Montag10. November 2025

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Juncker bestätigt Sparkurs

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LUXEMBURG - Premierminister Jean-Claude Juncker hat am Dienstag im Parlament versucht, die Vorwürfe zu entkräften, die Regierung betreibe eine Austeritätspolitik. Er bestätigte die geplanten Kürzungen und Steuererhöhungen.

Die öffentlichen Finanzen sind seit 2009 nicht mehr im Gleichgewicht. Das hat Premierminister Jean-Claude Juncker am Dienstag gesagt. 2009 verzeichnete der Gesamtstaat ein Defizit von 0,8 Prozent, 2010 von 0,9 Prozent und 2011 von 0,6 Prozent. Der Zentralstaat hingegen wies in den drei letzten Jahren ein Defizit von jeweils 2,6, 2,6 und 2,4 Prozent. Man sei da nicht weit von einer Katastrophe entfernt, so Juncker. Die Ausgaben wachsen schneller als die Einnahmen. Die Kommentatoren, die behaupten man habe keine Probleme, sollten sich diese Zahlen vor Augen führen, unterstrich der Regierungschef an die Adresse unter anderem der Gewerkschaften.

Reaktionen
Dem Dachverband der Luxemburger Unternehmen UEL reichen die von der Regierung vorgeschlagenen Ausgabenkürzungen nicht. Zusätzliche Anstrengungen seien bei den staatlichen Ausgaben notwendig, um die Kaufkraft der Haushalte und die Kompetitivität der Unternehmen nicht weiter zu belasten, so die UEL. Sämtliche Sozialtransfers sollten durchleuchtet werden. Geprüft werden müsste, ob sie gerechtfertigt sind. Auch sollten sie nach neu zu definierenden Kriterien orientiert werden.
Insgesamt vermisst die UEL eine zuhängende globale Vision für Luxemburg und konkrete und mutige Reformvorschläge um diese Vision umzusetzen.

Das vom Finanzminister und anschließend vom Premierminister der CSV/LSAP-Regierung in seiner Rede zur Lage des Landes verkündete neue Sparpaket, wird die Kaufkraft der Schaffenden und Rentner weiter senken, heißt es seitens der KPL. Diese Maßnahmen seien kein Beitrag zur Lösung der Krise, sondern der Ausdruck einer Politik, welche darin besteht, die arbeitenden Menschen und Rentner weiter für eine Krise bezahlen zu lassen, die vom Groß- und Finanzkapital und ihren politischen Wasserträgern verantwortet wird.

Der Staat müsse seine Konsumkosten reduzieren, so Juncker. Allein durch das Index-Gesetz über die Verschiebung der Ausbezahlung der Indextranchen auf jeweils Oktober der kommenden Jahre spare der Staat knapp 30 Millionen Euro an Personalkosten. Reduzieren will der Staat die Kosten für Materialausstattung. In diesem Zusammenhang wies Juncker auch auf die vor kurzem beschlossene Verschiebung des Gehälterabkommens im öffentlichen Dienst hin.

Kein öffentliches Geld für Stadion

Sparen will der Staat auch im Investitionsbereich, auch wenn das Investitionsniveau hoch bleiben wird. Geplant sind jährlich 1,8 Milliarden Euro. Das sind 400 Millionen Euro mehr als im Krisenjahr 2009, so Juncker. So werde insbesondere auf den Verteilerkreis in Liwingen verzichtet. Öffentliche Gelder für ein neues Fussballstadion werde es nicht geben. Für die Straßenbauverwaltung und den Zoll gebe keine neuen Lager bzw. Zentren.

Nicht gespart werden soll hingegen am öffentlichen Verkehrsnetz. So werde u.a. die zweite Bahnstrecke Luxemburg-Bettemburg und die Gleisverdoppelung Luxemburg-Petingen realisiert.

Gegen den Investitionsstau

Angesichts der häufigen Klagen von Unternehmen und Gemeinden über unzulässig lange Prozeduren bei der Genehmigung von Investitionsvorhaben schlug Juncker für Herbst ein Rundtischgespräch mit allen betroffenen Seiten. Dort solle geklärt, wo und warum Investitionstätigkeiten gebremst würden. Entsprechende Gesetzesänderungen sollten dann folgen, um den Investitionsstau zu beseitigen.

Als neues Standbein der Luxemburger Wirtschaft soll die IT- und Kommunikationsbranche ausgebaut werden. Bereits heute stelle dieser Bereich rund 1.000 Stellen, so Juncker. Die Einnahmen aus diesen Unternehmen würde in den nächsten Jahren jene Ausfälle mitkompensieren, die durch den Wegfall der Steuereinnahmen aus dem E-Commerce entstehen. Luxemburg habe in den letzten Jahren enorm in den Ausbau der Datenautobahnen und dem Errichten von performanten Datenzentren gearbeitet.

Sondersteuer auf leerstehende Wohnungen

Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt beschäftigte Juncker auch dieses Jahr. Neubauten würden in ausreichendem Maße errichtet. Nicht normal sei jedoch der große Leerstand. Die Gemeinden müssten Sondersteuern auf leerstehende Wohnungen erheben. Das Gesetz sehe derlei Möglichkeit vor. Im Herbst wolle das Innenministerium den Gemeinden einen entsprechenden Leitfaden vorlegen, betonte Juncker. In diesem Zusammenhang wetterte der Regierungschefs gegen die zu hohen Ansprüche von Immobilienverkäufern in Luxemburg. Quasi jeder Luxemburger Hausverkäufer seizum kleinen Kapitalisten geworden, so ein verärgerter Premierminister.

Einkommensschwachen Haushalten setzte Juncker einen Mietzuschuss in Aussicht. So soll eine allerziehende Person mit zwei Kindern, deren Einkommen monatlich 2.600 Euro nicht übersteigt, rund 106 Euro monatlich bekommen. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt ohne Kinder, Einkommen bis 2.420 Euro, wären es 100 Euro und
bei einem Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern mit einem Einkommen bis 3.400 Euro 139 Euro. Insgesamt sollen 15 Millionen Euro bereitgestellt werden.

Mindestlohn wird 2013 angepasst

Eine weitere positive Ankündigung hielt Juncker für die Mindestlohnbezieher bereit. Ihr Gehalt wird am 1.1.2013 angehoben. Unverständnis äußerte er bezüglich der Forderungen aus Patronatskreise, den Mindestlohn abzuschaffen. Derlei Forderungen kämen ausgerechnet von Personen, die ein Vielfaches des Mindestlohnes einstecken würden.
Leer ausgehen werden hingegen die Rentner. deren Renten zu Jahresbeginn nicht angepasst werden.

Eine weitere Breitseite gegen das Patronat gab es bezüglich der Vorruhestandsregelungen. Der Dachverband UEL fordere das Abschaffen der Vorruhestandsregelung. Andererseits forderten einzelne Betriebschef, der Staat möge die Frühverrentung mitfinanzieren. So etwa der Stahlkonzern ArcelorMittal. Allein für dieses Unternehmen zahle der Staat 55 Millionen Euro, obwohl das Unternehmen international Gewinne einstecke. Als Gegenleistung forderte Juncker die Bereistellung von freistehendem Gelände. Hier könnten Gewerbe- und Wohnungsbauzonen entstehen.

Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer

Der Regierungschef bestätigte die bereits zuvor von Finanzminister Luc Frieden angekündigten Steuererhöhungen. So wird die Solidaritätssteuer für Privathaushalte von derzeit 4 auf 6 Prozent angehoben, bei den Betrieben von 5 auf 7 Prozent. Bei einem Jahreseinkommen von mehr als 150.000 Euro jährlich steigt die Solidaritätssteuer auf 8 Prozent. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt sind es 300.000 Euro. Erstmals werden auch die Gemeinden eine Solidaritätssteuer von 2 Prozent entrichten müssen. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer schloss Juncker in dieser Legislaturperiode aus. Verzichtet wird auch auf die Wiedereinführung der Krisensteuer.

Durch die Anhebung der Solidaritätssteuer steige der Spitzensteuersatz de facto von derzeit 39 auf 42,12 Prozent an, so Juncker.

Das Land setze nach wie vor auf Solidarität insbesondere gegenüber Arbeitslosen und Minderbemittelten, betonte Juncker. Er stellte jedoch eine Reform der Gesetzgebung über das Mindesteinkommen (RMG) in Aussicht. Strenger vorgehen wolle man auch gegen Stellensuchende, die lieber Stütze beziehen, als eine neue Stelle anzunehmen.

Playdoyer für Europa

Mit einem Playdoyer für Europa und der Bedeutung der EU für Luxemburg hatte Premierminister Jean-Claude Juncker die Erklärung zur Lage des Landes eröffnet. Luxemburg müsse sich weiter öffnen, betonte er. Das Kapital stamme heute aus den neuen Wachstumsregionen. Man müsse akzeptieren, dass dieses Kapital zu uns komme, meinte er unter Anspielung auf Kritiken bezüglich der Investitionstätigkeit des Katars in Luxemburg.

Öffentliche Finanzen konsolidieren

Die EU-Länder und insbesondere Luxemburg müssten ihre öffentlichen Finanzen konsolidieren und sanieren. Es gebe keine Alternative zur Konsolidierung in Europa. Der Sparkurs sei richtig. Jeder andere Weg sei ein Weg in das absolute Chaos. Juncker wies auf sichtbare Fortschritte insbesondere in Portugal und Irland.

Sparen allein reiche jedoch nicht, betonte Juncker und verwies auf die letzten Diskussionen in der Eurogruppe über neue Wachstumsinitiativen für Europa. Wachsum soll auch durch öffentliche Mittel gefördert werden. So sprach Juncker sich für eine Kapitalaufstockung der Europäischen Investitionsbank und anderer Investitionsfonds der EU aus. Auch Euro-Obligationen könnten zu Wachstumsförderung beitragen. Er freue sich auf seine Gespräche mit dem neuen französischen Präsidenten Fr. Hollande kommende Woche, so Juncker. Diesbezüglich gebe es keine Meinungsverschiedenenheiten.

Keine Transaktionssteuer

Die Hoffnungen auf eine Finanztransaktionssteuer hat Juncker hingegen aufgegeben. Sie sei weder in der EU noch auf anderen internationalen Ebenen durchzusetzen, betonte. Dennoch müsse die Finanzindustrie an der Bewältigung der Folgen der Finanzkrise herangezogen werden. Schließlich sei die Geldgier der Finanzindustrie für die aktuelle Situation verantwortlich.

Mit Spannung war die Rede erwartet worden, nachdem Finanzminister Luc Frieden vor zehn Tagen bekanntgegeben hatte, in welchen Bereichen die Regierung die Staatsausgaben kürzen und die Steuer anheben wolle. Bekannt wurde dabei unter anderem, dass der Staat auf einige Investitionsvorhaben etwa für die Uni Lëtzebuerg und im Straßenbau verzichten wolle, die Dienstleistungsschecks reformiert würden. Verschwinden soll die Autoprämie Car e. Angehoben werden sollen die Akzisen auf Tabak und Treibstoffe, um gleich zwei Prozentpunkte die Solidaritätssteuer.

Am Mittwoch äußern sich die Abgeordneten zur Erklärung.