Viel zu schade zum Wegwerfen

Viel zu schade zum Wegwerfen

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Wer umzieht, einen Todesfall in der Familie hat oder sich scheiden lässt, steht oft vor einem Berg von Möbeln, die niemand mehr haben will. Wer sie aber nicht arglos wegwerfen will, kann die Jungs und Mädels der „Nei Aarbecht“ kontaktieren.

Akim Schmit
 

Das Verkaufslager von „Nei Aarbecht“ sieht nicht unbedingt aus, wie man sich ein modernes Möbelhaus vorstellt. Helle Möbel stehen Rücken an Rücken mit dunklen Schrankwänden aus Omas Zeiten. Dazwischen stapeln sich Stühle und Sofas aller Farben und Größen. Manche sehen unbenutzt aus, anderen sieht man ihr Alter an. Aber es ist nicht dieser ungewöhnliche Stilmix, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das Angebot besteht aus Gebrauchtwaren, die zu äußerst günstigen Preisen verkauft werden.

Das Verkaufslager ist das Herzstück von „Nei Aarbecht“. 1982 nahm das Projekt gemeinsam mit der „Vollekskichen“ seine Arbeit auf. Sinn und Zweck ist es, sozial schwachen Personen sowohl Arbeit als auch ein Dach über dem Kopf anzubieten. Hinzu kommt, dass es immer Menschen gibt, die Einrichtungsgegenstände nicht mehr benötigen, und andere, die sie sich einfach nicht leisten können.

„Das Projekt hat mit einer Zeitungsanzeige und Mund-zu-Mund-Propaganda begonnen“ erzählt die Direktionsbeauftragte Josée Gales. Heute leitet sie elf Teamchefs und 35 Beschäftigte in Helmdingen und vier Betreuer mit 15 Angestellten in der Volksküche in Luxemburg-Stadt.

Landesweit unterwegs

In den Anfangsjahren wurden hauptsächlich ehemalige Häftlinge betreut. Heute kümmert sich die Einrichtung um Arbeitslose, die RMG beziehen, junge Arbeitsuchende, die nicht vermittelt werden konnten und ältere Arbeitnehmer, die kaum zu vermitteln sind. Oft gesellen sich Drogen-, Alkohol-, psychische Probleme oder hohe Schulden hinzu. Auf dem freien Arbeitsmarkt hätten sie kaum eine Chance. Zusätzlich bietet die Einrichtung ihren Angestellten ein Zuhause. Ein Neubau mit zwölf Einzimmerwohnungen soll Mitte 2012 fertiggestellt werden.

Bei „Nei Aarbecht“ lernen sie interne Regeln zu akzeptieren und im Team zu arbeiten. Täglich fahren die Teams durch das Großherzogtum und holen bei Privatleuten alte Möbelstücke und Kleinkram kostenlos ab. Einzige Bedingung: Sie müssen sich in gutem Zustand befinden. 2009 haben sich 3.434 Spender gemeldet und 6.547 Objekte unentgeltlich abgegeben.
„Es tut mir leid, die Sachen meines verstorbenen Vaters einfach wegzuwerfen. Vielleicht kann noch jemand etwas damit anfangen“, meint eine Spenderin aus Bettendorf beim Besuch des dreiköpfigen Teams.

Fast geschenkt

In den Ateliers werden die Möbelstücke gesäubert und bei Bedarf repariert. Danach kommen sie in den Verkauf. Ein Sessel für drei Euro, eine Couch für 30 Euro oder eine massive Schrankwand für 100 Euro. Hier ist alles möglich. Das wissen auch die Kunden. Bis zu 80 Menschen warten täglich vor dem Lokal, bis sich um 14 Uhr die Türen öffnen. „Hier herrscht jeden Tag Ausverkauf“, schmunzelt Gales. Was nach diesen sechs Wochen den Besitzer nicht gewechselt hat, kommt in die Demontage-Abteilung. Dort werden die Möbel in ihre Einzelteile zerlegt und nach Materialien getrennt entsorgt.

„Ich bin eigentlich Kamera-Assistent. Durch den Job habe ich eine gewisse finanzielle Sicherheit und sammle neue Erfahrungen. Es ist eine tolle Zwischenetappe auf meinem Lebensweg“, sagt der 24-jährige Vania.

Adilson hatte zuvor bei einem Umzugsunternehmen gearbeitet. Als dieses seine Türen schließen musste, war der 29-Jährige von einem Tag zum anderen arbeitslos. „Ein Bekannter von mir arbeitete bereits für ‚Nei Aarbecht‘. Er hat mir vorgeschlagen, mich hier zu bewerben.“ Seit knapp fünf Monaten arbeitet er in der Schreinerei. Genau wie für die Möbel, hat auch für ihn ein zweites Leben angefangen.

 

 

DIE FAKTEN

o Adresse:
Nei Aarbecht
7, rue de l’Alzette
L-7351 Helmdange

o Telefon:
33 27 55

o Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr.

o Objekte von Interesse:
Möbel, Elektrogeräte, Küchengeschirr, Spielsachen, Kleider, Decken, Bücher, Dekorationsgegenstände, Nippes … werden nach telefonischer Vereinbarung von den Fahrern kostenlos im ganzen Land abgeholt.
Infos unter: 33 27 55-23

o Im Internet:
www.neiaarbecht.lu