SerieHistorisches und architektonisches Esch (42): Kaufhaus Belle Jardinière

Serie / Historisches und architektonisches Esch (42): Kaufhaus Belle Jardinière
Das Kaufhaus Belle Jardinière, heute MS Mode Foto: Christof Weber, 2015

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Im Jahr 1921 war es das erste echte Kaufhaus der Stadt Esch, das in der rue de la Poste 1 (heute MS Mode, 43-49, rue de l’Alzette, an der Ecke zur avenue de la Gare) eröffnete. Es nahm den Namen des ersten Pariser Kaufhauses an, Belle Jardinière, das ein Jahrhundert zuvor, 1824, am Seineufer eröffnet worden war.

Es wurde für den aus Oldenzaal (Niederlande) stammenden Kaufmann Lodewijk Müller gebaut, der 20 Jahre zuvor mit seinem Bruder Eduard das Warenhaus Monopol an der Ecke place de l’Hôtel de Ville – rue de l’Alzette eröffnet hatte. Die Pläne für das neue Gebäude wurden von den Architekten Georges Stoves und Gust Schopen entworfen. Es war auch das erste in Esch gebaute Geschäftshaus mit einer Betonfassade.

Auf der Seite der rue de la Poste verfügt das Gebäude über acht durch Pilaster getrennte Achsen mit dreiteiligen Fenstern und auf der Seite der avenue de la Gare über drei Achsen, deren mittlerer Teil erhöht ist und vierteilige Fenster aufweist. Die Fassade ist durch leichte Vorsprünge unterbrochen. Die Pläne von Stoves und Schopen enthielten eine Reihe von dekorativen Elementen wie dreieckige Giebel über den Erkern im dritten Stock. Es wurden jedoch lediglich Fenster mit geometrischer Unterteilung, darunter auch die an der Ecke mit einem kleinen Dach, sowie ein Balkon mit Balustraden am Eingang in der rue de l’Alzette und im dritten Obergeschoss errichtet. Die meisten dieser dekorativen Details wurden jedoch bereits in den 1930er-Jahren zugunsten der Einheitlichkeit der Fassade entfernt. Im Inneren befand sich eine monumentale, von einem Glasdach erhellte Treppe.

Bereits in den 1920er-Jahren wurde das Geschäft an zwei Ladenbesitzer vermietet. Der größte Teil (Nummern 43 bis 47) wurde an Adolphe Seligmann (1880-1971) aus Eberbach (Baden-Württemberg) und seine Frau Jeanne Salomon (1881-1962), geboren in Luxemburg, vermietet, die dort ein Damenbekleidungsgeschäft einrichteten. An den Nummern 49 bis 51 befand sich das Schuhgeschäft von Jacques Nussbaum.

Wie die anderen jüdischen Kaufleute in Esch wurden diese Familien während des Krieges Opfer der Nazi-Verfolgung und hatten unterschiedliche Schicksale. Adolphe Seligmann und seine Frau, die nach dem Ende der Evakuierung im August 1940 nach Luxemburg zurückgekehrt waren, wurden im November 1940 mit einem der ersten Transporte nach Bayonne aus Luxemburg ausgewiesen und fanden nach einer Odyssee, die sie unter anderem nach Barcelona und Kuba führte, in New York Asyl. Ihr Sohn Alfred Seligmann (1906-1982), seine Frau Hilde Haurwitz (1915-2002) und ihr Sohn André, geboren 1938, durchquerten nach der Evakuierung am 10. Mai 1940 mit anderen luxemburgischen jüdischen Familien wie den Sternbergs aus Luxemburg-Stadt Frankreich: Paris, Palavas-les-Flots, Langogne, Perpignan. Von dort aus konnten sie mithilfe eines lothringischen Schleusers die Grenze nach Spanien überqueren. Von Figueras aus erreichten sie Barcelona, dann Madrid und Gibraltar, wo Alfred zusammen mit anderen Luxemburgern in die britische Armee eintrat. Schließlich dienten er und seine Frau der luxemburgischen Regierung im Exil in London.

Jacques Nussbaum gelang es, aus Südfrankreich in die Schweiz zu fliehen, wo er bis Kriegsende Zuflucht fand. Die Besitzer der Belle Jardinière, Lodewyck Müller, geboren 1873, und Josephine Cahn, geboren 1892, wurden mit dem ersten Deportationskonvoi, der am 16. Oktober 1941 Luxemburg verließ, aus dem Ghetto Fünfbrunnen in das Ghetto Litzmannstadt deportiert und ermordet. Ihr Sohn, Bernard-Léon, genannt Bob Müller (1917-1969), gelangte im Oktober 1940 nach England und trat in die belgische Armee ein (1. belgische Füsiliere).

Das Kaufhaus Belle Jardinière wurde während der Nazi-Okkupation sequestriert und vom „Escher Modehaus“ übernommen, bevor es zum Sitz der Kreisleitung wurde. Die Villa der Seligmanns in der rue Emile Mayrisch 34 wurde ebenfalls beschlagnahmt und diente von 1940 bis 1942 als Escher Gestapo-Hauptquartier und dann als Wohnhaus des Kreisleiters Wilhelm Diehl (1889-1965). Nach ihrer Rückkehr aus dem Exil 1945 konnten Adolphe Seligmann und Jacques Nussbaum ihren Laden nicht sofort wieder übernehmen, da die Amerikaner jetzt dort ihr Hauptquartier eingerichtet hatten.

La Belle Jardinière wurde nach dem Krieg zu einer Institution nicht nur für Escher Kunden. In den 1950er-Jahren wurde das Gebäude von Bob Müller an Adolphe Seligmann und Jacques Nussbaum verkauft. Während Sohn Alfred Seligmann 1948 das Nouveau Paris in Luxemburg-Stadt übernahm, führte Enkel André das Bekleidungsgeschäft in Esch nach Adolphes Tod bis 1983 weiter.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Ecke der rue de l’Alzette und der avenue de la Gare ein architektonisches Symbol für den Veränderungsdruck und den Zwang zur Modernität darstellt, der auf die Ladenbesitzer der ersten beiden Blöcke der rue de l’Alzette ausgeübt wurde. An dieser Ecke findet man Gebäude, die repräsentativ für ein halbes Jahrhundert der Entwicklung der Architekturstile sind: historistisch für das 1909 erbaute Gebäude der Banque Générale, Art déco für die Belle Jardinière, modernistisch in den 1950er-Jahren für die Gebäude der Kaufleute Thoma und Cahen.

Brandenbourger
3. Juni 2020 - 17.24

Mein Gott, wie hässlich! Sieht aus wie Russland, irgendwie. Da gibt's Häuser aus demselben Jahr die sind wenigsten schön, ob Jugendstil oder nicht, aber das da? Aber wie's aussieht haben wir bald alle grässlichen Monopol, Rosenstiel, Renommée Buden unter Denkmalschutz, von Hochöfen (sic) ganz zu schweigen. Werden denn wenigstens auch alle Lokomotiven und Züge unter Denkmalschutz gestellt, oder nur eine oder zwei?