LEITARTIKEL/Das Glück des Tüchtigen

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8.8.2008, 8.08 Uhr: Die 29. Olympischen Spiele werden im „Bird’s Nest“ von Peking eröffnet. Ob die chinesische Glückszahl 8 den Gastgebern den erhofften Erfolg beschert, das wird man frühestens in 16 Tagen wissen. Nach den Turbulenzen im Vorfeld wartet ganz Beijing sehnsüchtig auf den Auftakt der Wettbewerbe. Denn dann rücken Sport und Sportler in den...

Zuallererst werden sie durch einen Gigantismus in nie da gewesener Form gekennzeichnet sein. Einen Vorgeschmack auf das, was da kommen mag, wird es heute bei der Eröffnungsfeier geben. Die Chinesen lassen sich nicht lumpen und haben Wettkampfstätten errichtet, die weltweit ihresgleichen suchen. Alles ist etwas größer als vor vier Jahren in Athen. Und alles ist perfekt durchorganisiert. Nichts soll dem Zufall überlassen werden und doch spielt der Zufall im Umgang mit den Chinesen wegen der für Nicht-Asiaten fremdartigen Kultur und vor allem wegen der Sprachbarriere eine wesentliche Rolle. An Enthusiasmus fehlt es jedenfalls nicht. Natürlich nicht bei den freiwilligen Helfern, nicht bei den Taxifahrern und auch nicht in der Bevölkerung, mit der man als ausländischer Gast zwar spärlich, aber immerhin in Kontakt kommt. Was sich hinter den Fassaden der Peking prägenden Betonklötze abspielt, bleibt allerdings verborgen.

Dabei sein ist alles?

Aus sportlicher Sicht sind die Spiele in Peking für Luxemburg die interessantesten seit Jahrzehnten. Denn nie war das Großherzogtum so nahe an einer Medaille dran wie diesmal. Kim Kirchen und die Gebrüder Schleck gehen als Mitfavoriten in das olympische Straßenrennen und auch im Einzelzeitfahren ist Kirchen ein ernst zu nehmender Anwärter auf einen der vorderen Plätze. Die Triathletin Liz May hegt ebenfalls riesige Ambitionen und möchte bei ihren zweiten Spielen ein Top-Resultat erreichen. Tischtennisfrau Ni Xia Lian hat sich in ihrem Geburtsland viel vorgenommen. Und auch für den Rest der Luxemburger Athleten gilt die olympische Devise „dabei sein ist alles“ schon lange nicht mehr. Das war nicht immer so. Als Wendepunkt gilt das Jahr 1996, als die durch die Bank enttäuschenden Resultate der Luxemburger Athleten bei den Spielen von Atlanta das COSL zur Änderung seiner Förderpolitik bewogen. Seitdem hat sich der Sport im Großherzogtum professionalisiert und die Ergebnisse einer gezielteren Unterstützung der Top-Athleten machte sich schnell bezahlt: Ein 10. Platz von Nancy Kemp-Arendt 2000 in Sydney, ein 6. Rang durch Kim Kirchen 2004 in Athen. Nicht nur in der chinesischen Zahlenlogik müsste also diesmal eine Silbermedaille herausspringen…
Das freilich sind Wunschträume, und die tollen Leistungen der Radprofis der Förderung des COSL zuzuschreiben, wäre mehr als nur leicht übertrieben. Alle drei sind Ausnahmetalente, die Luxemburg nur alle 50 Jahre einmal hervorbringt und die ihre Karriere neben ihrem Talent an allererster Stelle ihrem Fleiß zu verdanken haben. Bei allen anderen in Peking startenden Athleten spielen das COSL und das Sportministerium dagegen eine wichtige Rolle. Denn sie ermöglichen, dass sich Olympia-Kandidaten unter Profi-Bedingungen vorbereiten können, heutzutage Grundvoraussetzung zur internationalen Konkurrenzfähigkeit. Das erzeugt freilich auch Druck, die Erwartungshaltung ist bei Olympischen Spielen hoch. Hier wird jeder an seiner persönlichen Leistungsgrenze gemessen, also am bestmöglichen Resultat. Umso wichtiger ist also, nicht zu vergessen, dass Sportler auch nur Menschen sind. Die beste Vorbereitung ist noch lange kein Garant für die beste Leistung. Denn die hängt von vielen Faktoren ab. Es wird auch diesmal gute und weniger gute Leistungen im Luxemburger Lager geben. Unter dem Strich werden aber die guten überwiegen. Im Gegensatz zu den Gastgebern spielt demnach für unsere Delegation die Glückszahl 8 eine eher untergeordnete Rolle. Ganz auf ihre „magische Kraft“ verzichten sollte man in China allerdings nicht…

pmichel@tageblatt.lu