„Es reicht“ bei ArcelorMittal

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Der Mouvement écologique und die Vereinigung „Stop Dioxin“ fragen sich, ob der Luxemburger Stahlriese ArcelorMittal Extrawürste von den Behörden gebraten bekommt, was die Grenzwerte anbelangt.

Die Süd-Regionale des „Mouvement ecologique“ und die Bürgerinitiative „Stop Dioxin“ haben jetzt die Reißleine gezogen. Die permanenten Verstöße gegen die Grenzwert-Überschreitungen von ArcelorMittal im Elektrostahlwerk von Esch/Belval wollen sie nicht mehr hinnehmen und prangern dabei auch die Tatenlosigkeit des Nachhaltigkeitsministeriums an.

Die Einwohner merken es am manchmal unerträglichen Gestank, die Analysen würden es belegen: Im Elektro-Stahlwerk von Arcelor/Mittal wird in den letzten Jahren permanent gegen die Grenzwerte von Emissionen und Immissionen verstoßen. Die Escher Gemeinde stellte jetzt die höchste Umweltbelastung für Mensch und Natur seit 2006 fest.

„Das Ministerium tut nichts“

Das ist die Darstellung des Mouvement écologique und der Bürgerinitiative „Stop Dioxin“. „Es reicht“, so Francis Hengen bzw. Christiane Lecler, die anhand von Indizien nachweisen wollen, dass der Stahlkonzern täglich gegen die Umweltauflagen verstößt und das Nachhaltigkeitsministerium tatenlos zusieht. „Während der vergangenen Jahre“, so heißt es in einer Stellungnahme der beiden Organisationen, „wurden immer wieder Überschreitungen der Grenzwerte sowohl am Kamin der Anlage, wie im Gemüse der angrenzenden Gärten ‚an Eisenbrech‘ festgestellt. Entsprechend wurden die Mitglieder der Begleitgruppe im Rahmen der letzten Sitzung im November 2014 über massive Grenzwert-Überschreitungen informiert.“

Bei Arcelor/Mittal scheinen die Warnungen allerdings auf taube Ohren zu stoßen, denn versprochene Massnahmen der Konzerndirektion blieben aus. Die Grenzwerte bei verschiedenen Giftstoffen wurden in vielen Fällen um das mehr als Zweifache übertroffen, heißt es. Es handele sich dabei um die Stoffe PAK (auch HAP genannt, Polyaromatische Kohlenwasserstoffe, SO2 (Schwefeldioxid), CO (Kohlenstoffmonoxid) und TOC (Totaler organischer Kohlenstoff), die seit Jahren in unerlaubten Mengen in die Atmosphäre freigesetzt würden und als gesundheitsgefährdend eingestuft werden.

Messungen als Beweis

Wie der Mouvement écologique und „Stop Dioxin“ anhand von monatlichen Messresultaten festhalten, geht es dabei um tägliche Überschreitungen der Messwerte. „Die Immissionsmessungen“, so heißt es in einem Begleitschreiben der beiden Organisationen, „bestätigen die überhöhte Schadstoffkonzentration in der direkten Nachbarschaft des Elektrostahlwerks.

Seit Jahren lassen die Gemeindeverantwortlichen durch das Biomomonotoring-Verfahren die Schadstoffkonzentration in Moosen, Gräsern und Gemüse überprüfen („an Eisenbrech“, wo auf 130 Parzellen Gemüse für ca. 1.000 Personen gezüchtet wird). Der kleine Haken dabei: Die Resultate der Analysen werden erst viele Monate später bekannt, wenn das Gemüse längst verzehrt ist.

Zweierlei Maß

Entsetzt sind Mouvement écologique und „Stop Dioxin“-Vertreter aber auch darüber, dass es für verschiedene Betriebe in der Region zweierlei Maß und Gewicht geben soll. „Alle Betriebe sind gleich, nur manche Betriebe sind gleicher“, wird festgehalten. Und dabei meint man die ungleiche Behandlung von „Twinerg“ und ArcelorMittal. Während nach mehreren Zwischenfällen im Dampfturbinenwerk der „Twinerg“ innerhalb von 57 Tagen drastische Maßnahmen der Umweltverwaltung und des Ministeriums für nachhaltige Entwicklung gefordert und durchgeführt wurden, dürfe ArcelorMittal seit zwei Jahren „ihr übles Spielchen“ ungestört weiterführen.

Dabei sei das Gesetz vom 9. Mai 2014 so klar wie „Boulletts-Zopp“. Darin heißt es: „Losque le non-respect des conditions d’autrisations présente un danger direct pour la santé humaine ou risque de produire un important effet préjudiciable immédiat sur l’enevronnement et jusqu’à la conformité soit rétablie conformément au premier alinéa points b) et c) l’exploitation de l’installation …est suspendue.“

Der „Mouvement écologique“ und „Stop Dioxin“ wollen sich nicht weiter vertrösten lassen, auch nicht durch die „technischen Ursachen“, die der Konzern immer wieder anführt, um in der Sache nichts oder fast nichts zu unternehmen. Allein die Messwerte würden bezeugen, dass weder an den Filter-Anlagen gearbeitet noch andere wesentliche Verbesserungen durchgeführt wurden. Und auch im Umweltministerium, von dem man sich einen ernsthaften Eingriff erwartet, scheine man bisher im Dornröschenschlaf versunken zu sein. Symptomatisch sei dabei eine Aussage des grünen Staatssekretärs Gira aus dem Jahr 2013. Er hatte im Zusammenhang mit der Umweltverseuchung des Belvaler Elektro-Stahlwerks „keine direkte Gefahr für die Menschen“ gesehen.

Klage bei der EU

Die beiden Organisationen wollen jetzt bei der Brüsseler EU-Kommission eine Beschwerde wegen illegaler Überschreitung der Emissionen beim ArcelorMittal-Stahlwerk in Belval einreichen.

Es dürfe nicht sein, dass Belval, dieses Prestige-Objekt, das tausenden Bürgern (Studenten und Wissenschaftlern) eine neue Bleibe garantieren soll, durch die Profitgier des Konzerns zum „faulen“ und stinkenden Ei wird.