Roger Infalt
Mit zittrigen Händen, weinenden Augen und mit von Angst und Traurigkeit geprägter Miene sitzt Claire (der Name wurde von der Redaktion geändert) zusammengekauert auf ihrem Stuhl. 1964 geboren, mit ihrer Schwester in einem Foyer aufgewachsen, da die Mutter sich nicht um ihre Kinder kümmern konnte oder wollte, lebt Claire heute in einer Wohnung in Schifflingen.
Als das Leben für sie irgendwie noch in Ordnung schien, war die Frau verheiratet, hatte einen Sohn und arbeitete als Schreibkraft in einer Verwaltung in der Hauptstadt.
Die Scheidung brachte es mit sich, dass die Frau sich damals nach einer anderen Wohnung umsehen musste, in der sie mit ihrem Sohn als alleinerziehende Mutter leben konnte. Ihre Finanzen ließen den Kauf eines Appartements in Schifflingen zu, eine Wohnung, die 35 Jahre auf dem Buckel hatte.
Anschließend nahm das Schicksal seinen Lauf. Das Dach des großen Gebäudes, in dem sich die erwähnte Wohnung befindet, musste erneuert werden. Um ihren Teil der Unkosten tragen zu können, musste Claire bei ihrer Bank eine erste Geldanleihe tätigen.
Eine zweite folgte, da auch noch weitere dringend notwendige Arbeiten (z.B. neue Türen) am Gebäude durchgeführt werden mussten. Als dann auch noch die Rede davon ging, dass die Fassade erneuert werden muss, blieb der Frau nichts anderes übrig, als ein drittes Mal bei ihrer Bank vorstellig zu werden.
Der Moment, der alles veränderte
„Zu dem Zeitpunkt schaffte ich das noch irgendwie, da ich meinen geregelten Monatslohn hatte“, so die Frau. „Was die erwähnten Ausgaben anbelangt, hatte ich ja auch keine Wahl. Wenn der Großteil der Wohnungsbesitzer in einem Gebäude sich für Arbeiten entscheidet, dann müssen die anderen ihren Teil zur Finanzierung beitragen, auch wenn sie gegen die Arbeiten stimmen.“ Im Jahre 2007 wurde das Leben von Claire und ihrem Sohn dann komplett auf den Kopf gestellt. Die Frau erlitt einen Hirnschlag, die gesundheitlichen Folgen waren enorm.
Sie leidet seitdem unter massiven Schwindelanfällen, ihr Sichtfeld ist eingeengt, sie kann nur noch bedingt schreiben, sie leidet unter Vergesslichkeit, mit Zahlen klappt es überhaupt nicht mehr, usw.
Claire lag sechs Monate lang im Krankenhaus, musste anschließend noch viele Therapien über sich ergehen lassen und am Arbeitsplatz ging alles drunter und drüber, so dass die Frau von ihrem Arbeitgeber dazu angehalten wurde, die Invalidenrente zu beantragen.
Zu den oben genannten Folgen gesellte sich dann noch eine schwere Depression hinzu, da Claire plötzlich vor einem riesengroßen Scherbenhaufen stand und nicht mehr ein noch aus wusste. Ihre Lebensqualität war und ist auch heute noch gleich null.
Die Invalidenrente wurde ihr nach unzähligen Gängen zu Verwaltungen, nach einem fast unendlichen Papierkrieg und nach zahllosen Attesten und ellenlangen Berichten von Ärzten jetzt offiziell ab 1. September zuerkannt.
„Die Beamten machten mir aber gleich klar, dass meine Rente aufgrund meines Alters nicht sehr hoch ausfallen würde“, so die Frau.INFOBOX
o Wir berichten über diesen Fall, weil er in unseren Augen ein gutes Beispiel dafür ist, wie grobmaschig unser Sozialnetz doch in manchen derartigen Fällen sein kann.
Diejenigen, die „Claire“ in einer Übergangsphase finanziell unter die Arme greifen wollen, können dies durch Überweisung einer Spende auf das folgende Sparkassenkonto der ASC mit dem Vermerk „Don Claire“ tun: IBAN LU92 0019 1555 1118 1000
Gab ihr die Zusage betreffend Rente anfangs noch Hoffnung, so landete Claire aber schnell wieder auf dem Boden der Realitäten.
„Wenn ich meine Rückzahlungen an die Bank, meine monatlichen Unkosten für Wasser, Telefon und sonstiges abrechne, dann bleiben mir und meinem Sohn, der inzwischen im Lyzeum ist, sage und schreibe 50 Euro zum Leben.“
Einem Zusammenbruch nahe gibt die Frau dem Tageblatt gegenüber zu verstehen, dass sie sich vor ihrem Sohn, ja eigentlich vor jedermann wegen ihrer misslichen Lage schämt. Aus diesem Schamgefühl heraus hat sie es bis dato auch nicht fertiggebracht, irgendwie oder irgendwen um Hilfe zu beten.
„Ich schäme mich zu sehr“
Bis vor wenigen Tagen, als sie ihren ganzen Mut zusammenraffte und beim Sozialamt ihrer Gemeinde vorstellig wurde. „Ich darf nun zweimal im Monat einen Gutschein über 75 Euro dort abholen, um Einkäufe in einem Lebensmittelgeschäft zu tätigen. Das ist schon was, aber ob ich es schaffe, mich und meinen Sohn über Wasser halten zu können, ist dennoch fraglich.“
Nach einer längeren Redepause meint Claire noch hinzu: „Ich kann meinen Sohn doch auch nicht mit einem Gutschein des Sozialamtes zum Bücher- und Heftekauf (für den Schulunterricht) schicken. Wie stünde er gegenüber seinen Schulkameraden da? Nein, ich kann meinem Sohn das nicht antun. Auf keinen Fall!“
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