Georges Wagner: Kontinuität in Jahren der Schnelllebigkeit

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Fast 40 Jahre Dirigent bei derselben Harmonie. 40 Jahre gespickt mit Erfolgen im In- wie im Ausland, mit Pionier taten wie der Aufnahme von Schallplatten – all dies zusammen ergibt 40 Jahre Hingabe für ein und dieselbe Sache: die Musik. Doch irgendwann kommt immer die Zeit, Abschied zu nehmen. Für Georges Wagner, Dirigent der „Harmonie...


Armand Back

Tageblatt: 2001 haben Sie Ihr 100. Konzert mit der „Harmonie municipale de la ville d’Esch-sur-Alzette“ gespielt. An diesem Wochenende sind die letzten an der Reihe – wissen Sie, wie viele es mittlerweile geworden sind?

Georges Wagner: „Oh, das weiß ich gar nicht so genau. Es waren aber gut und gerne 150 Gala-Konzerte, mindestens.“

„T“: Sie haben auch bei der Militärmusik im Kammermusikorchester gespielt und von 1964 bis 1971 beim RTL-Symphonieorchester. Vor allem bei den Konzerten am großherzoglichen Hof waren doch Gäste von Rang und Namen zugegen. Ist irgendeiner besonders hängen geblieben?

G.W.: „Schwer zu sagen, es waren viele. Aber wenn ich einen herauspicken müsste, dann wäre es die holländische Königin, also Beatrix. Aber auch bei diesem Auftritt ist alles so gelaufen wie geplant.“

Dirigent als Psychologe?

„T“: Als Dirigent haben Sie Ihre Harmonie zu vielen Auftritten und Wettbewerben im Ausland geführt. Ihre Musiker sind aber keine Profis, den ganz großen Druck also vielleicht nicht gewöhnt. Muss der Dirigent da nicht auch Psychologe sein? Oder anders gefragt: Wie haben Sie die Nervosität und den Druck herausgenommen?

G.W.: „Ein bisschen Psychologe muss man da schon sein, das ist richtig. Vor allem darf man selber keine Nervosität ausstrahlen, sondern Sicherheit. Immer über dem Ganzen stehen – das gibt den anderen dann auch Sicherheit. Ein guter Dirigent muss klar machen, was er vorhat und wie er an ein Konzert herangehen will. Aber ohne gute Musiker nützt auch die beste Ausstrahlung wenig. Und gute Musiker hatte ich in Esch immer. Es waren zwar Amateure, doch viele hatten – oder haben – das nötige Talent zum Profi, haben dann aber einen anderen Lebensentwurf gewählt.“

„T“: Sie waren in Luxemburg einer der Ersten, der mit einer Harmonie Aufnahmen für Schallplatten gemacht hat. Wie kam es dazu?

G.W.: „Die Militärmusik war die Erste, die eine Schallplatte herausbrachte. Da habe ich mir gedacht: ’Das kannst du auch mit den Eschern machen.‘ Also haben wir es gemacht.“

„T“: Und das nicht gerade ohne Erfolg, oder?

G.W.: „Sogar mit großem Erfolg. Immerhin bekamen wir eine Goldene Schallplatte.“

„T“: Und wie hoch war die Auflage der Schallplatten, wer hat sie produziert?

G.W.: „Mit der Auflage bin ich mir nicht mehr so sicher, es war aber, glaube ich, für unsere erste von fünf Schallplatten eine Pressung von 2.500 Exemplaren – und die haben sich, wie bereits gesagt, sehr gut verkauft. Der Produzent damals war, wir sprechen ja hier von den 1970er Jahren, Gilbert Felgen; der hatte damals auch einen Schallplattenladen in Luxemburg-Stadt.“

„T“: Eine etwas persönlichere Frage: Haben Sie ein liebstes Musikstück, eines, wo quasi mit den ersten Noten die Gänsehaut kommt?

G.W.: „Eigentlich nicht, es muss gute Musik sein. Und damit ich Musik gut finde, sollte sie symphonisch sein. U-Musik gefällt mir meist weniger gut. Mein letztes Konzert an diesem Wochenende spiegelt eigentlich meinen Musikgeschmack: Ich liebe Opern, dabei vor allem die Klassiker wie Puccini, Verdi, Mozart.“

Rap! Das geht wirklich nicht

„T“: Und was geht gar nicht?

G.W.: „Rap! Beim besten Willen, das geht wirklich nicht. Ich bin halt Symphoniker, Rap ist nur Rhythmus. Also für mich ist das nichts. Auch U-Musik, damit sie mir gefällt, muss einen symphonischen Klang haben. Ich habe ja auch viele Arrangements geschrieben, darunter auch für Unterhaltungs-Musik, aber der symphonische Touch war dabei immer herauszuhören.“

„T“: Okay, Rap ist also nicht Ihr Ding. Haben Sie denn noch musikalische Wünsche? Gibt es ein Musikstück, das Sie noch einmal in einer Live-Aufführung sehen wollen? Oder ein Konzerthaus, das Sie betreten wollen?

G.W.: „Eigentlich nicht. Oder doch: Bayreuth nächstes Jahr, endlich mal Zeit für Bayreuth zu haben, das wäre eine schöne Sache. Und dann gehe ich auch liebend gerne in die Philharmonie, immer dann, wenn die großen Orchester zu Gast sind. Und bald, wenn keine Proben mehr sind, werde ich hierzu ja mehr Zeit haben.“

„T“: Und was die Konzerthäuser angeht, spielen die beispielsweise bei der Urlaubsplanung eine Rolle?

G.W.: (lacht) „Nein, für den Urlaub spielen eher die Temperaturen eine Rolle, da sollte es warm sein. Wenn sich allerdings die Gelegenheit ergibt, wieso nicht. Aber die Musik ist bei mir ja auch teilweise wie arbeiten, und Urlaub sollte Urlaub bleiben.“

„T“: Und jetzt, so kurz vor dem letzten Konzert, wie ist Ihre Gefühlslage, wird ein Dirigent, der vier Jahrzehnte den Taktstock schwang, da noch einmal nervös?

G.W.: „Eher nicht, ich werde versuchen, es so gut wie möglich zu machen – wie immer eben. Und für Gefühle bleibt einfach nicht genug Zeit. Die werden dann wohl nächste Woche kommen.“

„T“: Nächste Woche beginnt ja für die Harmonie auch eine neue Epoche, nach vier Jahrzehnten unter dem Dirigenten Georges Wagner. Wie sehen Sie denn die Zukunft der Harmonie?

G.W.: „Da bin ich sehr, sehr zuversichtlich. Unsere Musiker haben sich in einer großen Mehrheit für David Reiland als Nachfolger entschieden – und das ist schon einmal sehr gut, das gibt Sicherheit. David ist ja auch ein guter Mann. Vor allem ein Mann im richtigen Alter, 31 ist er jetzt; und die war ich auch, als ich die Harmonie übernommen habe. Wenn da nichts Gravierendes dazwischenkommt, wird es mit David und der Harmonie hervorragend klappen. Und, wer weiß, vielleicht wird er der Harmonie ja auch 40 Jahre vorstehen.“

„T“: Zurück zu Ihnen, werden Sie der luxemburgischen Musikszene aktiv erhalten bleiben?

G.W.: „Das weiß man nie so genau. Aber ich bin ja noch Dirigent beim ’Orchestre symphonique Le Cercle‘ in Rümelingen und bei der Mamer Luxsymphonia aktiv.“

„T“: Nach so vielen Jahren gehört Ihnen natürlich das Schlusswort. Gibt es jemanden, dem sie besonders zu Dank verpflichtet sind?

G.W.: „Da gibt es sogar ganz viele. Angefangen bei den Verantwortlichen der Escher Gemeinde, allen voran Bürgermeisterin Lydia Mutsch. Dann natürlich noch unser Präsident Edouard Koch und das ganze Komitee. Und vor allem die Musiker, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Aber auch dem Publikum, das immer so zahlreich erschienen ist, will ich danken. Und zu guter Letzt auch der Presse, Sie wissen gar nicht, wie wichtig Sie für uns sind, also: auch ein großer Dank an die Presse.“