Donnerstag30. Oktober 2025

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Anwälte: Beweise verschwanden

Anwälte: Beweise verschwanden

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Auftakt des Bommeleeër-Prozesses am Montag. Vor den Richtern stehen zwei ehemalige Gendarmerie-Angehörige. Die Verteidiger der beiden Angeklagten prangern Schlampereien bei den Ermittlungen an.

Die Verteidigung im Bommeleeër-Prozess lässt nichts anbrennen. Sowohl Me Gaston Vogel als auch Me Lydie Lorang sind gleich am ersten Verhandlungstag in die Offensive gegangen. Als erster erhob Me Gaston Vogel, Rechtsbeistand von Marc Scheer, einer der beiden Angeklagten, schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden. Es habe ein regelrechter „Je-m’en-foutisme“ geherrscht, so der Anwalt. Er hatte vergangene Woche eine Vertagung des Prozesses beantragt, weil neue Elemente im Dossier Bommeleeër aufgetaucht seien.

Laut Vogel wurde bewusst gehandelt, um eine Beweisführung zu verhindern. Er spricht von einem Skandal sondergleichen. Aus Gesprächen mit ehemaligen Ermittlern gehe hervor, dass Beweise in Ausstellungsschränken ausgestellt wurden, sagte Vogel. Es herrschte überhaupt kein Konzept, überall lagen die Beweise rum. Es gab keine Prozeduren für die Aushändigung von Beweisen. Auf „Vertrauensbasis“ seien Beweise rausgegangen, zitiert Vogel einen ehemaligen Ermittler.

Direkte Beziehung zum Geheimdienst

Vogel sieht auch eine direkte Beziehung zum Geheimdienst. Ein hoher SREL-Mitarbeiter habe massiv Unterlagen zur Bommeleeër-Affäre vernichtet. Genannt wurde dabei Frank Schneider, ehemaliger Chef der Operationen im SREL und Gründer einer Privatfirma für Wirtschaftsinformationen.

Schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden erhebt auch die Anwältin von Jos Wilmes, Lydie Lorang. Die Staatsanwaltschaft habe sich nicht an prozedurale Regeln gehalten. Rund 80 Beweisstücke aus der Akte Bommeleeër verschwanden. Warum wurde nicht nachgehakt, um diese Beweisstücke wiederzufinden, so Lorang. Sie spricht über mögliche Beziehungen zwischen den Bommeleeërn und dem Geheimdienst und zum Stay behind-Netzwerk.

Großer Andrang

Am Montagnachmittag herrschte vor Prozessbeginn großer Andrang. Der Gerichtssaal platzt aus allen Nähten. In den Zuschauerrängen gibt es keinen Platz mehr. Auch in einem Nebengebäude, wo der Prozess live für weitere Schaulustige übertragen wirt, ist voll.

Die wildesten Spekulationen schwirrten zwischen den Prozessbesuchern hin und her. Wird es am ersten Tag zu einem Eklat kommen? Wird Anwalt Gaston Vogel eine Vertagung plädieren? Das tat dieser denn auch gleich zu Prozessbeginn. Es habe zahlreiche Fehler während der Ermittlungen gegeben, sagt er.

Eine Entscheidung über den Antrag von Me Vogel soll später entschieden werden, meinte Richterin Sylvie Conter nach Vogels Vorstoß. Zuerst sollen die beiden Angeklagten Scheer und Wimes gehört werden. Sie beteuern erneut ihre Unschuld.

Zu Prozessbeginn waren jedoch die Zeugen gerufen worden. 90 Personen sollen in den kommenden Wochen in den Zeugenstand gerufen werden. In Gruppen wurden sie in den Gerichtssaal hereingebeten. Von der Richterin wurden sie über Rechte und Pflichten informiert. Die ersten Zeugen werden wohl erst in zwei Wochen gehört werden. Unter den Zeugen am Montag befinden sich auch Premierminister Jean-Claude Juncker, die Prinzen Jean und Guillaume sowie Ex-Statsminister Jacques Santer.

29 Jahre später

Fast 29 Jahre nach dem ersten Bombenanschlag müssen sich zwei Männer vor Gericht verantworten. Dabei geht es um die Attentatsserie, die zwischen 1984 und 1986 das Land in Atem gehalten hat. Ziel der Attentäter waren Infrastruktureinrichtungen wie Strommaste, das Telefonnetz, eine Gasleitung, das Gebäude von Gendarmerie und Justiz, Privathäuser und der Findel. Menschenopfer waren dabei jedoch nicht zu beklagen.

Das Interesse des Publikums am diesem Prozess ist groß. Eine Stunde vor Verhandlungsbeginn hatte sich eine Menschenschlange am Eingang des Gebäudes des Bezirksgerichts in der Cité judiciaire gebildet. Gegen 14.30 Uhr trafen die beiden einzigen Angeklagten, Jos Wilmes und Marco Scheer, in Begleitung von Me Gaston Vogel ein. Wilmes und Scheer gehörten der Brigade Mobile der Gendarmerie an.

Bekannte Zeugen

Wenig später begab sich Ben Geiben zum Gerichtsgebäude. Geiben hatte die Spezialbrigade der Gendarmerie gegründet, hatte sie jedoch wenige Zeit später verlassen. Während der Anschlagsserie war er ins Fadenkreuz der Ermittler geraten. Er wurde damals verdächtigt, an den Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Er sei froh, dass endlich etwas in dieser Angelegenheit geschehe, sagte er am Montag, bevor er das Gerichtsgebäude betrat.

Der Einladung in den Zeugenstand haben auch der vormalige Staatsminister Jacques Santer und der zum Zeitpunkt der Anschlagsserie als Armeeminister tätige Marc Fischbach Folge geleistet. Erschienen sind am ersten Prozesstag auch die beiden Prinzen, Prinz Guillaume und Prinz Jean. Letzterer soll von einem Zeugen an einem der Tatorte beobachtet worden sein. Ins Gerichtsgebäude eilt wenig später auch Premierminister Jean-Claude Juncker.