Qualvoller Tod eines Traditionshauses

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230 Beschäftigte vonVilleroy & Boch in Luxemburg verlieren ihre Stelle. Das Unternehmen stellt die Geschirrproduktion ein. Lucien Montebrusco

Schlechte Nachricht vor dem Wochenende für 230 Beschäftigte der Porzellanfabrik Villeroy &Boch in Luxemburg. Gestern Morgen wurden sie informiert, ihr Werk im Rollingergrund werde 2010 schließen. Allein die 90 Arbeitsplätze in den vier Verkaufsstellen und in der Marketingabteilung bleiben erhalten. Derzeit beschäftigt das Werk noch 320 Personen.
Die Nachricht erwischte die Gewerkschaften eiskalt. Am Donnerstag waren die Präsidenten von OGB-L und LCGB für gestern acht Uhr ins Arbeitsministerium bestellt worden – zwecks Ankündigung einer schlechten Nachricht, hieß es ohne nähere Angabe. Am frühen Nachmittag dann war die Belegschaft an der Reihe.
Sprachlos seien die Mitarbeiter, so OGB-L-Gewerkschaftssekretär Alain Mattioli gestern nach der Informationsversammlung auf dem Werksgelände.
Dass das Unternehmen die Krise nutze, um das Werk zu schließen, steht für OGB-L-Präsident Jean-Claude Reding außer Frage. Es handele sich um eine strategische Unternehmensentscheidung.
Die Produktion wird nach Torgau in Ostdeutschland ausgelagert. Das Werk im Rollingergrund produziert Weißware, Rohlinge, die im saarländischen Mettlach bemalt und fertig gebrannt werden. In Luxemburg werden Tassen und Teller hergestellt. Kunden sind Privathaushalte, Hotels und Unternehmen aus der ganzen Welt.

Absehbares Ende

Bereits 2006, als 141 Stellen von vorgesehenen 180 gestrichen wurden, ging das Gerücht über eine bevorstehende definitive Produktionseinstellung in Luxemburg um. Warum man damals nicht Klartext geredet habe, fragt Alain Mattioli, OGB-L-Verhandlungssekretär. Ein geordneter Rückzug wäre möglich gewesen.
Ab 2010 will das Unternehmen seine Mitarbeiter entlassen. Bis dann soll nach Möglichkeiten gesucht werden, den Abgang so schmerzlos wie möglich zu gestalten. Beschäftigungserhalt und berufliche Weiterbildung sind zwei Stichworte.
Am Mittwoch werden sich die Gewerkschaften mit der Direktion zusammensetzen. Dann müssten zuerst einmal Zahlen über den ökonomischen Zustand des Unternehmens auf den Tisch. Luxemburg sei noch immer ein produktiver Standort gewesen, meint Mattioli. Die Konjunkturflaute soll die Entscheidung zur Schließung beschleunigt haben. Die Produktion fiel um 30 Prozent.
Angaben über die Leidtragenden der Betriebsschließung sind hingegen bekannt. Viele Mitarbeiter sind seit 25 bis 35 Jahren dort beschäftigt. Ganze Familien arbeiten hier. Sie trifft der Kahlschlag besonders hart. Der Großteil der Mitarbeiter besteht aus Nicht-Luxemburgern. Die Hälfte der Belegschaft wohnt jedoch in Luxemburg.
Eine neue Stelle zu finden, dürfte angesichts der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht einfach sein. Zumal viele Villeroy&Boch-Mitarbeiter, zuvor unqualifiziert, ihre Kunstfertigkeiten im Betrieb erlernten.
Über Frühverrentung werden nur die wenigsten Stellen abgebaut werden können. Bereits 2006, als 141 Stellen gestrichen wurden, entließ man prioritär jene Personen, die in Rente gehen konnten. Diesmal sind es vielleicht ein knappes Dutzend, die dafür in Frage kommen.
Die Geschichte von Villeroy&Boch in Luxemburg in den letzten Jahrzehnten ist die des langsamen, kläglichen Todes eines traditionsbewussten Unternehmens. In den 1990er Jahren zählte das Werk fast tausend Beschäftigte, 2003 waren es noch rund 700, heute sind es 320.
Immer wieder wurden angeblich Kompetitivitätsprobleme ins Feld geführt, um abzubauen. 2005/2006 bemühte man sogar die illegale Konkurrenz aus China, die Villeroy&Boch-Ware kopierte und zu Billigpreisen auf dem Weltmarkt verramschte.
Die Scherben müssen die Beschäftigten von Villeroy & Boch zusammenkehren.