Nach Geheimdienstchef Patrick Heck wurde am Dienstagnachmittag sein Vorgänger im Amt, Marco Mille, im Untersuchungsausschuss des Parlaments gehört.
Mille, der heute als Sicherheitschef in einem großen deutschen Konzern arbeitet, hatte den Dienst im Jahr 2010 quittiert. Zuvor war sein illegaler Mitschnitt eines Gesprächs zwischen ihm und Premierminister Jean-Claude Juncker bekannt geworden. Obwohl es sich um eine illegale Aktion des SREL handelte, war kein Disziplinarverfahren gegen Mille eingeleitet worden. Mille leitete den Geheimdienst seit 2003. In der Affäre um den illegalen Mitschnitt des Gespräch ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft. Das Thema darf nicht vom Untersuchungsausschuss erörtert werden.
Seinen Weggang 2010 begründete Mille am Dienstagnachmittag mit dem Wunsch nach einer beruflichen Neuorientierung. Die Frage, ob er von Premierminister Jean-Claude Juncker nach Bekanntgabe des illegalen Mitschnitts des Gesprächs dazu aufgefordert worden sei, sein Amt zu verlassen, wich Mille zuerst aus. In einer ersten Reaktion habe Juncker gesagt, er würde ihn am liebsten gleich rausschmeissen, dann seien die Gründe für derlei Entscheidung sachlich erörtert worden, so Mille. Das was am 16. Februar 2008, als Juncker Mille darüber informierte, er wüsste von der illegalen Aufzeichnung von 2007. Junckers Aufregung verflog schnell, denn Mille blieb bis zum Ende seiner Kündigungsfrist im März 2010. Auch von der parlamentarischen Kontrollkommission Geheimdienst sei er nicht direkt zum vorzeitigen Rücktritt aufgefordert worden, so Mille am Dienstag.
Demission: Öffentliche Debatte hätte dem SREL geschadet
Darauf angesprochen, ob sein vorzeitiger Abgang dem Funktionieren des Geheimdienstes geschadet hätte, antwortete Mille „nur im Falle, wo eine Debatte über die Gründe meines Abgangs losgetreten worden wäre“. Dieses hätte dem Vertrauen der ausländischen Geheimdienste und der Bevölkerung in den Luxemburger Geheimdienst schaden können. Mille hatte während eines „emotionalen“ Gesprächs Premiernminister Jean-Claude Juncker seine Kündigung angeboten. Dieser war aber nicht darauf eingegangen, so der Ex-Geheimdienstchef.
Über die Funktionsweise des Geheimdienstes vor seiner Amtszeit wusste Mille wenig zu erzählen. Als er 2003 Chef des Geheimdienstes wurde, habe er eine „black box“ vorgefunden, erklärte Marco Mille. Die verschiedenen Abteilungen hätten voneinander abgeschottet gearbeitet. Die gesammelten Informationen seien nicht allgemein verfügbar gewesen. Das hätte auch für Informationen in den Dossiers der Bombenanschläge und „Stay behind“ gegolten, betonte Mille.
Er habe die Funktionsweise des Dienstes zu reformieren versucht, beteuerte Mille. Seine Bestrebungen seien aber nicht „gut angekommen“. Es habe große Widerstände gegenüber Neuerungen gegeben, sagte der Ex-SREL-Chef.
Nicht genug Mittel
In seinem aufgezeichneten Gespräch mit Jean-Claude Juncker hatte Mille von einer umfassenden Kartei geredet, in der Eintragungen über Bürger in Luxemburg und Ausländer gesammelt worden seien. Eine grundlegende Erneuerung dieser alten Datenbank sei zum Teil an einem Mangel an Mitteln gescheitert. Auch hätten die Archivare die Dokumente gemäß eines oft „nicht logisch nachvollziehbaren“ Kriterien einklassiert. Und 40 Jahre an Daten aufzuarbeiten war nicht möglich. 2004 waren aber einige Aufzeichnungen über Parlamentarier, die noch im Amt waren, aus der Kartei gestrichen worden.
Die Zusammenarbeit mit dem Staatsministerium war regelmäßig. Sie erfolgte meistens zwischen hohen Beamten. Man hätte im Rahmen dieser Kontakte auch auf das Fehlen einer gesetzlichen Basis für die Datenbanken hingewiesen, erörterte Mille am Dienstag. 2002 war ein Gesetz über den Datenschutz angenommen worden. Bei der Ausführung des Gesetzes habe es aber Pannen gegeben. So legte der SREL legte 2004 eine Datenbank an, obwohl das dazu erforderte großherzogliche Reglement nicht vorlag, die Datenbank damit seitdem illegal betrieben wird.
Prozeduren wurden respektiert
Der aktuelle SREL-Direktor Patrick Heck hatte am Freitag die Legalität von bis zu sieben Abhöraktionen in den Jahren 2007 bis 2009 in Frage gestellt. Dazu wollte Mille sich nicht äußern. Er wisse nichts davon. Mille betonte, in dringenden Ausnahmefällen reiche es, wenn der Regierungschef der Abhörung zustimmte. Die notwendigen richterlichen Genehmigungen wurden dann nachgereicht.
Auch die Einstellungspolitik beim Geheimdienst wurde hinterfragt. Hier wurden vor 2004 Beamte ohne offizielle Prozedur eingestellt, heißt es. Niemand sei direkt vom Geheimdienst eingestellt worden, unterstrich Mille. Die Mitarbeiter wurden in den Geheimdienst abkommandiert, unter anderem aus der Polizei und der Armeee. Viele Mitarbeiter seien nach 2004 über die normale Prozedur per Staatsexamen rekrutiert worden. Offizieller Arbeitgeber ist dann das Staatsministerium.
Aufgabe des Untersuchungsausschusses ist es, die Arbeitsweise des Geheimdienstes seit seiner Gründung 1960 zu beleuchten insbesondere seit der Annahme des Reformgesetzes von 2004. Ausgeschlossen sind Affäre, die derzeit Gegenstand von Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft sind.
Der erste Sitzung am Dienstag war öffentlich, doch Marco Mille hatte gebeten, keine Bilder aus dem Sitzungssaal zu übertragen. Lediglich der Ton der Vernehmung wurde übertragen. Der zweite Teil der Sitzung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dabei sollte Mille unter anderem über den Inhalt der alten Datenbank Auskunft geben. In den Jahren des Kalten Krieges sind systematisch Daten über linke Organisationen, insbesondere die KPL, gesammelt worden.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können