Freitag24. Oktober 2025

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Falsche Angaben – gewünschtes Resultat

Falsche Angaben – gewünschtes Resultat
(Tageblatt/Christian Muller)

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Auf der offiziellen Liste der Steuerparadiese, die Frankreich erstellt, steht Luxemburg nicht. Auch auf der "grauen Liste" der OECD steht Luxemburg nicht mehr.

Dennoch zählt Luxemburg für Frankreich auch weiterhin zum „harten Kern“ der „Offshore-Finanzzentren“. Das geht aus einem Bericht des „Centre d’analyse stratégique“ von Mai 2011 hervor. Die Denkfabrik soll die französische Politik beraten.

Der harte Kern, das sind Länder, in denen keine Steuern erhoben werden, schreibt Caroline Le Moign, Autorin der Studie „Centres financiers offshore et système bancaire fantôme“. Hierzu zählt die französische Expertin das Großherzogtum Luxemburg.

Dass in Luxemburg Steuern gezahlt werden, ist der Autorin dennoch bekannt, schließlich schreibt sie am Ende ihrer Studie in einer Tabelle, Luxemburg habe eine „imposition classique“. Erklärt wird der Widerspruch jedoch nicht. Eine Tageblatt-Anfrage mit Fragen an die Autorin blieb, bis Redaktionsschluss, unbeantwortet.

„Physische Steuerhinterziehung“

Ziel der Studie des „Centre d’analyse stratégique“ ist es, eine Definition für „Offshore-Finanzzentren“ zu finden.

Im Laufe der Zeit hätten sich die Steuerparadiese verändert, so die Autorin: Sie seien von ihrer historischen Rolle der „physischen Steuerhinterziehung“ zum Anbieten von Finanzdienstleistungen für Bürger anderer Länder übergegangen.

Dementsprechend würde das Wort Steuerparadies immer häufiger durch „Offshore-Finanzzentrum“ ersetzt. Dabei sei das Wort „offshore“ nicht geographisch zu verstehen, sondern es unterstreiche die Distanz zu den gängigen Regeln und Rahmenbedingungen.

Diese Veränderungen erschwerten das Finden einer klaren Definition von „Offshore-Finanzzentren“, so die Autorin.

Insgesamt schlägt sie jedoch zwei Möglichkeiten vor, wie eine Definition zustande kommen könne. Die erste bestehe darin, die gesetzlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen unter die Lupe zu nehmen.

„Nicht für jeden verständlich“

Jedoch werde es immer schwieriger, eine Definition zu finden, indem man sich nur auf diese Rahmenbedingungen basiert, so die Autorin. Der Unterschied zwischen einem konventionellen Finanzzentrum und „Offshore-Finanzzentren“ sei mehr eine „Frage des Ausmaßes als der Substanz“, schreibt sie.

Zudem sei es schwierig, Informationen zu diesem Thema zu finden. „Der IWF hat zwar mehrere Arbeiten darüber geschrieben, aber das ist nicht unbedingt für jeden sehr verständlich“, erklärt Caroline Le Moign in einem Video, das im Internet veröffentlicht wurde.

Mangelde Faktenkenntnisse

Klar ist jedenfalls, dass sie nicht alles verstanden hat: Im Rahmen des rechtlichen und steuerlichen Umfeldes erwähnt Caroline Le Moign die Luxemburger Holding-Gesetzgebung. Was sie jedoch nicht mitbekommen hat, ist dass die Luxemburger Holding-Gesetzgebung abgeschafft wurde.

Weiter berichtet die französische Finanzexpertin in einer Tabelle, in Luxemburg würden keine Steuer auf Investmentfonds bezahlt. Auch das ist falsch: Investmentfonds in Luxemburg zahlen Steuern. Frankreich hingegen, das wirklich keine Steuern auf Investmentfonds erhebt, zählt für die Autorin jedoch natürlich nicht zum „harten Kern“ der Steuerparadiese.

Internet-Video mit Experten-Erklärung

Dieser Mangel an Wissen ist dennoch nur ein Detail, verglichen mit einer Aussage, die sie im Internet machte: „Unter all den nicht-regulierten Institutionen findet man die Hedgefonds, Investmentfonds und Versicherungen“. Hedgefonds sind zwar nur sehr wenig reguliert, aber sowohl Versicherungen als auch Investmentfonds werden unter anderem durch europäische Richtlinien reguliert. Und an diese hat sowohl Frankreich als auch Luxemburg sich zu halten.

Weil eine Definition von Steuerparadiesen mittels gesetzlicher und steuerlicher Rahmenbedingungen zu kompliziert sei, bevorzugt sie demnach die zweite Möglichkeit. Sie schaut sich an, „welchen Anteil an der Wirtschaftsleistung der Steuerparadiese die Finanzdienstleistungen haben“. Und sie findet somit genau das, was sie suchte: „Wenn man sich diese Steuerparadiese anschaut, dann stellt man fest, (…) dass es sehr einfach ist, mit dem Finger auf sie zu zeigen. Sie liegen deutlich über dem weltweiten Durchschnitt“, erzählt sie im Internetvideo.

Die unausgesprochene Konsequenz ihrer Überlegung ist klar: Ein kleines Land hat nicht das Recht, sich auf Finanzdienstleistungen zu spezialisieren.

Ein hoher Anteil an Finanzdienstleistungen

Dass der hohe Anteil an Finanzdienstleistungen im BIP in Luxemburg auf der Investmentfondsbranche beruht, ist der Autorin bekannt. Dass der Erfolg Luxemburgs als Fondsstandort jedoch auf einer europäischen Direktive beruht, die einen Binnenmarkt für diese Produkte schaffen sollte, anscheinend nicht. Schließlich definiert sie Luxemburg wegen seines Erfolges bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie als Steuerparadies.

Dabei war das Finanzprodukt Sicav (rechtliche Form der Investmentfonds) eigentlich eine französische Erfindung. Die Erfolgsstory begann jedoch erst, als Luxemburg 1962 die Notierung eines Investmentfonds an der Börse erlaubte. Paris erlaubte das nicht.

Kein „dichtes“ Bankgeheimnis

Noch einige Fakten, die die Autorin ignoriert – oder von denen sie vielleicht nichts weiß:
Eine der Banken mit einer sehr strikten Politik gegenüber „Offshore-Finanzzentren“ ist die Europäische Investitionsbank. Diese hat ihren Sitz in Luxemburg, und Frankreich zählt zu den Aktionären.

Auch haben Luxemburg und Frankreich ein Doppelbesteuerungsabkommen unterschrieben – in dessen Rahmen ist Luxemburg verpflichtet, bei Verdacht auf eine Steuerstraftat Informationen über Kunden an Frankreich weiterzuleiten. Somit ist das Bankgeheimnis nicht mehr so dicht, wie es früher einmal war.

Französiche Entwicklungshilfe und Investmentfonds

Zudem kommen selbst französische Entwicklungshilfe-Organisationen nach Luxemburg, um hier Investmentfonds zu gründen, um in Afrika zu helfen. „Die Regeln in Frankreich sind einfach zu restriktiv“, so einer der Vertreter des vorletzte Woche im Tageblatt vorgestellten Fonds „Fefisol“. Dieser hat als Mission, bis zu 50 Millionen Euro zu sammeln und innerhalb von fünf Jahren bis zu 100.000 Jobs in den ärmsten Regionen der Welt zu schaffen.
Und überhaupt strotzt der Bericht des „Centre d’analyse stratégique“ vor Ungenauigkeiten und Widersprüchen. So schreibt die Autorin gleich am Anfang ihrer Analyse: „Die Finanzkrise hat gezeigt, welche entscheidende Rolle der undurchsichtige Teil des Bankwesens bei der Ausbreitung des systemischen Risikos gespielt hat.“

Dann, auf der zweitletzten Seite des Berichts: Auch wenn die „Offshore-Finanzzentren“ nicht „direkt für die aktuelle Krise verantwortlich sind, so stellen sie dennoch (…) eine Gefahr dar.“