Freitag24. Oktober 2025

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Willkommen im Niemandsland

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Schnurgerade und etwa 800 Meter lang, bei einer Breite von 20 Metern. Ein Asphaltkanal am Rande einer Industriezone. Eine kleine, eigene Welt zwischen Müll, PS und Menschen.

Jean-Marie Backes (Text),
Fabrizio Pizzolante (Fotos)

DIFFERDINGEN – „Gehen Sie ruhig mal hier durch, sehen Sie sich die Sauerei an: Das ist doch nicht die Müllhalde von Differdingen“, sagt der ältere Herr und verschwindet sofort wieder in Richtung Niederkorn. Wir gehen entlang der parkenden Lastwagen die Straße weiter in Richtung Stahllager. Keine Beschilderung, keine Fahrbahnmarkierung, keine Müllcontainer. Zwischen den parkenden Lastern abgestellte Anhänger, einige Lkws, in denen die Fahrer Kaffee kochen. Es ist neblig-trüb, die Temperatur liegt bei minus zwei Grad. Trucker-Romantik kommt hier nicht auf.
Einige lassen die Motoren der Heiz- oder Kühlgeräte laufen. Wir versuchen, die Fahrer anzusprechen. Dies erweist sich als schwierig, die Fahrer sind wortkarg, kommen aus Slowenien, Russland, Italien, Polen oder Holland. Sie winken ab.

Es wird immer schlimmer

Nur Ingo war bereit, zu reden. „Ich hatte Pech, kam erst gegen 1.15 Uhr heute in der Nacht an. Jetzt muss ich warten, bis geladen werden kann.“ Auf den Müll angesprochen, meinte Ingo Folgendes: „Ich komme regelmäßig hier bei einer Firma laden, und das mit dem Müll wird immer schlimmer. Es ist eine wahre Katastrophe und bereits hygienisch bedenklich. Ich bin jedes Mal froh, wenn ich hier weg bin.“„Domaine privé de l’Etat“

Normalerweise sind die Straßen in nationalen Industriezonen als „Domaine privé de l’Etat“ eingestuft oder sie gehören den Betrieben.

Diese werden dann mittels einer Konvention an die Gemeinden abgetreten, die dann auch für deren Unterhalt, Beschilderung und Markierung zuständig sind. Das sagte Erika Thill vom Wirtschaftsministerium.
Es könnte aber auch sein, dass verschiedene Straßen immer noch Firmen gehören oder die Prozeduren zwecks Übernahme auf dem Instanzenweg sind, so Erika Thill, die zuständig für die Verkehrswege in nationalen Industriezonen ist.
In der Tat ist es eine Katastrophe, wie Ingo es sagt, denn zwischen prall gefüllten Mülltüten liegen Essensreste, Dosen, mit Urin gefüllte Plastikflaschen, Leere Ölflaschen, defekte Ersatzteile von Lastwagen, Papiere, Frachtbriefe und eine Menge Verpackungsreste.

Nach und nach kommen die Fahrer auf uns zu, so als wollten sie sich entschuldigen. „Wir haben in den verschiedenen Firmen Gelegenheit, uns zu duschen“, meinte einer, „doch für den Abfall gibt es keine Entsorgungsmöglichkeit.“ Etwas zu essen oder Getränke kaufen sich die Trucker an der nahe liegenden Tankstelle. Keine Entsorgungsmöglichkeit bedeutet nicht immer, alles rücksichtslos am Straßenrand zu entsorgen. Manche nehmen ihren Abfall in der Fahrerkabine mit, bis zur Auffahrt der A13, wo der Straßenrand dann Zeuge ist, wie der Müll dort „entsorgt“ wird.
Die Industriezone „Hanebësch“ dient nur als Beispiel. In vielen nationalen Industriezonen wird der Abfall immer mehr zum Problem.

„Keiner ist zuständig“ 

Auf Nachfrage beim Differdinger Bürgermeister Claude Meisch merkte dieser am Dienstag dem Tageblatt gegenüber an, dass diese Straße absolut keinen Status habe. Sie war Bestandteil der ArcelorMittal-Werke, wurde aber dann abgestoßen. Jetzt gehöre sie weder dem Staat noch der Arcelor noch der Gemeinde.

Ein weiteres Problem bestehe darin, dass diese Straße nun in Niederkorn als kleine Umgehung genutzt werde, was die Lebensqualität in der rue des Ligures mindert.
Die Gemeinde plant nun, diese Straße für den Durchgangsverkehr zu schließen.
Auf die Zustände angesprochen, meinte Claude Meisch Folgendes: „Wir werden die Straße und den Straßenrand aus Sicherheits- und sanitären Gründen säubern, versuchen aber auch, die Verursacher des Drecks ausfindig zu machen. Da drohen solide Strafen.“
Außerdem verweist Meisch auf die Verantwortung der anliegenden Betriebe. Die Trucker hätten, wenn sie in der Nacht ankommen, keinen Zugang zu sanitären Räumlichkeiten. Das entschuldige aber auf keinen Fall das Beseitigen von Abfällen.
Laut Claude Meisch müsse diese Straße endlich einen definitiven Status bekommen. Das gelte übrigens für viele Straßen in nationalen Industriezonen. Es müsse nämlich auch geklärt werden, wer für die Beleuchtung und den Winterdienst aufkomme.
Es habe bereits einige Gespräche mit dem Staat gegeben, aber es seien noch keine Entscheidungen gefallen, sagte der Bürgermeister abschließend.    
 

 

 

 

 

 
 Letzte Minute

Bürgermeister Claude Meisch hat sofort nach der Tageblatt-Nachfrage veranlasst, dass die Straße gesäubert wird.
Am Dienstag Nachmittag und heute sind die Teams des Differdinger Hygienedienstes im Einsatz und befreien den Straßenrand vom Müll.
Die Anwohner aus der rue des Ligures werden es zu schätzen wissen.