Der geheime Untergrund in Luxemburg

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Der 156. Verhandlungstag dreht sich ganz um die Stay Behind-Organisation in Luxemburg. Ermittler Scheuer gibt weitere Details preis.

Ist die Nato-Geheimarmee Stay-behind für die Attentatsserie in den 1980er Jahren in Luxemburg verantwortlich? Dieser Ansicht ist die Verteidigung der beiden Angeklagten im Bommeleeër-Prozess Marc Scheer und Jos Wilmes.

Ermittler Joël Scheuer hatte am Vortag jegliche Spur zu Stay-behind zurückgewiesen. Das wollte die Verteidigung am Mittwoch widerlegen. So zitierte Me Gaston Vogel aus Unterlagen zum ehemaligen CCC-Mitglied Pierre Carrette. Die Cellules communistes combattantes waren für mehrere Gewalttaten in Belgien verantwortlich. Carrette sei extrem rechts, so Vogel. In ganz Europa habe die Nato Terror betrieben. Der Terror kam aus der rechten Ecke.

Laut Anwältin Lydie Lorang waren die CCC von der CIA infiltriert. Laut Gaston Vogel wolle immer den Linken die Anschläge in die Schuhe schieben. Dabei waren rechte Gruppen in die Anschläge europaweit involviert. Vogel spricht vor Gericht über den Anschlag von Bologna (Italien). Er fordert erneut, dass der frühere italienische Staatsanwalt Felice Casson vor Gericht gehört wird. Er klärte damals den Anschlag am Bahnhof von Bologna am 2. August 1980 im Detail auf. Damals starben 85 Menschen, mehr als 200 wurden verletzt.

Eine Linie von Belgien nach Luxemburg

Man könne aus den Anschlägen in Belgien eine Linie nach Luxemburg ziehen, so Lorang. Dort hätten die Geheimdienste Kontakte zu gewissen Organisationen gehabt. Der Srel hatte damals auch persönliche Kontakte zu gewissen Leuten. Hier ist nichts über den offiziellen Weg gelaufen, sagt sie.

Die Verteidigung gehe davon aus, dass es eine Konvention zwischen dem Luxemburger Staat und der Nato/Shape gab. Darin war geklärt, dass in Luxemburg niemand sterben sollte, meint seinerseits Me Vogel. Die CIA sei in Luxemburg aktiv gewesen, ergänzt Me Lorang. Es gab ein CIA-Büro in der US-Botschaft. „Es gibt hier eine Verbindung.“ 7. Mai 1985 gab es eine „Ösling-Übung“. Am gleichen Tag explodiert eine Bombe am Schléiwenhaff.

Warum wurde nicht in Richtung Regierungskreise ermittelt?

Warum wurde nie in Richtung Regierungskreise in Luxemburg ermittelt, wohl aber gegen Scheer und Wilmes, fragt Lorang. Laut Vogel ist auch Generalstaatsanwalt Robert Biever Komplize in der ganzen Angelegenheit. Biever habe immer von „denen da oben“ geredet. Warum hat er nicht gegen „da oben“ ermitteln lassen?

Richterin Sylvie Conter fasst die Aussagen der Verteidigung zusammen: „Die These der Verteidigung ist, dass die Nato/Shape Special Forces-Soldaten abgeworfen hat. Diese haben dann mit Hilfe von Luxemburgern hier in Unwesen getrieben. Ich glaube aber, dass nicht alle Anschläge von der Nato organisiert wurden. Es muss hier auch eine reine luxemburgische Sache gewesen sein.“ Vogel zitiert aus einem Bericht eines belgischen Senatsausschuss. Darin geht es um eine internationale Organisation (Stay Behind), die unter größter Geheimhaltung grenzüberschreitend operiert hat. Vogel spricht von in Deutschland rekrutierten Nazis durch die Amerikaner.

Richterin Conter will dennoch eine Spur auch in Luxemburg sehen und deutet auf die Brigade mobile der Gendarmerie (BMG).

Militärausbildung in Großbritannien

Ermittler Joël Scheuer tritt in den Zeugenstand. Er gibt weitere Details zum Stay Behind-Netz in Luxemburg preis. Gaston Vogel stellt Scheuer mehrere Fragen zu Geheimdienstunterlagen. Es geht um Briefe an die Nato und ein Geheimdiensttreffen in Großbritannien über Stay Behind. Dabei geht es um Sprengmethoden und Schießübungen. Vogel: „Hier sind wir also nicht bei den friedlichen Funker, sondern um Terror.“ Vogel will Antworten von Scheuer. In einem Kriegsfall hätten die Mitglieder eine militärische Ausbildung in Großbritannien bekommen, sagt Scheuer. Damals gab es keinen Krieg.

Richterin Conter präzisiert: „Wir müssen hier klar unterscheiden, dass die 12 Stay-Behind-Agenten Funker waren und die Stay-Behind-Verantwortlichen aus dem Geheimdienst eine spezielle Ausbildung hatten.“ Ermittler Scheuer: „Es hatten sogar Leute aus der Armee eine Ausbildung im Sprengen. Das war damals normal.“

Keine Verbindung zu den CCC

Laut Scheuer gab 1986 es ein Amtshilfeersuchen in Belgien. Die Luxemburger wollten herausfinden, ob es eine Verbindung zur belgischen Terror-Gruppe CCC gab. Damals wurden bei einer Razzia in einer Wohnung eines CCC-Mitglieds in Lüttich luxemburgische Geldscheine gefunden. Es konnte allerdings keine Verbindung hergestellt werden. Auch Briefumschläge, welche die CCC benutzte, konnten keine Anhaltspunkte nach Luxemburg liefern.

Scheuer zitiert aus Briefen über Stay Behind-Übungen in Luxemburg. 2007 waren bei einer Hausdurchsuchung im Staatsministerium Unterlagen beschlagnahmt worden. In den Dokumenten geht es um In- und Exfiltration von Material und Personal ins In- und Ausland. Dabei wurde mit US-Einheiten in Deutschland und französischen Geheimdiensten zusammengearbeitet. Es wurden unter anderem Personen aus Belgien nach Luxemburg geschleust und in sogenannten „Save-Häusern“ untergebracht. Das sind besonders gesicherte Gebäude. Es wurden auch Leute aus Luxemburg nach Großbritannien geschleust. Sämtliche Übungen waren alle schriftlich festgehalten.

Ein Betrüger und ein Mythoman

Der Ermittler spricht über den belgischen Autor Lucien Dislaire. Er hatte zahlreiche Bücher über Stay Behind und die belgische Terrorgruppe CCC geschrieben. Scheuer: „Dislaire war der Polizei in Luxemburg und Belgien kein Unbekannter. Er war in zahlreiche Überfälle, Betrügereien und Drohungen verwickelt. Er saß unter anderem auch in Luxemburg in Haft.“ Auch der Zeuge Andreas Kramer bezeichnet Scheuer unglaubwürdig. Kramer hatte ausgesagt, sein Vater sei an den Attentaten in Luxemburg verantwortlich. Alles erlogen, so Scheuer. Der deutsche Geheimdienst BND dementierte, dass Kramers Vater im Geheimdienst arbeitete. Es gab auch eine Razzia im Haus des verstorbenen Vaters. Raus kam da ebenfalls nichts. Die Geschwister und die Ex-Frau hätten dem Luxemburger Ermittler zahlreiche Unterlagen über Andreas Kramer gegeben. Es wurden keine Unterlagen gefunden. Alles war erlogen. Er hat nicht mal irgendeinen Abschluss oder eine Ausbildung. „Alles was Kramer uns hier und der Presse erzählt hat stimmt nicht.“

Es gebe laut der Unterlagen keine Hinweise, dass es unter Stay Behind eine weitere Geheimarmee in Luxemburg gab, so Scheuer weiter. Aus den Dokumenten kann auch keine Verbindung zum Sprengmaterial der Bombenleger gezogen werden.

Einen gewichtigen Zeugen hört das Gericht am 13./14. Mai. Dann wird Ex-Staatsminister Jacques Santer aussagen.