LUXEMBURG – „Es ist unerhört, wie die Stadtverwaltung sich mit fadenscheinigen Argumenten aus ihrer Verantwortung zieht und sich immer wieder hinter ihrem PAG und seinen Auflagen aus den frühen 90er Jahren versteckt, um an vielen Orten der Hauptstadt in puncto Denkmal- und Architekturschutz nichts unternehmen zu müssen“, so die Verantwortlichen der Vereinigung „Luxembourg patrimoine“ gestern. In den nächsten Tagen oder Wochen soll in der hauptstädtischen rue Glesener das um 1928 erbaute frühere Wohnhaus Goebbels, heute besser bekannt unter dem Namen „Maison Berbère“, abgerissen werden. Es handelt sich hier um ein – in Form und Stil – einzigartiges Gebäude auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg.
Dieses Eckhaus, erbaut in einem frühen, „floralen“ Art-Deco-Stil, ist von sehr hoher baulicher Qualität, was man auch heute noch, genauso wie damals, an seinen meisterlich ausgeführten und bestens erhaltenen Steinmetz-, Schlosser- und Glaserarbeiten erkennen kann.
Bausünden
Sorgfältig ausgewählte Baumaterialien, zahlreiche Verzierungen an der Fassade wie zum Beispiel ein Fries mit steinernen Rosen („roses pétrifiées“), Reliefe an den Fenstersteinen oder am Eingangsbereich, ein wunderschönes Buntglasfenster mit dem Motiv „Rousemeedchen“ („fille aux roses“) sowie eine beachtliche schmiedeeiserne Eingangstür sind allesamt hervorragende architektonische Merkmale.
Letztere geben diesem Wohnhaus, welches der damalige Bauherr durch den Unternehmer Achille Giorgetti ausführen ließ, seinen absolut unersetzbaren Charakter.
Die rue Glesener, in der so manche Bausünden bereits begangen worden sind, zeichnet sich dadurch aus, dass in ihr mehrere Baustile des 20. Jahrhunderts nebeneinander (be-)stehen und sie dadurch für Architekturliebhaber sehr interessant ist. Vor allem letzte kleine, sehr schön renovierte Ensembles von jeweils drei bis vier Häusern um 1910 bis 1920 charakterisieren den unteren und mittleren Teil der rue Glesener.
Das außergewöhnlichste Element ist und bleibt jedoch das Haus „Maison Berbère“, das im oberen Teil eingebettet ist zwischen einem Art-Deco-Gebäude und einer auf drei Seiten freistehenden Stadtvilla im Bauhausstil.
Ursache des Problems: Im Bebauungsplan der Stadt Luxemburg wurde Anfang der 90er Jahre eine generelle Bauhöhe von sechs Stockwerken für Neubauten in der rue Glesener festgelegt, ohne Rücksicht auf drohende architektonische Verluste bestehender Bauten.
In der Folgezeit wurden von Seiten der Stadtverwaltung keine Anstrengungen unternommen, die erlaubte Bauhöhe an die jeweilig bestehenden und erhaltenswerten Häuser anzupassen, um so den ökonomischen Druck von diesen zu nehmen und sie vor dem Abriss zu bewahren. So sind die noch bestehenden Architekturschmuckstücke aufs Höchste bedroht, da Investoren, die diese kaufen, nur das Grundstück nutzen wollen, um mit einem banalen (oft hässlichen) Betonbau von sechs Stockwerken einen maximalen Gewinn zu erwirtschaften.
Erhaltenswerte Architektur hat in diesem Kontext keine Chance aufs Überleben!
„Die Aussage von Bürgermeister Helminger, die Stadt könne hier nichts tun, stimmt nicht. Es unterliegt der Entscheidungsgewalt des Bürgermeister- und Schöffenrates, diese Bauhöhen im Interesse der Allgemeinheit punktuell abzuändern und an örtliche Begebenheiten anzupassen“, so die bereits erwähnte Vereinigung.
„Richtig ist also, dass die Stadt es über Jahre verpasst hat, hier in der rue Glesener aktiv Denkmal- und Architekturschutz durch angepasste Bauhöhen in ihrem allgemeinen Bebauungsplan ‚Plan d’aménagement général‘ (PAG) zu praktizieren!
Denn da, wo nur zwei oder drei Stockwerke gebaut werden dürfen, ist die Gefahr eher gering, dass ein bestehendes und erhaltenswertes Gebäude mit bereits zwei bis drei Stockwerken abgerissen wird.“
Aufruf
Da eine rechtzeitige Anpassung der erlaubten Bauhöhen als Denkmal- und Architekturschutzmaßnahme verpasst wurde, fordert Luxembourg Patrimoine asbl. den Bürgermeister und Schöffenrat der Stadt Luxemburg hiermit auf, das Haus „Maison Berbère“ vom jetzigen Besitzer zu kaufen (oder gegen eine andere in ihrem Besitz befindliche Immobilie zu tauschen) und somit dieses einzigartige, im frühen Art-Deco-Stil erbaute Haus vor seiner Zerstörung zu retten.
Unzählige andere Straßen auf Limpertsberg, im Rollingergrund, im Neudorf usw. stehen ebenso ungeschützt vor ihrer architektonisch ungewissen Zukunft.
„Es muss an dieser Stelle klar gesagt werden, dass eine Stadt mit all ihren Vierteln aus verschiedenen Bau- und Entwicklungsphasen heraus gewachsen ist und so ihre Identität entstanden ist: Es reicht für eine geschichts- und identitätsbewusste Stadtverwaltung also nicht, nur eine sehr minimalistische Einstellung gegenüber dem architektonischen Erbe zu haben und vielerorts, so wie es z.B. in vielen Vorortvierteln der Stadt im Moment der Fall ist, den Abriss von ganzen Häuserzeilen zu genehmigen.
Und das ohne ein Inventar über erhaltenswerte und für das jeweilige Stadtbild typische Bauten und architektonischen Ensembles erstellt zu haben und diese Bauten in ihrem PAG als ‚Secteur protégé‘ oder ‚Zone sensible‘ mit Regeln zum Erhalt von bestehenden Bauvolumen und Fassaden eingetragen zu haben, um sie vor der Zerstörung zu bewahren.“
De Maart
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