Acht Jahre derselbe Klassenlehrer und keine Lehrbücher: Die von Rudolf Steiner gegründeten Waldorfschulen sind aus Sicht des Mainzer Pädagogik-Experten und Steiner-Biografen Heiner Ullrich reformbedürftig. „Kindheit funktioniert heute anders als noch zu Steiners Zeiten“, sagte der Erziehungsexperte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Unter anderem wollten Kinder heute früher mitbestimmen, seien schneller selbstständig und verfügten über eigenes Geld. Dem passe sich die Waldorf-Pädagogik noch zu wenig an.
Die Luxemburger Waldorfschule in Zahlen
Zurzeit lernen 375 Schüler an der Waldorfschule. 150 Primär- und 160 Sekundarschüler werden von 52 Lehrkräften aus zwölf verschiedenen Nationen unterrichtet. Eltern zahlen pro Monat 365 Euro Schulgeld. Elternteile mit finanziellen Problemen können trotzdem ihre Kinder auf die Schule schicken.
Was die Finanzierung der Schule betrifft, so trägt der Staat 40 Prozent der Kosten und die Eltern 60 Prozent.
Auch die weniger wissenschaftliche Lehrerausbildung, die fehlenden Lehrbücher und die achtjährige Bindung an einen Klassenlehrer kritisierte der Experte. „Sie müssten in Bezug auf die Person des Klassenlehrers mehr Kontrollen einführen, die menschliche Nähe über acht Jahre ist nicht immer ein Gewinn.“ Gerade bei pubertären Autonomiebestrebungen könne die enge Beziehung zum Lehrer auch eine Fessel für die Kinder sein.
Wie in einer Käseglocke
Während staatliche Schulen mehr Service-Charakter hätten, sei eine Waldorf-Erziehung ein Projekt für das Leben. Mit der engen Gemeinschaft und dem geringeren Leistungsgedanken komme aber nicht jedes Kind klar, warnte der Experte: „Die Waldorfschule kann für manche Kinder auch eine Käseglocke sein, aus der sie raus wollen.“
Kritik nicht passend
Für Dieter Borscheid, Mitarbeiter der Luxemburger Waldorfschule, ist Ullrichs Beurteilung nicht angemessen, weil sie alle Waldorfschulen in einen Topf wirft. „Obwohl die Waldorschulen einem gleichen Programm unterliegen, der vom Staat anerkannt ist, arbeiten sie trotzdem autonom. Der Unterschied zwischen der luxemburgischen und deutschen Waldorfschule liegt darin, dass bei uns der Lernstoff verteilt wird. Zudem sind die Kinder sechs Jahr in der Grundschule an ihren Lehrer gebunden, in Deutschland sind es deren acht. Deshalb trifft Ullrichts Kritik auf unsere Arbeitsweise nicht zu,“ wehrt sich Dieter Borscheid in einem Gespräch mit Tageblatt.lu.
„Dass die Kinder sich in einer Käseglocke befinden würden, ist leicht übertrieben. In den letzten dreizehn Jahren sind in unserer Schule nur zehn Kinder ausgetreten. Des Weiteren bekommen wir viel Zulauf von Heranwachsenden aus staatlichen Schulen“, unterstreicht Dieter Borscheid und schlussfolgert: „Trotzdem ist zu bemerken, dass es in verschiedenen Teilen Deutschlands effektiv Waldorfschulen gibt, die noch wie zu Steiners Zeiten arbeiten“.
De Maart

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