„Bessere Quarantäne könnte ich nicht haben“Student der BBI in Wiltz wohnt seit März in einem Hotel

„Bessere Quarantäne könnte ich nicht haben“ / Student der BBI in Wiltz wohnt seit März in einem Hotel
Jitendra Tamangs Praktikum ist etwas anders verlaufen als erwartet Foto: André Feller

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Jitendra Tamang, 29, aus Pokhara in Nepal studiert seit 2017 an der weltweit renommierten BBI Luxembourg – School for International Hospitality and Tourism Business in Wiltz. Dass der Master-Student jemals in eine internationale Krise geraten würde, hätte er nie gedacht. Er gehört zu jenen Menschen, die mit einem blauen Auge aus dem Lockdown davonkommen. Eine bessere Quarantäne hätte er nicht haben können, verrät Jitendra im Tageblatt-Interview.

Tagebuch: 6.830 km Luftlinie zwischen Nepal und Luxemburg sind eine beachtliche Distanz. Was führt Sie zur BBI nach Wiltz?

Jitendra Tamang: Der Fremdenverkehr ist ein wichtiges wirtschaftliches Standbein in meiner Heimat. Nepal ist reich an Kultur und Traditionen. Unser Land hat viel zu bieten, unter anderem Trekking und Bergsteigen, Unesco-Welterbestätten – alleine Kathmandu zählt sieben Unesco-Sehenswürdigkeiten. Auch kann man bedrohte Tierarten in ihrer natürlichen Umgebung beobachten, etwa den Bengalischen Tiger, das Panzernashorn, Rote Pandas, Schneeleoparden und noch viele andere. Der Tourismus befindet sich im Aufschwung, schätzungsweise mit 2 Millionen Touristen jährlich. Meine Familie ist in dieser Branche tätig. Also steige ich auch in den Fremdenverkehr ein. Eine entsprechende hochwertige Ausbildung ist für die Zukunft von Bedeutung. Ich entschied mich zu einem Master-Studium. Die weltweit renommierte BBI ist eine der wenigen Schulen, die Hotel und Tourismusmanagement in einem einzigen Studiengang anbietet. Dank der guten Beziehungen zwischen Nepal, Indien und Luxemburg hat mich die Botschaft in Indien in allen Belangen für das Studium in Wiltz unterstützt.

Als Master-Student absolvieren Sie derzeit ein Intensivpraktikum in einem belgischen Hotel nahe der Luxemburger Grenze. Wie sieht Ihr gewöhnlicher Arbeitsalltag aus?

Wochentags arbeite ich in den Abteilungen des Personal- und Finanzwesens. An den Wochenenden bin ich sogenannter Night Auditor. Dieses Aufgabengebiet umfasst den Kundenempfang an der Rezeption, die Entgegennahme und Kontrolle der Kellnerabrechnungen, Rechnungsbearbeitung und Kassenführung. Dazu kommen Telefonate sowie die Überwachung aller sicherheitsrelevanten Bereiche und Kontrollgänge im gesamten Hotelkomplex. Das Night Auditing gewährleistet einen reibungslosen Check-out der Gäste am Folgetag.

Ich habe alles hier im Hotel: ein Zimmer, Verpflegung, Internetanschluss

Jitendra Tamang, Student

Aufgrund der aktuellen Lage läuft der Hotelbetrieb auf Sparflamme. Seit dem Lockdown leben Sie im Hotel. Sind Sie nun der „Mann für alle Fälle“?

Ich wohne derzeit im Hotel und stehe auf Abruf bereit. Alleine bin ich dennoch nicht, das Küchen- und Zimmerpersonal arbeitet auch noch. Die Anzahl der Gäste ist sehr gering, wir bieten Frühstück und Abendessen im Zimmerservice an. Mein Aufgabenfeld hat sich grundlegend verändert. Bei Bedarf und auf Abruf – derzeit ist die Rezeption nicht besetzt – bin ich Rezeptionist, also am Front Desk. Zu meinen Aufgaben gehören der Kundenempfang, Reservierungen, die Annahme von Lieferungen, Empfang und Begleitung der Wartungstechniker. Zudem erledige ich meinen Job in der Buchhaltung. Morgens und abends helfe ich im Room Service aus. Teilweise bin ich dem Küchenpersonal bei der Vorbereitung des Frühstücks behilflich. Bei Bedarf übernehme ich Aufgaben im Housekeeping, etwa wenn ein Kunde ein technisches Problem im Zimmer hat. Kurz: Multitasking. Da nur wenige Gäste im Hotel weilen, hält sich der Arbeitsaufwand in Grenzen.

Fühlen Sie sich nicht sozusagen in „Gefangenschaft“? Immerhin leben Sie nun seit Mitte März im Hotel

Nein, im Gegenteil. Eine bessere Quarantäne könnte ich nicht haben. Ich bin überglücklich, dass ich im Hotel weiterarbeiten darf. Erstens, wo hätte ich hingehen sollen? Zweitens, die Weiterarbeit im Hotel ist mein Einkommen. Die meisten Hotelstudenten stehen vor dem Nichts, kein Praktikum, kein Einkommen, kein Arbeitslosengeld (als Student ist man vom Arbeitslosengeld ausgeschlossen). Auf der anderen Seite weitere Ausgaben wie Miete und Lebensunterhalt. Ich habe alles hier im Hotel: ein Zimmer, Verpflegung, Internetanschluss. Ich kann und darf weiterarbeiten und vor allem mein Intensivpraktikum abschließen. Für den Master-Abschluss ist dies von absoluter Wichtigkeit. Als Jugendlicher verbrachte ich viele Jahre in Schulinternaten, von daher stört mich das Leben im Hotel nicht. Das dauert ja auch nicht ewig an.

Bringt die Krise Ihnen Vorteile in Ihrer beruflichen Ausbildung?

Das intensive und gleichzeitige Multitasking gehört normalerweise nicht zur Ausbildung. Ich lerne andere Berufsfelder im Hotelwesen kennen. Vor allem aber fördert diese Situation mein Organisationstalent sowie den Umgang mit Stress. Das Master-Diplom berechtigt mich dazu, ein Hotel zu eröffnen. In jedem Hotel kann es zu unplanbaren Geschehnissen kommen. Als Manager muss man entsprechend schnell reagieren können. Somit ist das Switchen in andere, nicht zur Ausbildung gehörende Berufsfelder, ein erheblicher Vorteil für meine Karriere. 

Der Student aus Nepal freut sich darüber, dass er sein Praktikum abschließen kann
Der Student aus Nepal freut sich darüber, dass er sein Praktikum abschließen kann Foto: André Feller