emilia
10. Februar 2023 - 18.55

@jung.luc.lux "De Frieden versteet eppes vun Finanzen." Mir hunn e Comptabel, mir wëlle keen deen un Märercher gleeft an u schwätzend Schlaangen.

Bella
10. Februar 2023 - 18.36

RUhe in Frieden, CSV, wir werden euch nicht vermissen.

JJ
10. Februar 2023 - 12.41

Versteht etwas von Finanzen? Drei Anläufe um ein Budget auf die Reihe zu kriegen. Nur im Vatikan sind Hoffnungsträger noch älter. Die CSV mit dem Mut der Verzweiflung.

Bruna
9. Februar 2023 - 18.35

Frieden ist nicht Vintage, er ist museal, gehört hinter Glas.

jung.luc.lux
9. Februar 2023 - 10.59

De Frieden versteet eppes vun Finanzen. Dat do as e gudde Spetzekandidat.