Der Chef der „Opérations établissements à séjour continu – Sodexo Luxembourg S.A.“ will ihre angestammten Rechte nicht mehr respektieren. Sie sollen einen Kollektivvertrag unterschreiben, bei dem sie verlieren. Um ihr Ziel zu erreichen, schreckt die Direktion selbst vor massiven Einschüchterungsversuchen nicht zurück. Der OGBL droht mit der Mobilisierung des ganzen Sektors.
Die Vorgeschichte ist schnell erzählt. Im Jahre 2010 beschlossen die Pflegehäuser in Luxemburg, die damalige „Entente des hôpitaux luxembourgeois“ (EHL) – seit Mai 2012 „Fédération des hôpitaux luxembourgeois“ (FHL) – zu verlassen. Aber nicht nur das. In der Folge kündigten sie auch den bisher gültigen Kollektivvertrag aus dem Krankenhausbereich einseitig auf. Nach heftigen Protesten des OGBL, der stärksten Gewerkschaft im Sektor, versprachen die Firmen, die die Pflegehäuser betreiben, dass die angestammten Rechte der bisherigen Mitarbeiter nicht angetastet würden. Die Firmenbetreiber setzten aber durch, dass neue Mitarbeiter unter einen anderen Kollektivvertrag fallen, den sogenannten SAS-Kollektivvertrag des Pflege- und Sozialsektors (SAS steht für „Secteur d’aide et de soins“). Dieser ist allerdings weniger günstig für die Mitarbeiter.
Zwei Kategorien
Und so kommt es, dass in Pflegehäusern zwei Kategorien von Personal beschäftigt sind. Die einen werden gemäß dem SAS-Kollektivvertrag des Pflegesektors schlechter bezahlt als die anderen, die immer noch unter dem Kollektivvertrag des Krankenhaussektors geführt werden, der heute FHL-Vertrag genannt wird.
Alleine die Tatsache, dass es zwei Kollektivverträge in einem Haus gibt, führt natürlich zu Problemen. Nun kommt hinzu, dass immer mehr Direktionen von Pflegehäusern versuchen, den FHL-Vertrag ganz aus ihrem Betrieb herauszubekommen. Weil sie dann Geld auf Kosten der Mitarbeiter sparen und mehr Gewinn erwirtschaften können.
Ein solcher Fall präsentiert sich jetzt in Bettemburg. Auch hier versucht die Direktion der „Résidence pour personnes âgées ’an de Wisen’‘“, alle Mitarbeiter in den schlechteren SAS-Vertrag zu drängen. Von rund 200 Mitarbeitern haben 122 noch den alten FHL-Vertrag. Das will die Geschäftsleitung jetzt ändern. Obwohl alle 122 bis mindestens 2020 Anspruch auf ihren bisherigen Kollektivvertrag haben, wie damals großartig von den Firmen versprochen wurde.
Hiergegen protestierte der OGBL mit den Delegierten und zahlreichen Mitarbeitern am Donnerstag vor dem Haus in Bettemburg. Für die OGBL-Verantwortliche Nora Back ist es ein Skandal, dass die Bettemburger Direktion Geld auf dem Buckel der Mitarbeiter sparen will. Wenn diese Tendenz nicht aufhört, werde der OGBL den ganzen Sektor mobilisieren, so ihre unmissverständliche Klarstellung. Ganz besonders regt die Gewerkschaft auf, dass die Bettemburger Geschäftsführung nicht davor zurückschreckt, die Mitarbeiter, die den neuen Vertrag nicht unterzeichnen wollen, massiv einzuschüchtern. Denn in Bettemburg werden die Mitarbeiter zu Einzelgesprächen zu ihrem Direktor Christian Erang bestellt.
Entlassungsdrohungen für 122 Mitarbeiter
Dabei ist Christian Erang nicht der eigentliche Direktor des Hauses. Der neue Direktor, André Buffadini, wurde erst vor wenigen Wochen eingestellt. In Bettemburg kümmert sich jedoch noch immer Christian Erang um die Angelegenheit. Und der ist Chef der „Opérations établissements à séjour continu – Sodexo Luxembourg S.A.“ und daher mehr als Direktor.
Er bestellt die Mitarbeiter zu Einzelgesprächen zu sich, um sie davon zu überzeugen, auf ihre angestammten Rechte zu verzichten und den neuen, schlechteren Kollektivvertrag zu unterzeichnen. Soweit mag das sein gutes Recht sein. Denn ohne die Einwilligung der Betroffenen kann er den Kollektivvertrag nicht wechseln.
Stellen Sie sich vor, Sie wären in einem Betrieb, in einem ähnlichen Fall. Würden Sie es nicht ungewöhnlich finden, wenn in einem solchen Gespräch plötzlich vom Thema abgewichen wird? Wie würden Sie reagieren, wenn ein „oberster“ Chef eines Hauses, in dem Sie arbeiten, in diesem Gespräch plötzlich auch über ihre persönliche Situation spricht? Über ihr Privatleben, ihre Kinder oder Enkelkinder. Oder über die schwierige Lage des Sektors, in dem Ihr Mann zurzeit „noch“ arbeitet? Was würden Sie denken? Richtig. Sie hätten ein ungutes Gefühl. Und Sie würden sich daran erinnern, dass Ihre Gewerkschaft Ihnen gesagt hat, dass Ihr Chef bei anderer Gelegenheit gedroht hat, er würde alle, die den neuen Kollektivvertrag nicht unterzeichnen, kurzerhand entlassen. So etwas nennen nicht nur die Gewerkschaften Einschüchterung. Der OGBL fordert. mit den Einzelgesprächen unverzüglich aufzuhören. „Die Leute haben Angst“, so Nora Back. Was wahrscheinlich auch der Grund ist, dass keiner nach der Rede von Nora Back zuhören wollte, als auch Christian Erang sprechen wollte. Die Mitarbeiter drehten sich um und gingen.
„Faire de chaque jour, un jour meilleur“ lautet gemäß Internetdarstellung die offizielle Devise der Firma Sodexo in Luxemburg. Gut dass sie Mitarbeiter hat, die dafür sorgen, dass diese Aussage für die demnächst 146 Bewohner der Bettemburger „Résidence pour personnes âgées ’an de Wisen’‘“ auch weiterhin gilt.
Selbst wenn die Geschäftsführung den Sodexo-Leitfaden anscheinend nicht auf ihre Beschäftigten anwendet.
De Maart
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