Dienstag21. Oktober 2025

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Der große Graben zwischen den Gemeinden

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SASSENHEIM - Neue Tanklager in der Region, eine neue Umgehungsstraße - für die Sassenheimer zuviel. Am Mittwoch stellte die Nachhaltigkeitsminister Claude Wiseler den besorgten Einwohnern.

Nach den Diskussionen über die neuen Tanklager, von denen eines in Bascharage-Héierchen gebaut werden soll, war es am Mittwoch an der Zeit für Infrastrukturminister Claude Wiseler, sich den Sassenheimer Bürgern zu stellen. Der Grund: die geplante Umgehungsstraße für Bascharage – die zum Leidwesen der Sassenheimer über deren Gemeindegebiet laufen soll. Zwar nur laut letzten Planungen. Doch diese muten sehr konkret an.

Victor Brasseur und seine Frau sind am Boden zerstört. Als wir beim Landwirt, dessen Bauernbetrieb direkt vom geplanten Streckenverlauf angeschnitten wird, ankommen, ist er gerade dabei, nach seinem Kartoffelfeld zu sehen.

Alternative Trassen

79 Jahre ist Victor Brasseur alt, 30 Jahre hat er in Bascharage bei der Brauerei gearbeitet, sich daneben mit seiner Frau um den Aufbau seines Hofes gekümmert. „Wenn sie mit den Baggern anrücken, können sie gleich zwei Särge mitbringen“, sagt seine Frau. Victor fährt fort: „Es ist eine Sauerei. Ein Leben lang gearbeitet – und jetzt machen sie einem alles kaputt.“

Mit „sie“ sind die staatlichen Behörden gemeint, aber wohl auch die Nachbarn aus Bascharage. Den Brasseurs zufolge gebe es – und das macht die ganze Geschichte für sie so richtig schlimm – alternative Trassen für die Umgehungsstraße. Wieso diese nicht in Betracht gezogen werden, will ihnen einfach nicht einleuchten.

Minister auf feindlichem Terrain

Vielen Sassenheimern geht es ähnlich bei der anschließenden Informationsversammlung mit Infrastrukturminister Claude Wiseler. Obwohl der Minister die ganze Geschichte der Planungen um die Umgehungsstraße für Bascharage in seinem Vortrag noch einmal aufrollt. Und obwohl er immer wieder bekräftigt, dass die nun zurückbehaltene Streckenführung die einzige sei, zu der die verschiedensten Experten ihm (und seinen Vorgängern im Amt) immer wieder geraten hätten. Ganz klar: Wiseler ist hier an diesem Abend in Sassenheim auf feindlichem Terrain.

Sein Nachbar auf dem Podium, Sassenheims Bürgermeister Georges Engel, gehört zu denen, die nicht glauben wollen, dass das letzte Wort über alternative Trassen schon gesprochen sein soll. Zusammen mit seinem Schöffenrat habe er die letzten Wochen intensiv, und ebenfalls im Verbund mit Experten, andere Möglichkeiten geprüft – und gefunden. Diese will er demnächst dem Minister unterbreiten.

Der Glaube daran, dass sich an der Festlegung auf die aktuelle Variante noch etwas ändern könnte, scheint den meisten aber abhanden gekommen zu sein. Diese Enttäuschung könnte die Wut erklären, die in fast allen Wortmeldungen durchklang.

Verhärtete Fronten zwischen Nachbarn

Wobei auch mehrmals ein weiterer Ausbau des öffentlichen Transports gefordert wurde. Vor allem um die „Frontaliers“-Ströme im Autoverkehr zu mindern. Auch hier wollte Wiseler beschwichtigen. Mit stichhaltigen Argumenten sogar, doch auch hier sollte die Mehrheit im Saal (es waren auch einige „Käerjenger“ Leute anwesend) ihm dies nicht so recht abnehmen wollen.

Die Fronten sind also verhärtet – zwischen Sassenheimern und Ministerium und leider auch zwischen Sassenheimern und ihren Nachbarn aus Bascharage. Hier richtet sich die Wut aber vor allem gegen den obersten politischen Vertreter aus der Nachbargemeinde, übrigens vom selben politischen Tellerrand wie Minister Wiseler.

Handzahm und versöhnlich

„Ah, en ass jo awer do“, hallte es gegen 21.30 Uhr durch die Mehrzweckhalle: Bascharages Bürgermeister Michel Wolter hatte sich aus den hinteren Reihen erhoben, um das Wort zu ergreifen. Begleitet von lauten Buhrufen. Wolter gab sich dann handzahm und versöhnlich. Er hielt ein Plädoyer für die durchaus berechtigte und notwendige verkehrliche Entlastung des „Käerjenger“ Ortskerns, wo sich zu Spitzenzeiten – und das sind sechs Stunden am Tag – mehr als 1.600 Fahrzeuge durch die Avenue de Luxembourg drängen. Pro Tag benutzen 2.000 Busse und Lastwagen diese Straße.

Diese notwendige Entlastung können auch die Sassenheimer nachvollziehen – nur eben nicht, dass sie auf ihre Kosten vonstatten gehen soll.

Details zu dem Vorhaben

Wiseler gab am Mittwoch auch erstmals detaillierte Erklärungen zu Art und Weise, wie die angedachte Zugangs- und Umgehungsstraße einmal aussehen könnte. Um einen möglichst weitgehenden Lärmschutz zu garantieren, ist vorgesehen, die Straße ins Erdreich einzulassen. An verschiedenen Stellen bis zu zehn Meter tief, an keiner Stelle soll der Graben weniger hoch sein als die Lastwagen, die hier irgendwann für eine ordentliche Auslastung sorgen könnten.

Klingt gut, hat aber einen Haken. Um die zweispurige Straße so tief einzusenken, muss zu beiden Seiten ein Wall entstehen. Was zur Folge hat, dass der Graben insgesamt gut und gerne 52 Meter breit sein wird. Ein großer Graben also, sichtbar, mit trotzdem wohl weithin hörbarem Verkehr.

Kein Kompromiss

Ein noch gravierenderer Graben scheint sich aber in den Köpfen aufzutun – Streit mit der Nachbargemeinde, im „Kordall“ bis vor einigen Jahren eigentlich undenkbar.

Und so sehr sich Wiseler auch bemühte, ein Kompromiss steht nicht in Aussicht, ist kaum möglich. Einige Sympathien verspielte der Minister dann zusätzlich, als aus dem Saal die Frage aufkam, wie es denn um die Situation „beim Wilwert“ aussehe.

Jeder kennt „den Wilwert“

„Entschuldigung“, sagte der Minister, „aber ’de Wilwert‘ kenne ich nicht.“ Klar, es war eine Entschuldigung, aber sie war für einige vielleicht zu barsch vorgebracht, an einem solchen Abend. In Sassenheim und auch in Bascharage kennt wohl jeder „den Wilwert“.

Es handelt sich um einen alteingesessenen Betrieb, der an die Streckenführung angrenzen wird. Er liegt gegenüber vom Bauernhof der Familie Brasseur, auf der anderen Straßenseite. Dieser Teil der Strecke soll übrigens untertunnelt werden, auf einer Länge von 220 Metern. So könne eine direkte Kreuzung mit der rue d’Esch vermieden werden. Ob bei diesen Planungen an Wilwerts oder Brasseurs gedacht wurde, ist nicht klar, darf aber angezweifelt werden.