JustizBerufungsprozess um die Novembermorde: Es geht wohl in die nächste Runde

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 Symbolfoto: © Editpress/Fabrizio Pizzolante

Der Berufungsprozess um die Novembermorde von 2016 wurde am Freitag fortgeführt. Der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft fordert die Bestätigung der Urteile in erster Instanz, während die Verteidiger von Alden S. und Lee K. auf Freispruch oder eine Bewährungsstrafe plädieren. Das Urteil wird am 1. Dezember gesprochen.

Am 10. November 2016 wurde die Leiche eines 36-jährigen Mannes nigerianischer Herkunft im Waldstück „Schléiwenhaff“ bei Leudelingen gefunden. Der Mann wurde erschossen. Das zweite Opfer, eine Rumänin, war vier Tage später in Strassen beim „Fräiheetsbam“ entdeckt worden. Die Obduktion ergab, dass auch sie mit einem Kopfschuss getötet wurde.

In erster Instanz stellte sich heraus, dass die beiden Opfer in ein und demselben Wagen erschossen wurden. Alden S. (24) wurde als Fahrer des besagten Autos zum Zeitpunkt des Mordes am nigerianischen Drogenhändlers ermittelt. Lee K. (36), der hinten im Wagen saß, wurde als Schütze identifiziert. Er wurde am 8. Januar wegen der beiden Morde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Alden S. wurde indes zu 20 Jahren Haft verdonnert, wovon fünf zur Bewährung ausgesetzt wurden. Er ist seit September 2019 auf freiem Fuß und steht seither unter juristischer Aufsicht. Lee K. befindet sich seit Dezember 2016 in der Strafvollzugsanstalt Schrassig. 

Lee K. hat auch im Berufungsverfahren bis zuletzt jegliche Schuld am Doppelmord abgestritten. Trotz erdrückender Beweislast beharrt er auf seiner Unschuld. Alden S. hingegen beteuert, dass K. der Schütze gewesen sei. Er selbst habe mit dem Mord am Nigerianer nichts zu tun gehabt. Auch er beteuert seine Unschuld. 

Die vielen Versionen des Lee K.

Aus der Sicht des Verteidigers von Alden S. habe die Beweisaufnahme ergeben, dass Lee K. durchaus ein Motiv gehabt habe. Sein Mandant habe keine Schuld am Mord des Drogendealers. Das Urteil sei entsprechend falsch. „Er hatte es nicht nötig, jemanden umzubringen“, sagte der Verteidiger. „Man kann meinem Klienten höchstens vorwerfen, dass er den Mord am Drogendealer nicht bei der Polizei gemeldet hat. Und auch da muss man bedenken, dass er Angst hatte. Er fürchtete um sein Leben – was ganz normal ist, wenn man bedenkt, dass da einer auf der hinteren Bank saß, der jemandem in den Kopf geschossen hat.“  

Der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft, Serge Wagner, blieb jedoch unnachgiebig. Während der Ankläger am Freitag die Bestätigung der Urteile in erster Instanz forderte, beantragten die beiden Verteidiger einen Freispruch – oder bei erneuter Verurteilung eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung.

In seinem Plädoyer stellte der Staatsanwalt die vielen Versionen des Beschuldigten Lee K. infrage. In allen Punkten habe der Angeklagte gelogen. Alden S. sei hingegen immer bei derselben Version geblieben. Beide gingen davon aus, dass der Drogendealer den ganzen Tag Drogen verkauft hatte. K. soll gehofft haben, dass der Drogenverkäufer viel Geld mit sich führte – er hatte nämlich Schulden. Sie wollten den Drogendealer bestehlen. Alden S. soll als Fahrer mitgemacht haben. Es gehe hier um Raub.

„Ech soll de Bak halen“

Vieles spreche dafür, dass Lee K. auch der Mörder der Prostituierten sei. In erster Instanz hat ein Zeuge geschildert, wie sein Ex-Freund Lee K. die Opfer im Auto erschossen haben soll. Das waren Informationen, die zu dieser Zeit noch nicht durch die Presse gegangen waren. Der Zeuge hatte K. damals bei der Polizei gemeldet und den Ermittlern entscheidende Hinweise gegeben. Er stellte der Kriminalkammer in erster Instanz Informationen zur Verfügung, die die Täterschaft des Angeklagten beweisen sollen. K. soll dem Zeugen selbst gesagt haben, dass er eine Prostituierte umgebracht habe. Während der Fahrt soll er der Frau in den Kopf geschossen haben, um ihr anschließend Geld zu stehlen. „D’Klont hat nëmme siwen Euro bei sech“, soll K. gesagt haben. Anschließend soll er dem Zeugen gedroht haben: „Ech soll de Bak halen. Soss kéint ech jo den Nächste sinn“, so der Zeuge.

Der Verteidiger von Alden S. sieht beide Mordfälle als ungeklärte Kriminalfälle an. Manches lasse ihn nicht zur Ruhe kommen. Er griff die Staatsanwaltschaft hart an. Diese hatte in ihrem Schlussplädoyer behauptet, dass Alden S. in Kauf nahm, dass K. den Drogendealer erschießt. Dass das geschehen würde, habe er laut dessen Verteidiger jedoch nicht wissen können. Man könne hier nicht nach dem Motto „mitgehangen, mitgefangen“ urteilen.  

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die beiden Mordfälle die Justiz ein weiteres Mal beschäftigen könnten. Dazu kommt es aber nur, wenn eine der Seiten Kassation einlegt. Dass das der Fall sein könnte, zeigen die gänzlich unterschiedlichen Plädoyers von Staatsanwalt und den beiden Verteidigern. Zum Abschluss der Verhandlung sagte K.: „Ich sitze jetzt vier Jahre im Gefängnis, für etwas, das ich nicht getan habe.“ S. hingegen meinte: „Ich wusste nicht, dass K. einen Mann neben mir im Wagen erschießen wird.“ Das Urteil wird am 1. Dezember gesprochen.