Tambower Tag in Luxemburg: Verstorbener Präsident Gaston Junck gewürdigt

Tambower Tag in Luxemburg: Verstorbener Präsident Gaston Junck gewürdigt

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Seit ihrer Gründung im Jahr 1958 lädt die „Amicale des anciens de Tambow“ stets am ersten Samstag nach dem 5. November zum „Tambower Tag“ ein. Am Samstag fanden sich wie jedes Jahr denn auch zahlreiche Mitglieder zur 60. Generalversammlung im Alvisse Parc Hotel in Dommeldingen ein.

Von André Feller

Mit der Einführung der Wehrpflicht am 30. August 1942 mussten mehr als 11.000 junge Luxemburger in den verhassten Nazi-Uniformen an der Front kämpfen, viele von ihnen an der Ostfront. 1.004 Luxemburger gerieten in Russland in Kriegsgefangenschaft und wurden mit 10.000 anderen Gefangenen nach Tambow-Rada ins Lager 188 gebracht. Andere desertierten und stellten sich freiwillig in den Dienst der Roten Armee. Im August 1945 kamen die ersten schwerkranken und verwundeten Luxemburger aus dem Lager 188 mit einem Krankentransport zurück in die Heimat. Am 5. November 1945 lief der größte Transport von über 600 jungen Kriegsgefangenen im Luxemburger Bahnhof ein. So viel zu den historischen Fakten.

Unter den Ehrengästen befanden sich am Samstag unter anderem der russische Botschafter Viktor Sorokin, die Familien Dietrich und Sandrock von der Vereinigung „Pèlerinage Tambow“ aus dem Elsass sowie Gaston Gibéryen, der Vorsitzende der luxemburgischen Chamber. Weiter konnte der neue Präsident Paul Scholer den ehemaligen Botschafter in Moskau, Guy de Muyser, sowie die Medienwissenschaftlerin Inna Ganschow von der Universität Luxemburg begrüßen. Sie arbeitet derzeit an einem Forschungsprojekt über die Zwangsrekrutierten in russischer Kriegsgefangenschaft. Mit Jérôme Courtois vom „Musée national de la résistance“ in Esch und Benoît Niederkorn vom „Musée d’histoire militaire“ Diekirch nahmen zwei junge Historiker teil. Josy Lorent vertrat die Fedef sowie das „Comité pour la mémoire de la Deuxième Guerre mondiale“. Natascha Viazovova, Übersetzerin und Ansprechpartnerin der Amicale in Tambow, war einmal mehr unter den Anwesenden.

Eine große Lücke in der Vereinigung

Der „Tambower Tag“ stand unter keinem guten Stern. Der bisherige Präsident Gaston Junck, selbst Gefangener im Lager von Tambow, verstarb am 13. August dieses Jahres und hinterlässt eine große Lücke in der Vereinigung. Zudem war es die erste Generalversammlung, an der keiner der noch lebenden Zeitzeugen teilnehmen konnte. Dennoch ist dem Vorstand, der jetzt unter dem Vorsitz von Paul Scholer steht, daran gelegen, die Erinnerungsarbeit fortzuführen. Im Übrigen feiert die „Amicale des anciens de Tambow“ 2020 den 75. Jahrestag der Rückkehr der „Tambower Jongen“ nach Luxemburg.

Sekretär Léon Weis ließ das vergangene Jahr mit den Höhepunkten, dem Besuch einer russischen Delegation aus Tambow/Kirsanow sowie der Reise nach Tambow, Revue passieren. Er wies darauf hin, dass sich die Amicale an allen nationalen Gedenkfeiern aktiv beteiligt. Er hob den unermüdlichen Einsatz der Seele des Vorstandes, Fahnenträger Vic Steichen, hervor. Unterstützt wird der Vorstand durch die Mitglieder Julie-Suzanne Bausch, Jean-Pierre Dohm, Alexandra Giannini, François Jacques, Jos Steichen, Marie-Anne Thommes, Danielle Wenzel und, neu dabei, Carlo Jones.

Zurück in die Heimat

Die Vorstandsmitglieder würdigten anschließend den langjährigen Einsatz des verstorbenen Präsidenten Gaston Junck. Nach der Einführung der Wehrpflicht kam er in den Reichsarbeitsdienst (RAD) im polnischen Liebenau, später wurde er in Gorodok (Weißrussland) ausgebildet, um am Russland-Feldzug teilzunehmen. Am 10. November 1943 desertierte Gaston Junck, meldete sich in die russische Armee und kämpfte bis zum 15. Juli 1944 gegen Hitlers Truppen. Nachdem er an der Front verletzt worden war, kam er ins Lager 188 nach Tambow. Hier kümmerte er sich zusammen mit anderen Leidensgefährten und späteren Vorstandsmitgliedern der Amicale um jene Luxemburger Gefangenen, die Hilfe benötigten.

Gaston Junck war einer der ersten fünf Luxemburger, die zu Kriegsende vorzeitig nach Hause durften. Zurück in Luxemburg, informierte er die Familien der „Tambower Jongen“ sowie die politisch Verantwortlichen über das Lager. Anhand einer Liste, die Metti Scholer im Lager angefertigt hatte, setzte er alle Hebel in Bewegung, um die „Tambower“ zurück in die Heimat zu holen. Als der erste Vorsitzende der Amicale, Metti Scholer, 1988 verstarb, übernahm Gaston Junck den Vorsitz der Vereinigung. Zu seinen größten Erfolgen in den letzten Jahren gilt mit Sicherheit die Einweihung des Denkmals in Tambow-Rada. Er durfte das Aufstellen einer Urne mit Tambower Erde im Escher Resistenzmuseum ebenfalls noch miterleben.