„Lage erfordert höchsten Einsatz“

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Bei der gestrigen Regierungserklärung, die von Staatsminister Jean-Claude Juncker in einer gut einstündigen Rede dem Parlament unterbreitet wurde, fehlten die rhetorischen Höhepunkte. Juncker gab sich (bewusst) sachlich, hakte Bereich für Bereich die wichtigsten Vorhaben ab und gab sich äußerst vorsichtig, was Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung oder zur Zukunft der staatlichen Investitionen betrifft.

„No de Walen ass virun de Walen“, begann Juncker seine Intervention, womit er denn gleich alle Lügen strafen wollte, die angekündigt hatten, nach der Wahl würde die „ganze, schreckliche Wahrheit“ zur wirtschaftlichen Lage des Landes offenkundig werden. Der Staatsminister brach vor den anwesenden Diplomaten zwar nicht in Jubel aus, wollte aber auch nicht zu schwarz sehen.

Die schwarz-rote Regierung sei vom Wähler beeindruckend bestätigt worden (gemeinsam haben CSV und LSAP 63,78% im Süden, 57,76% im Osten, 57% im Norden und 56,43% im Zentrum erreicht); angesichts der aktuellen Lage könne aber nicht wie in den vergangenen fünf Jahren weiterregiert werden. Energischer, nachhaltiger und mutiger mit maximalem Einsatz, so sieht die angekündigte Methodik der nächsten Jahre aus.

Finanz- und Wirtschaftskrise

Anschließend wurde der Staatsminister konkreter. Die Finanz- und Wirtschaftskrise habe Konsequenzen, die weit über diese Bereiche hinausreichen. Die Menschen hätten das Vertrauen in das Wirtschafts- und Sozialmodell verloren, der Zukunftsgeist werde gelähmt, die Zukunftslust gebremst.

„Zu lange haben wir uns auf die Kräfte des Marktes verlassen“, so Juncker weiter. Der Markt produziere allerdings keine Solidarität: Hierzu gehöre neben Markteffizienz auch ein zielorientierter staatlicher Organisations- und Umverteilungszugriff. Die aktuelle Krise sei die schlimmste seit 1929 und Luxemburg bekomme die Auswirkungen voll zu spüren. In den Jahren 2008 und 2009 habe das Land fast sechs Prozent seiner ökonomischen Kraft verloren. 2010 werde die Wirtschaft voraussichtlich wieder leicht wachsen und ab 2012 werde sie an Stärke gewinnen; allerdings sei die Situation auch dann noch nicht zum „Bäume ausreißen“.

Für die aktuellen Probleme stünden keine Patentlösungen bereit, so der Staatsminister, der für das laufende und das kommende Jahr hohe Haushaltsdefizite ankündigt.
Bis 2014 müsste die Staatsschuld wohl um zwölf Milliarden Euro wachsen. Die jährliche Zinslast betrage dann 427 Millionen Euro (entgegen 14 Millionen heute). Neue politische Akzente wären bei dem Szenario dann nicht mehr möglich.

Stichwort Finanzvorbehalt

Genaues über die weitere Entwicklung wisse zwar niemand, klar sei aber, dass die nächsten Jahre schwierig werden. Die Regierung sei denn auch fest entschlossen, die Gesamtfinanzen des Staates im Gleichgewicht zu halten, was bedeute, dass unkontrollierte Staatsverschuldung rechtzeitig gestoppt werde. Wir dürften keine Generation von „Scholdemécher“ werden. Es werde zwar kein radikaler (und kontraproduktiver) Sparkurs gefahren, die Konjunkturpakete würden umgesetzt; allerdings müssten beim Haushalt 2010 alle Sparpotenziale genutzt werden. Ende 2010 falle dann die Entscheidung über das weitere Vorgehen.
In der ersten Hälfte der Legislaturperiode würden jedenfalls keine Entscheidungen getroffen, die substanzielle Steigerungen der Ausgaben implizierten, wie etwa die Gehälterreform beim öffentlichen Dienst und die vorgesehene Gratisbetreuung von Kindern.

Politik an Gesellschaft anpassen

Es gelte jetzt, so Juncker, die Voraussetzungen zu schaffen, um nach der Krise stärker zu sein.
Anschließend ging er auf eine ganze Reihe von Projekten in den verschiedenen Bereichen für die kommenden fünf Jahre ein (vergl. blauen Kasten auf voriger Seite). Interessant war darüber hinaus seine Stellungnahme zu den Renten. Das Prinzip des Generationenvertrages gelte weiterhin ohne wenn und aber.

Juncker philosophierte weiter über die Begriffe sozial, unsozial, Sozialabbau und Sozialumbau, ohne allerdings weiter konkret zu werden in Sachen Renten. Nachdem er die arbeitsrechtlichen Fortschritte im Regierungsprogramm unterstrichen hatte, ging er auf die familienpolitischen Neuerungen (Homo-Ehe, Abtreibungsrecht, Wahlgesetz) ein, die er mit Harmonisierungsanstrengungen der Politik an die Realitäten der Gesellschaft erklärte.

Schließlich kündigte er an, die Förderung der Presse bleibe in der einen oder anderen Form bestehen, und ging auf die Idee ein, Jugendlichen künftig eine kostenlose Zeitung zur Verfügung zu stellen. Lesen sei der beste Weg zur Kultur, so der Staatsminister. Heute werden die Abgeordneten Gelegenheit haben, ihre Stellungnahmen zur Regierungserklärung auf der Kammertribüne zu formulieren.