Donnerstag23. Oktober 2025

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Große Veränderungen in kleinen Schritten

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Vor rund sieben Jahren wurde mit den Vorbereitungen eines Masterplanes zur Aufwertung des Bahnhofsviertels begonnen. 2005 gewann ein deutsch-französisches Konsortium eine internationale Ausschreibung zur Neugestaltung des fast 30 Hektar großen Areals.

Thierry Klein 

 
Prunkstück soll eine imposante Dachkonstruktion sein, die vom „Carré Rotondes“ bis zur Büchler-Brücke reichen soll. Wir fragten uns, was sich bisher getan hat und wie die Stadt Luxemburg das Projekt „Luxembourg Central“ sieht.

Das ehrgeizige Projekt umfasst drei Hauptakteure: die Stadt Luxemburg, die CFL und via die Eisenbahn den luxemburgischen Staat. Zudem kamen einige private Promoteure hinzu, die in den Bau neuer Wohnungen oder Büros investierten.

„Ein nicht unwesentlicher Teil des zu verändernden Areals gehört dem Staat oder den CFL“, erklärt Laurent Schwaller, Architekt beim hauptstädtischen „Service de l’urbanisme“ und Mitinitiator des Projektes. Deshalb müssen Verhandlungen geführt werden, um die Arbeiten miteinander abzustimmen.

Die Verantwortlichen haben sich von Anfang an kein Zeitlimit gesetzt, an dem erste konkrete Resultate zu sehen sein sollen. Man plane in großen Maßstäben, die den Unsicherheiten bei solchen Vorhaben Rechnung tragen. „Unsere Visionen sind tiefgreifend und bedürfen viel Zeit, um nach und nach in die Realität umgesetzt zu werden“, ergänzt Laurent Schwaller. Die Ziele seien klar definiert: eine Verbindung zwischen dem Bahnhof und dem Viertel Bonneweg solle geschaffen werden, das Image der Gegend um den Bahnhof generell verbessert werden, mehr Fläche für Zugreisende entstehen, Bündelung der auf verschiedene Stellen verstreuten Busbahnhöfe, Begrünung des Areals sowie auch bessere Parkmöglichkeiten.

Eine kühne Konstruktion

„Wir rechnen mit einer Projektdauer von etwa 15 bis 20 Jahren“, dämpft Sonja Gengler, Abteilungsleiterin der Division „Urbanisme et développement urbain“ den Enthusiasmus derer, die mit sofortigen Veränderungen gerechnet haben. Die konkreten Pläne für die Umgestaltungen seien auch noch nicht alle unter Dach und Fach. Man wolle letzten Endes weniger Beton, weniger unter freiem Himmel liegende Gleise, mehr Anlagen zur Freizeitgestaltung der Bürger. Zurzeit sind die Arbeiten im Inneren des Bahnhofes in vollem Gange, die Zugänge zu den Bahnsteigen werden größer und freundlicher gestaltet, die Fortbewegung der Passagiere dank Laufbändern für das Gepäck und Rolltreppen verbessert.

Der Zugverkehr werde durch die Arbeiten nicht oder kaum beeinträchtigt: Die Stahlträger für die Dachkonstruktion sollen nachts montiert werden und alles, was die Schienen betrifft, dann durchgeführt werden, wenn am wenigsten Zugverkehr herrscht.

Die Dachkonstruktion, die „identitätsstiftend für das gesamte Viertel wirken soll“, so Laurent Schwaller, wird größtenteils aus Stahl bestehen und wird sich auf nur wenige Stützen aufbauen. Auf einer Fläche von acht Hektar, umsäumt von Bäumen und Wiesen, sollen die Menschen dann verweilen, spazieren, sich amüsieren und entspannen können. Viele Durchgänge, die auch lichtdurchlässig sind, sollen zu den ein Stockwerk tiefer gelegenen Gleisen führen. Die viel befahrene „Rocade“ soll dann ganz einfach mittels Dachkonstruktion von Fußgängern überquert werden können. Stück für Stück wird diese neue „grüne Lunge“ des dicht bebauten Bahnhofsviertels in den nächsten Jahren Gestalt annehmen, sagt Laurent Schwaller.

Wann genau mit den Arbeiten begonnen werden könne, sei noch nicht ganz klar, genauso wenig wie die dafür anfallenden Kosten. Die Aufteilung der Finanzierung indes steht fest: Die Promotoren, die im dann aufgewerteten Viertel investieren wollen oder dies schon getan haben, die Stadt Luxemburg, der Luxemburger Staat und die nationale Eisenbahngesellschaft werden Geld dafür lockermachen müssen. Die Machbarkeit der überspannenden Stahlkonstruktion wurde bereits von einem interdisziplinären Team positiv bewertet.

Die Häuserzeile gegenüber dem Bahnhofsgebäude soll zum Teil abgerissen und durch neue Konstruktionen ersetzt werden. Das alte Gebäude des bekannten Hotel „Ems“ wurde bereits dem Erdboden gleichgemacht. Hier hat ein privater Promoter sein Interesse bekundet und plant die Errichtung neuer Gebäude mit gemischter Nutzung: Büros, Geschäfte und Wohnungen. „Die Bereitschaft von privaten Investoren, an die Zukunft des Viertels zu glauben, zeigt, dass unsere Strategie des langfristigen Aufwertens erste Früchte trägt“, freut sich Sonja Gengler, zuständig für den Bereich „Urbanismus“ der Hauptstadt. Der derzeit noch bestehende Busbahnhof werde in absehbarer Zeit verschwinden, da die engen Bussteige für die Aufnahme einer großen Menschenmenge nicht geeignet seien.

Insgesamt ist vorgesehen, dass an den Rändern der Dachkonstruktion mit Parkanlage neue, attraktive Baugrundstücke entstehen, die sowohl neue Einwohner als auch neue Geschäfte und Gewerbezweige anlocken sollen und so mitprägend im Wandel des Viertels sind.

Ob nun mehr Wohnungen, Geschäfte oder Büros aus dem Boden wachsen werden, hänge ganz von der Nachfrage sowohl der privaten als auch der öffentlichen Hand ab, so Sonja Gengler. Maximal sind jeweils 199.000 Quadratmeter Büroflächen, 144.000 für Wohnungen und 73.600 für Geschäfte, einberechnet. Auch an das kulturelle Angebot werde gedacht: Ein Kino und ein oder mehrere Kongresszentren sollen im Bahnhofsviertel Fuß fassen. Auch seien weitere Hotels willkommen. Zurzeit sei all dies noch Zukunftsmusik, doch die Weichen zur Verwirklichung eines modernen und lebenswerten Bahnhofsviertels seien gestellt, so die Verantwortlichen für Stadtentwicklung.

„Natürlich ist es nicht zu vermeiden, dass die anstehenden Arbeiten eine Auswirkung auf die Lebensqualität der Menschen im Viertel haben werden. Wir versuchen, die Toleranzgrenze der Bürger auszuloten und diese auch nicht zu überschreiten“, verspricht Architekt Laurent Schwaller. Viele Arbeiten sollen nachts stattfinden.

Vielfalt des Viertels hervorheben

„Einen wichtigen Aspekt der zu erwartenden Umwälzungen sollen wir aber nicht außer Acht lassen: die soziale Komponente“, mahnt Sonja Gengler. In der Tat, der strukturelle Umschwung des Bahnhofsviertels zielt auch darauf ab, die etwas negativeren Seiten des Bahnhofsumfelds zu reduzieren. Drogenkonsum und -handel oder Prostitution werden durch das neue Aussehen des Viertels wohl nicht ganz verschwinden, könnten aber in ihren schlimmsten Auswüchsen zurückgestuft werden. Mit einem Zuwachs an Einwohnern, Geschäften und Freizeitangeboten soll die Vielfalt des Viertels vertieft werden und eventuell auftretende soziale Konflikte erst gar nicht zur Entfaltung kommen. Die Weiterentwicklung des Viertels komme schließlich auch den hier lebenden Menschen zugute.

„Mit einen schöneren und größeren Hauptbahnhof gibt sich die Stadt Luxemburg ein neues Markenzeichen, das auch bei ausländischen Gästen gut ankommen dürfte“, hofft Laurent Schwaller. Kollegin Sonja Gengler urteilt, dass es gut sei, dass der Staat nach dem Ausbau und der Modernisierung des Flughafens nun auch auf einen besucherfreundlichen und zukunftsorientierten Bahnhof in der Hauptstadt setze. Dies sei für den Standort insgesamt notwendig.

Die Tram ist übrigens im Projekt „Luxembourg Central“ eine Komponente, mit der für die neuen Strukturen geworben wird: Der Zusammenschluss und fließende Übergang von Bus, Bahn und Tram kann an diesem Punkt realisiert werden.

Auf die Frage, ob die urbanistischen Planer der Hauptstadt mit dem Fortgang der Veränderungen zufrieden seien, antwortet Laurent Schwaller: „Natürlich möchte man, dass es schneller ginge, doch angesichts der Komplexität des Vorhabens kann man schon seine Genugtuung zum Ausdruck bringen.“