„Die Nachricht war keine Überraschung“

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Am späten Donnerstagnachmittag wurde bekannt, dass der US-amerikanische Automobilzulieferer Delphi plant, bis zum Jahresende 110 Arbeitsplätze in Luxemburg abzubauen. Gestern wurde die Nachricht sowohl von Gewerkschafts- als auch von Regierungsseite bestätigt.

Es war die Gratiszeitung L’essentiel, die auf ihrer Internetseite und unter Berufung auf den OGB-L vorgestern als Erstes davon berichtete: Der US-amerikanische Automobilzulieferer Delphi, dessen Europa- bzw. Weltsitz im Bereich Entwicklung sich in Bascharage befindet (siehe Kasten), wird bis Ende 2009 im Rahmen weltweit geplanter Sparmaßnahmen 110 von insgesamt rund 720 Stellen in Luxemburg abbauen (siehe hierzu auch unsere Ausgabe von gestern, Seite 50).
Eine Nachricht, die gestern sowohl von Regierungs- als auch von Gewerkschaftsseite bestätigt wurde.

Wirtschaftsminister Jeannot Krecké zeigte sich gefasst. Gegenüber RTL Radio Lëtzebuerg sagte er, dass die Regierung bereits seit einer gewissen Zeit darüber im Bilde war, dass Delphi Probleme in den USA hätte und dass in Frankreich, Deutschland und Italien zwischen 20 und 24 Prozent der Stellen abgebaut werden sollten. Aus diesem Grund und auch weil die Aktivitäten um bis zu 40 Prozent eingebrochen seien, habe man damit rechnen können, dass auch Luxemburg von den Sparmaßnahmen nicht verschont bleiben würde.

Reise in die USA

Krecké wusste aber auch zu berichten, dass bereits einige der betroffenen Angestellten anderweitig vermittelt werden konnten. Allgemein erweise dies sich aber als sehr schwierig, weil derzeit die netto geschaffenen Arbeitsplätze „gegen null tendieren“. Der Wirtschaftsminister will denn auch in den kommenden Wochen in die USA reisen, um vor Ort mit verschiedenen in Luxemburg angesiedelten Unternehmen zu diskutieren. Im Mittelpunkt der Gespräche sollen die Verbesserung der Attraktivität des Standorts sowie die mögliche Verlagerung anderer Geschäftsbereiche nach Luxemburg stehen.

Jean-Claude Bernardini, Zentralsekretär des OGB-L, zeigte sich gestern dem Tageblatt gegenüber teils gefasst, teils überrascht. „Natürlich war uns bekannt, dass Delphi in Schwierigkeiten steckt“, sagte der Gewerkschafter unserer Zeitung. Einerseits sei da die Wirtschaftskrise mit ihren Auswirkungen auf den Automobilsektor und damit auch auf die Zulieferer (Delphi Luxemburg fährt seit Januar Kurzarbeit), andererseits habe sich Delphi in strukturellen Problemen, sprich quasi während mehreren Jahren in der Insolvenz befunden. „Dementsprechend konnte man davon ausgehen, dass Arbeitsplätze abgebaut würden.“ Überrascht zeigte sich Bernardini hingegen über die hohe Zahl der in Luxemburg Betroffenen: „In Bascharage betreibt Delphi vorwiegend Entwicklung, diese ist besonders jetzt und besonders in der Automobilindustrie, die sich an einem Scheideweg befindet – Stichwort umweltfreundlichere Autos – von großer Wichtigkeit. Umso erstaunlicher ist es, dass gerade in diesem Bereich Einsparungen vorgenommen werden sollen“, wundert sich der OGB-L-Vertreter.

Arbeits- und Beschäftigungsminister Nicolas Schmit bedauerte den geplanten Stellenabbau ebenfalls. „In meiner Funktion als Arbeitsminister geht es mir aber jetzt vorrangig darum, die verbleibenden, hoch qualifizierten Arbeitsplätze langfristig abzusichern“, erklärte er unserer Zeitung gegenüber.

Gleichzeitig warnte er vor einer Pauschalisierung: Auch wenn die Automobilindustrie in der Krise stecke, bedeute der Stellenabbau bei Delphi nicht zwangsläufig, dass es bei anderen Unternehmen zu ähnlichen Maßnahmen kommen müsse.

Am kommenden Mittwoch wollen Unternehmensleitung und Gewerkschaften zu ersten Sondierungsgesprächen zusammenkommen.



Delphi bleibt in Luxemburg

Die luxemburgische Niederlassung des weltweit agierenden Automobilzulieferers Delphi in Bascharage ist nicht bedroht. „Delphi bleibt in Luxemburg“, sagte der Sprecher des Unternehmens in Niederkerschen, Panagiotis Panotopoulos, im Gespräch mit dem Tageblatt.

Allerdings wird Delphi wohl nicht in der bisherigen Größenordnung in Luxemburg bleiben. 110 Arbeitsplätze sollen abgebaut werden. Panotopoulos äußerte sich dazu nicht.
„Luxemburg ist ein Standort der Forschung und Entwicklung“, sagte der Sprecher. „Wir produzieren in Luxemburg nicht.“ Die Produktion in Europa findet unter anderem in Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal oder auch in Rumänien und weiteren Ländern statt. Delphi produziert insgesamt in 32 Ländern der Welt und beschäftigt über 100.000 Mitarbeiter. „Davon werden 50.000 in Europa beschäftigt“, sagt Panotopoulos.

Das Unternehmen ist seit 1971 in Luxemburg vertreten, wo sich auch die Weltleitung des Arbeitsbereiches „Antriebsstränge“ befindet. Außerdem beheimatet Luxemburg die Europa-Leitung des Bereiches Thermik, zu dem etwa Klimaanlagen gehören. Aber auch in diesem Bereich produziert Luxemburg nicht.

Delphi weltweit verlässt in den USA gerade die Konkursphase. Die beiden Hauptgläubiger Elliott Management und Silver Point Capital kaufen die einzelnen Einheiten weltweit wieder zusammen, geht aus einer Mitteilung des Unternehmens Anfang Oktober hervor.

Der Abbau von Arbeitsplätzen, betont Panotopoulos, hat nur einen Hintergrund: die Konjunkturschwäche in der Automobilindustrie. „Sie schreiben dauernd darüber, was bei den einzelnen Automobilmarken geschieht. Jetzt schlägt sich das bei uns nieder.“
 Helmut Wyrwich