„Wo ist das Geld?“

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Schon jetzt frieren viele Menschen in der Ukraine in ihren Wohnungen. Sie warten dringend darauf, dass Russland den Gashahn wieder aufdreht. Doch passieren wird das nur, wenn Moskau eine Milliardensumme bekommt.

Immer schärfer werden die Warnungen vor einem Kälteschock in der Ukraine. Die Menschen dort könnten erfrieren, wenn nicht bald Geld fließe für russische Gaslieferungen, meint unverhohlen der russische Botschafter Wladimir Tschischow bei der EU. Wie zuletzt auch Russlands oberster Gasmanager Wladimir Putin fordert er einen raschen Kredit des Westens. Damit sollten die Milliardenrechnungen der Ukraine bei Russland bezahlt werden. Erst dann will die Rohstoffmacht den Gashahn wieder aufdrehen. Ob das bereits zwischen Russland, der Ukraine und der EU vereinbarte rettende „Winterpaket“ tatsächlich kommt, ist immer noch offen.

Zwar wollen alle Seiten wegen befürchteter Engpässe bei der Energieversorgung rasch eine Lösung. Aber die Kernfrage sei ungelöst: „Wo ist das Geld?“, sagt Diplomat Tschischow in Brüssel. Angesichts der politischen Spannungen zwischen Moskau und Kiew hält er es für aussichtslos, noch mit weiteren Zugeständnissen der Russen oder sogar neuen Hilfen zu rechnen.

Seit Juni bereits kein Gas

Schon seit Juni erhält die Ukraine kein Gas mehr aus Russland für den Binnenverbrauch. Zwar erfüllt das für die EU wichtigste Transitland für russische Gaslieferungen weiter seine Verträge und leitet die Energie durch. Doch befürchtet auch EU-Kommissar Günther Oettinger, der im Gaskonflikt zwischen Kiew und Moskau seit Monaten ohne Durchbruch vermittelt, dass die Ukraine die Energie im Winter für den Eigenbedarf abzweigen könnte.

In den Gasspeichern der Ex-Sowjetrepublik fehlen nötige Reserven. Die Industrie des Landes läuft wegen Energiemangels längst auf Sparbetrieb – auch weil die meisten Kohlegruben in der umkämpften Ostukraine geschlossen sind.

Nicht zum Nulltarif

Unbegründet sind die Ängste vor einem Gaslieferstopp nicht. Als Reaktion auf den „Gas-Klau“ im Zuge des Energiestreits zwischen Moskau und Kiew hatte Kremlchef Putin 2009 schon einmal den Gashahn zudrehen lassen. Damals blieben viele Wohnungen in östlichen EU-Ländern eiskalt. Menschen erfroren. Zwar beteuern die Russen, dass sie das nicht wiederholen wollen. Doch sie machen auch klar, dass es Gas nicht zum Nulltarif gibt – und Rechnungen zu zahlen sind.

Gönnerhaft zeigte sich Präsident Putin noch kurz vor den neuen Verhandlungen in Brüssel. Russland habe nicht nur den vertraglich vereinbarten Preis um 100 Dollar auf nun noch 385 US-Dollar (300 Euro) pro 1000 Kubikmeter Gas gesenkt. Er habe sogar Druck auf den Staatskonzern Gazprom ausüben müssen, doch nicht sofort auf die Rückzahlung der seit Monaten geforderten 5,3 Milliarden US-Dollar Schulden zu bestehen. 3,5 Milliarden Dollar sollten doch zunächst ausreichen.

In Vorkasse gehen

Aber selbst wenn Russland dieses Geld bekommt, fließt noch kein Gas. Die Ukraine muss künftig in Vorkasse gehen. Ein Fass ohne Boden, wie Experten sagen. Wenn die EU nun schon die Partnerschaft eingehe, meinte Putin, dann solle sie für das verarmte und fast bankrotte Land die Zeche zahlen. Wenn ein Mann eine Frau ins Restaurant einlade, dann zahle er. Das sei in der Ukraine und in Russland so üblich, sagte Putin. Im Westen hingegen herrsche eine Hamburger-Mentalität: „Jeder zahlt für sich selbst“, stellte der Russe ernüchtert fest.

Tatsächlich wartet auch die Ukraine auf Milliarden aus dem Westen. Das haben der proeuropäische Regierungschef Arseni Jazenjuk und Präsident Petro Poroschenko immer wieder deutlich gemacht. Vergünstigungen von Russland wollen sie nicht mehr, um unabhängiger vom großen Nachbarn zu werden. Die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) sollen einspringen.

Gazprom hofft auf schnelle Lösung

Die Milliardenhilfen hat der Westen zwar immer wieder angekündigt. Aber ob sie rechtzeitig kommen und dann tatsächlich etwa für russisches Gas eingesetzt werden, ist offen. Geld fehlt in der Ukraine noch an vielen anderen Ecken und Enden. Noch Ende September hatte Regierungschef Jazenjuk vor den Berliner Gasgesprächen betont, dass die Ukraine auch 385 US-Dollar je 1000 Kubikmeter Gas nicht zahlen könne.

Auch der russische Staatskonzern Gazprom hofft dringend auf eine Lösung, weil die fehlenden Milliardenzahlungen der Ukraine die Bilanzen drücken. Zudem hängt der ohnehin schon durch den fallenden Ölpreis gebeutelte russische Staatshaushalt am Tropf des Gasmonopolisten. Die Einnahmen aus dem Gasgeschäft braucht Putin dringend, um üppige Sozialleistungen zu bezahlen. Zudem belasten auch die Sanktionen des Westens im Zuge der Ukraine-Krise zunehmend die russische Wirtschaft.