Von deutschen Steuerparadiesen und kleinen Parlamenten

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Die Deutsch-Luxemburger Verbalscharmützel haben gestern unvermindert angehalten. In einem Spiegel-Interview warf Premierminister Jean-Claude Juncker Deutschland vor, bis Juli 2005 das größte Steuerparadies Europas gewesen zu sein. Bis zu diesem Zeitpunkt seien die Zinseinkünfte von Nicht-Gebietsansässigen nicht versteuert worden.

Die Reaktion aus dem deutschen Finanzministerium erfolgte prompt. Ein Sprecher der Finanzbehörde erklärte gestern, Juncker wolle offenbar von der aktuellen Diskussion über die Bekämpfung von Steuerflucht und die Einhaltung der internationalen OECD-Standards ablenken, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters gestern.
Die Aussage Junckers sei offensichtlich dem Wahlkampf in Luxemburg geschuldet, wird Ministeriumssprecher Torsten Albig von dpa zitiert. Er wies die Vorwürfe Junckers gegen Deutschland als „abwegig“ und „unzutreffend“ zurück, bestätigte aber im Kern Junckers Aussage.
Zwar stimme es, dass für nicht ansässige Ausländer die Steuern auf Zinseinkünfte gleich Null gewesen seien. Der „spannende Unterschied“ aber sei, das die deutsche Steuerverwaltung extrem kooperativ sei im Kampf gegen Steuerhinterziehung. „Andere sind es nicht.“

Karl May statt Karl Marx

Im Spiegel-Interview hatte Juncker insbesondere den deutschen Finanzminister Peer Steinbrück ins Visier genommen: „Witzig ist es auch nicht, wenn der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück, der sich bei Karl May offenbar besser auskennt als bei Karl Marx, zu Wildwest-Bildern greift und die US-Kavallerie aus Fort Yuma in Stellung gegen die Indianer bringen will. Und mit den Indianern meint er wahlweise die Schweizer oder uns. So reden wir nicht über die Deutschen. Und die Deutschen haben kein Recht, so über die Luxemburger zu reden“, so Juncker undiplomatisch.
Auf jegliche diplomatischen Floskeln verzichten in der Regel Journalisten. In einem Kommentar hat sich die Financial Times Deutschland gestern schützend vor Peer Steinbrück gestellt.
Man sollte den Sozialdemokraten für seine offenen Worte küssen, heißt es da.
Luxemburgs Parlament und seine Resolution gegen Steinbrücks verbale Ausrutscher werden ins Lächerliche gezogen. „Was machen die den ganzen Tag, die Luxemburger Abgeordneten? Schauen in ihrem kleinen Staat deutsches Fernsehen, stampfen mit ihren kleinen Füßen auf, marschieren in ihr kleines Parlament und beschließen eine kleine Resolution – wegen eines kleinen Witzes von Peer Steinbrück? Haben die sonst nichts zu tun?“

Liste der Waffenexporteure?

Dem Luxemburger Außenminister rät der Journalist, mit Steinbrück Klartext zu reden. „Sagen Sie ihm einfach, dass er sich gehackt legen kann; Sie brauchen das Geld – egal ob versteuert oder nicht! Und wenn er das nicht akzeptieren will, dann soll er sein Steuersystem so ändern, dass ihm die Leute nicht in Scharen davonlaufen. Aber statt solches zu tun, werfen Sie und Ihr Premier Jean-Claude Juncker sich winselnd auf den Boden und schreien Nazi, Nazi! Muss doch nicht sein!“
Luxemburgs Außenminister und Vizepremierminister Jean Asselborn versteht die Verbissenheit deutscher Kommentare gegen Luxemburg nicht. Zumal Luxemburg dabei sei, sein Bankgeheimnis neu zu definieren, sagte er uns gestern.
Asselborn wird sich heute Abend in Berlin aufhalten. Er überlege, ob er nicht vorschlagen werde, eine Liste der waffenexportierenden Staaten zu erstellen.
Deutschland sei mit zehn Prozent Anteil am Waffenhandel einer der größten Waffenexporteure.
lmo