Er bestätigte, dass ihm in seiner beruflichen Karriere keine Information über das Medikament Diprivan bekannt war.
Auf die Frage der Vorsitzenden, warum die Notizänderung zu diesem exklusiv im klinischen Bereich eingesetzten Medikament nicht von Ärzten zur Kenntnis genommen wurde, antwortete der Zeuge, die Mediziner würden sich über das sogenannte Kompendium informieren, und in dem sei die Notiz nicht vermerkt gewesen.
Das belgische Kompendium wurde im Dezember 2004 im CHL elektronisch installiert, das eigentliche Intranet wurde aber erst im Jahre 2006 eingerichtet. Leider könne nicht mehr nachvollzogen werden, ob die medizinische Mannschaft, die jetzt vor Gericht steht, Zugang zu diesen Informationen hatte. Informiert worden vom Tod des kleinen Mädchen sei er damals als stellvertretender Generaldirektor, der abwesend war, am Tag danach. Entgegen den Aussagen des Generaldirektors, der angab, erst Ende August 2005 informiert worden zu sein, war der Zeuge formell, dass er diesen schon am 21. Juli 2005 in Kenntnis gesetzt hatte.
Aussage gegen Aussage
Etwas befremdlich wirkte dann schon die Aussage des medizinischen Direktors und Kinderarztes, er habe bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts vom Propofol-Infusionssyndrom gewusst. Auf die Frage, warum die Polizei nicht informiert worden sei, meinte der Zeuge, die Direktion habe die Ärzte mit den Fakten konfrontiert, die diese abgestritten hätten.
Auch hier stand laut Marco Sch. Aussage gegen Aussage, deshalb habe man den Vorfall nicht an die Ermittler weitergegeben. Die Frage von Me Penning, ob man im CHL schon einmal einen Vorfall mit dem Mittel Diprivan hatte, verneinte der Zeuge. Es war dann Jacqueline H., die pharmakologische Inspektorin im Gesundheitsministerium, die in den Zeugenstand trat. Sie bestätigte, dass die internationale Medikamentenkontrolle nach langen Verhandlungen die Notiz zum Diprivan im Juni 2003 dahingehend änderte, das Medikament nicht mehr bei Kindern unter 16 Jahren einzusetzen.
Aufregung auf den Anklagebänken
Die Zeugin sorgte für Aufregung auf den Anklagebänken, als sie aus dem Kompendium des Jahres 2000 vorlas, also fünf Jahre vor dem verhandelten Unfall, in dem schon vor der Anwendung des Diprivan bei Kindern gewarnt wurde.
Dies wurde dann im Jahre 2002 an gleicher Stelle bestätigt. Weil dieses Syndrom also bei den Professionellen schon lange bekannt war, sah man im Gesundheitsministerium keinen Anlass, die Ärzteschaft unnötig zu alarmieren, so die Zeugin weiter, die den Eindruck hinterließ, dass die Luxemburger Gesundheitsbehörden strikt nach den internationalen Regeln funktionieren und nur selten Eigeninitiative entwickeln.
Informationspflicht
Dies brachte Me Assa auf den Plan, der die Zeugin daran erinnerte, dass sie bei all den Diskussionen in London dabei war, und dass sie als staatliche Pharmainspektorin per Gesetz dazu verpflichtet ist, bei Kenntnis von Nebenwirkungen eines Medikamentes die Ärzteschaft umgehend zu informieren, was in anderen Fällen ja auch passierte, wie der Anwalt anhand eines Briefes bewies.
Mit einer Anpassung des juristischen Prinzips „nul n’est censé ignorer les informations“ dürfte es den Verteidigern der beschuldigten Ärzte schwerfallen, glaubwürdig auf Ignoranz zu plädieren, scheint doch die Weiterbildung der Ärzte von vitalem Interesse für deren Patienten zu sein.
Der Prozess wird in der kommenden Woche mit weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt.
		    		
                    De Maart
                
                              
                          
                          
                          
                          
                          
                          
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können