Léon Marx
Ähnlich wie schon im Vorfeld die Gewerkschaften kritisiert auch der Staatsrat im Nachlauf, dass für die meisten der getroffenen Maßnahmen keine detaillierte Finanzanalyse vorliegt. Auffallend ist, dass die Ende September nach einer Bipartite mit den Gewerkschaften vorgenommenen Änderungen noch nicht von der Regierung zur Begutachtung nachgereicht wurden.
Dass die Finanzsituation des Landes nicht gesund ist, dieser Analyse der Regierung, auf der das Krisenpaket aufbaut, schließt sich der Staatsrat an. Allerdings, so die Hohe Körperschaft, könne man die öffentlichen Finanzen nur dann in den Griff bekommen, wenn jeder seinen Teil dazu beitrage. Laut vorliegendem Sparprogramm aber seien lediglich im Zentralstaat Einsparungen vorgesehen, was bei den Gemeinden und den Sozialversicherungen passiere, sei nicht bekannt.
Informationen unzureichend
Insgesamt sollen über das Sparpaket ab 2011 jährlich 350 Millionen Euro eingespart bzw. zusätzlich eingenommen werden. Die mitgelieferten Informationen reichen nach Ansicht des Staatsrats nicht aus, um zu beurteilen, ob dieses Einsparvolumen im Einklang mit dem Finanzierungsbedarf der öffentlichen Hand steht. Zumal die Defizitzahlen variieren und bereits andere Zahlen als die im Krisengesetz aufgeführten offiziell bekannt sind.
Erstaunt zeigt sich der Staatsrat insbesondere darüber, dass in dem Gesetz nur die Krisensteuer (von 0,8 Prozent auf sämtlichen Einkommen) zeitlich befristet ist. In der Vorlage noch auf die Jahre 2011 und 2012, laut Bipartite-Abkommen vom 29. September nur auf das Jahr 2011.
Unabhängig davon, wie lange die Krisensteuer am Ende erhoben wird, stellt sich der Staatsrat eine Reihe von Fragen über die Form der Erhebung. Vorgesehen ist ein zweigleisiger Modus, teilweise über die Sozialkassen und die Steuerverwaltung. Das alles sei wahnsinnig kompliziert und mache die Steuer- und Sozialgesetzgebung nicht eben transparenter.
Energische Kompression der öffentlichen Ausgaben
Der Staatsrat fordert eine energische Kompression der öffentlichen Ausgaben, begleitet mit einer regelmäßigen Überprüfung sämtlicher Elemente des Krisenpakets. Aufgrund dieser Bedenken meldet der Staatsrat denn auch seine Reserven an.
Die wohl schärfste Kritik einer Einzelmaßnahme bezieht sich auf die geplante, inzwischen aber zurückgezogene Halbierung der Kilometerpauschale. Eine Halbierung dieser Pauschale wäre diskriminierend, weil sie die einzelnen Beschäftigten unterschiedlich treffen würde, je nachdem, wie weit ihre Anreise zum Arbeitsplatz ist, schreibt der Staatsrat in seinem Gutachten. Von dem Prinzip der Gleichbehandlung der Bürger könne der Staat nicht mit Verweis auf budgetäre Überlegungen abrücken.
Ob da jemand aus dem Staatsrat der Regierung aus den Beratungen geflüstert hatte …? Oder ob es Zufall war, dass die Regierung in den Verhandlungen mit den Gewerkschaften gerade diesen Punkt strich, der immerhin 50 Millionen Euro darstellt? Der Staatsrat belegt den Text an dieser Stelle jedenfalls mit einem formellen Einspruch.
Ein weiterer formeller Einspruch bezieht sich auf die Einführung einer neu einzuführenden Steuer auf Kapitalgesellschaften. Zwar könne man die Überlegungen der Regierung, die dieser neuen Steuer zugrundeliegen nachvollziehen, heißt es im Bericht. So wie die Steuer erhoben werde, sei sie aber eine Diskriminierung einer bestimmten Gruppe von Gesellschaften.
Politische Randbemerkungen
Neben diesen rein juristischen Analysen und Kommentaren lässt sich der Staatsrat in seinem Gutachten dann auch zu einem politischen Kommentar hinreißen. (Was eigentlich nicht seine Rolle ist.) Konkret geht es dabei um die Maßnahmen im Bereich des Wohnungsbaus.
Die Streichung des „bëllegen Akt“ ist für die Mitglieder des Staatsrats nicht in der Logik der bisherigen Wohnungsbaupolitik. Bislang habe die Politik immer das Ziel verfolgt, den Menschen den Zugang zur eigenen Wohnung oder dem eigenen Haus zu erleichtern.
Die gleiche Kritik richtet sich auch gegen die Änderungen an den Bestimmungen über die Steuerbonifikation auf Hypothekarkrediten.
Die Maßnahmen des Krisenpakets
Das am 3. August eingereichte Krisenpaket sieht eine Serie von Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen vor, die laut Aussagen der Regierungin der Summe 350 Millionen mehr in die Staatskasse spülen sollten. U.a. ist vorgesehen:
– Schaffung einer zusätzlichen Steuerklasse mit einem Satz von 39 Prozent für Jahreseinkommen über 42.000 Euro
– Anhebung der Solidaritätssteuer für Betriebe und Privatpersonen von 4 auf 6 bzw. von 2,5 auf 4 Prozent.
– Einführung einer Krisenabgabe in Höhe von 0,8 Prozent auf sämtlichen Einnahmen in den Jahren 2011 und 2012 (soll laut Bipartite-Abkommen vom29. September aber auf das Jahr 2011 begrenzt werden)
– Halbierung der Kilometerpauschale (in der Bipartite gestrichen)
– Einführung einer speziellen Steuer auf Kapitalgesellschaften
– Abschaffung desvergünstigten Enregistrement-Tarifs beim Ankauf einer Wohnung
(„bëllegen Akt“)
De Maart
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