Mittwoch5. November 2025

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„Man muss die Neugierde der Jugendlichen wecken“

„Man muss die Neugierde der Jugendlichen wecken“

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Kommende Woche findet in Luxemburg in allen Sekundarschulen des Landes unter dem Motto „Qui fait l’info?“ die erste „Semaine de la presse“ statt. Diese wird vom „Conseil de presse“ in Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium organisiert. Wir unterhielten uns im Vorfeld mit der Initiatorin und Präsidentin des Presserats, Danièle Fonck.

Interview: Tom Wenandy
Fotos: Martine May

Tageblatt: Frau Fonck, wie kam Ihnen als Präsidentin des Presserats die Idee, eine „Semaine de la presse“ in Luxemburg zu organisieren?
Danièle Fonck: „Seit vielen Jahren bin ich Mitglied des NIE-Komitees (’Newspapers in Education’, zu Deutsch: Zeitungen im Bildungssystem) des Weltverbands der Zeitungen und Nachrichtenverleger WAN-Ifra. Aus dieser Position heraus kann ich seit längerem beobachten, dass sämtliche Länder – sei es in Süd- oder in Nordamerika, in Afrika oder im Mittleren Orient und selbstverständlich in Europa – im Bereich Schule und Medien arbeiten. Und ich kann beobachten, wie sie dies tun.

In Deutschland, einem Land, auf das wir in Luxemburg des Öfteren gerne schauen, geht man mittlerweile gar so weit, dass man in den Vorschulen beginnt, mit Zeitungen zu arbeiten. Die deutsche Politik hat ganz einfach begriffen, dass wenn man eine kohärente Gesellschaft will, man hierzu Bürger benötigt, die der Sprache absolut mächtig sind. Und die deutsche Politik hat begriffen, dass Zeitungen ein großartiges Instrument darstellen, um dieses Ziel zu erreichen. Einschließlich bei Kindern auf eine ganz spielerische Art und Weise.
Kurzum: In Luxemburg haben wir in diesem Bereich einen erheblichen Rückstand. Zwar organisiert der Presserat seit Jahren – übrigens auf die Initiative des damaligen Präsidenten Alvin Sold hin – die Aktion ‚Presse à lécole‘. Dies ist dem Presserat streckenweise auch sehr gut gelungen, allerdings besteht in diesem Zusammenhang das Problem, dass es keine kohärente Projektbetreuung und keinen permanenten Ansprechpartner seitens des Bildungsministeriums gibt. Irgendwie scheint es nicht möglich zu sein, die ‚Presse à lécole‘ auf eine strukturierte Weise zu organisieren.

Als ich dann vor zwei Jahren zur Präsidentin des ‚Conseil de presse‘ gewählt wurde, habe ich mir vorgenommen, im Rahmen dieses Amtes dem Thema Schule und Medien eine besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Und ich habe mich gefragt, warum wir nicht mindestens, so wie Frankreich, Deutschland oder Belgien dies auch haben, eine ‚Semaine de la presse‘ organisieren und diese zu einer festen Einrichtung – jedes Jahr zur gleichen Zeit und in sämtlichen Schulen – machen können.“

„T“: Wie funktioniert die „Semaine de la presse“?
D. F.: „Im Ausland, zum Beispiel in Frankreich, ist das Prinzip der ‚Semaine de la presse‘ ein ganz einfaches: Eine Klasse, eine Stunde, jeden Tag (während einer Woche), egal in welchem Fach, setzt sich mit dem Thema Medien auseinander. Dabei geht es, und das will ich unterstreichen, um sämtliche Medien: Zeitungen, Radio, Fernsehen, Internet …
In Frankreich sind die Schulen allerdings durch die Existenz des Clemi (’Centre de liaison de lenseignement et des médias dinformation’), das sich um die Medienerziehung kümmert, besonders privilegiert. Die ‚Semaine de la presse ‚ läuft in Frankreich denn auch schon seit 21 Jahren reibungslos.

Weil ich das Privileg habe, die Direktorin des Clemi zu kennen, und um Diskussionen über eine mögliche Einflussnahme bei der Ausarbeitung von eigenem didaktischen Material zu umgehen, haben wir beim Clemi angefragt, sein Arbeitsmaterial übernehmen zu dürfen. Dieses Material, das uns umsonst zur Verfügung gestellt wurde, mussten wir dann nur noch in einigen Punkten an unsere Situation anpassen. Mit den Lehrplänen des Clemi übernehmen wir auch das Thema des Jahres. 2010 lautet es ‚Qui fait linfo?‘.

Ich will dann aber auch betonen, dass wir bei Frau Delvaux auf eine Bildungsministerin getroffen sind, die bereit war, gemeinsam mit uns auf diesen Weg einer ‚Semaine de la presse‘ zu gehen. Ich hoffe nun, dass es uns gelingen wird, aus der ‚Semaine de la presse‘ einen festen Termin im Schulkalender zu machen. Auch wenn diese erste Ausgabe vielleicht noch nicht perfekt ist, unter anderem deshalb, weil in diesem Jahr nur die Sekundarschulen und noch nicht die Grundschulen mitmachen. Ich hoffe, dass dies in einer zweiten Phase aber möglich sein wird.“

„T“: Die „Semaine de la presse“ ist also nicht auf den Literatur- beziehungsweise Sprachunterricht begrenzt?
D. F.: „Nein, und das setzt voraus, dass die Lehrer einer Klasse sich miteinander absprechen, untereinander kommunizieren und gemeinsam die Woche planen. Es kann also durchaus sein, dass montags der Französisch-, dienstags der Geografie- und mittwochs zum Beispiel der Biologielehrer mit dem jeweils entsprechenden Material arbeitet usw. Genau dies ist denn auch das Interessante, das Schöne – auch und vor allem für die Schüler – am Clemi-Programm: Es zielt auf sämtliche Fächer und Sparten ab und bezieht alle mit ein. Man kann demnach also durchaus Medien auch im Rahmen eines Mathematik- oder Physikkurses benutzen.“

„T“: Sind im Rahmen der „Semaine de la presse“ ähnlich der „Presse à lécole“ auch Journalisten in den Schulen präsent?
D. F.: „Nein, der jeweilige Lehrer hat die Lehrpläne, das erforderliche pädagogische Material. Da es sich in diesem Jahr aber um die erste Ausgabe handelt, steht der Presserat für den Fall, dass ein Lehrer punktuell Unterstützung oder zusätzliche Informationen bräuchte, selbstverständlich beratend zur Verfügung. Anfragen können online an den Presserat gerichtet werden. Dieser benennt dann einen Journalisten, der an dem bestimmten Kurs unterstützend teilnimmt. Hier liegt dann auch der Unterschied zwischen ‚Semaine de la presse‘ und ‚Presse à lécole‘: Bei letztgenanntem Ereignis ist es der Journalist, die Presse, die die aktive Rolle spielen. Ein weiterer Unterschied ist, dass die ‚Semaine de la presse‘ für jeden Schüler gilt. Sie soll es jedem Schüler ermöglichen, die gleichen Basisinformationen zu erhalten. Die ‚Semaine de la presse‘ soll die ‚Presse à lécole‘ also keineswegs ersetzen. Beide Veranstaltungen sind komplementär.“

„T“: Welche Erfahrungen haben Sie, in Ihren diversen Funktionen als Präsidentin des Presserats, als Herausgeberin, aber auch als Chefredakteurin einer Zeitung und Journalistin in Bezug auf die Einstellung von Jugendlichen zu den Medien gemacht. In Luxemburg und im Ausland?
D. F.: „Was das Ausland anbelangt, so habe ich bereits anfangs darauf hingewiesen, dass dort einfach mehr Wert auf Medienerziehung gelegt wird. In Luxemburg kriegen alle Kinder in diesem Zusammenhang also nicht alle die gleichen Chancen, weil nicht die gleiche Erziehung. Das ist eine Feststellung. Eine andere ist, dass ich zutiefst davon überzeugt bin, dass man heutzutage junge Leute genauso für die Presse begeistern kann, wie dies bei den vorherigen Generationen der Fall war. Ich glaube keineswegs an die These, dass Jugendliche heutzutage nicht mehr lesen. Bester Beweis hierfür sind die Gratiszeitungen. Wenn diese gut gemacht sind, wenn also die Jugendlichen sich darin wiedererkennen, dann lesen sie diese auch. Es ist demnach keine Frage von lesen oder nicht lesen. Hinzu kommt, und Studien beweisen dies, dass die Jugendlichen sich nicht nur für Sport oder ‚People‘ interessieren. Nein, sie interessieren sich für alles. Und dies ist eigentlich einzigartig.

Ich glaube, Jugendliche sind generell neugierig. Man muss nur verstehen, diese Neugierde zu stimulieren. Wenn man das fertig bringt, dann befindet man sich nicht auf verlorenem Posten. Vielleicht ist die traditionelle Presse einfach nur zu traditionell. Vielleicht muss diese nur darüber nachdenken, wie sie sich an die neuen Leser anpasst, ohne dass dies gleichbedeutend mit einer Angleichung nach unten sein muss.

Was mir gleichzeitig aber auch ein bisschen Angst macht – und das ist kein Widerspruch zu meinen vorherigen Aussagen –, ist die Tatsache, dass zahlreiche Bewerbungsschreiben, die wir im Betrieb erhalten, von Fehlern nur so wimmeln. Bewerbungsschreiben von Personen mit ‚Bac +4‘, ‚Bac +6‘ … Da sage ich mir, dass irgendwas im System nicht stimmen kann und dass es nicht die jungen Leute sind, die im Fehler sind, sondern die Politik. Dies, weil es ihr nicht gelingt, zu vermitteln, dass Sprache etwas wichtiges ist. Im Leben – und speziell im Berufsleben – wird alles und immer schriftlich festgehalten. Und kein Unternehmen toleriert, wenn alles voller Fehler steht.
Des Weiteren ist es ja auch so, dass wenn man eine Sprache nicht beherrscht, wir eine Gesellschaft aufbauen, die nur auf Missverständnissen beruht. Das wäre fatal für die Kohärenz. Und Gesellschaften ohne Kohärenz sind gespaltene Gesellschaften.

„T“: Wie ist die Resonanz auf die erste Ausgabe der „Semaine de la presse“?
D. F.: „In einer ersten Phase war es zugegebenermaßen etwas mühsam. Aber auf einmal lief es und nun kann ich sagen – auch wenn die endgültigen Zahlen noch nicht vorliegen –, dass die große Mehrheit der Schulen teilnimmt. Besonders begeistert bin ich über die große Resonanz in den technischen Lyzeen. Dies bewerte ich als absolut positiv. Denn traditionsgemäß sind es immer vorwiegend die ‚klassischen‘ Lyzeen, die an solchen Ereignissen teilnehmen. Umso mehr erfreut mich die Situation bei der ersten ‚Semaine de la presse‘.“