„Alle sollen mitmachen können“

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Ausnahmsweise hatte „Special Olympics Luxembourg“ in den Konferenzsaal der Coque eingeladen. Sportkleidung war nicht gefragt, denn ein spezieller Festakt war angesagt. 30 Jahre Bestehen waren auch für diesen Verband Anlass, eine kleine Bilanz zu ziehen und eines seiner Hauptthemen eingehender zu beleuchten. Mit Gudrun Doll-Tepper von der Freien Universität Berlin konnte eine wahre Spezialistin zum...

LUXEMBURG – Das Thema des Abends „Integration – Chance und Herausforderung für den Sport“ hatte viele Menschen angesprochen, so dass der Saal gut gefüllt war. Neben den Ehrengästen – Familienministerin Marie-Josée Jacobs, einige Abgeordnete, Vertreter von COSL und Sportverbänden, Abgesandte von Special Olympics Deutschland – waren viele Trainer, Eltern und Mitglieder von SOL präsent.

Präsidentin Anik Sax begrüßte besonders die Gründungsmitglieder, die als Pioniere Ende der 70er Jahre eine bemerkenswerte Idee in die Tat umsetzten. Vieles ist in Zwischenzeit geschehen, Tür und Tor öffnen sich mittlerweile einfacher. Der Sport für Personen mit geistiger Behinderung ist heute Teil unserer Gesellschaft.

Special Olympics nutzt jedoch das Know-how der Sportvereine und Sportverbände. Auch spielt die Presse eine große Rolle. Es ist wichtig, dass die Aktivitäten nach außen getragen werden. Zentralpunkt in der Arbeit von Special Olympics bleibt die Freiwilligenarbeit. Ohne diese ehrenamtlichen Helfer ist kein Angebot mehr möglich. Anik Sax sah jedoch keinen Grund dafür, dass SOL sich jetzt auf die faule Haut legen soll. Mit neuen Herausforderungen gehe man gemeinsam in Richtung Zukunft.

Aufruf zum Ehrenamt

Ministerin Marie-Josée Jacobs würdigte den leider zu früh verstorbenen Gründungspräsidenten Roger Linster, dessen Hauptaugenmerk auf der Integration von behinderten Menschen, ob in der Schule oder im Sport, lag. Auch sie sprach das Thema Ehrenamt an. Viele Leute hätten Zeit, sich im „Benevolat“ zu engagieren, würden es aber nicht tun. Dabei bekäme man hier oft viel mehr zurück, als man selbst geben würde.

Sie hob die Lebensfreude der behinderten Sportler besonders hervor, obwohl diese Leute bereits viele persönliche Hürden überwinden müssen, bis sie zum Stadion gelangen. Manch einer sollte sich ein Beispiel an diesen Sportlern nehmen, die immer wieder von vorne anfangen und keine Prämien beziehen. Und oben drauf gewinnen sie immer reichlich Medaillen. Ein großes Bravo und viel Freude und Spaß auch in der Zukunft wünschte die Ministerin mit der Hoffnung, dass noch mehr Leute sich hier freiwillig engagieren.

Mit einer Begrüßung in luxemburgischer Sprache gelang Dr. Doll-Tepper ihre persönliche Integration in den Abend. Sie hatte sich die Mühe gegeben, mit der Hilfe von vier luxemburgischen Studenten in Berlin, die Sprache der Gastgeber zu lernen. Die Rednerin unterstrich die Verbindungen zwischen Schule und Freizeit. Interessant war die Feststellung, dass im Bundesland Berlin kein Student sein Studium abschließen kann, ohne das Pflichtfach Behindertensport zu belegen.

Momentan beschäftigen sich die Erziehungswissenschaften viel mit dem Begriff Integration. Nicht nur im Sport, auch in anderen Bereichen. Wenn man den Blick weit zurück richtet, sieht man, dass die Behinderten lange keinen Zugang zur Bildung hatten (Exklusion). Nach einer gewissen Segregation findet man heute viele integrative Möglichkeiten im Schul- und Sportbereich. In der Fachdiskussion steht augenblicklich der Begriff Inklusion ganz oben.

Die Unterschiedlichkeit, die Heterogenität ist das Normale. „Wir sind alle nicht gleich und müssen deshalb versuchen, uns den Interessen aller Menschen anzupassen. Es bleibt abzusehen, wie die Umsetzung geschieht. Die Angebote müssen so sein, dass alle mitmachen können.“
Dieser Prozess geht einher mit einer verbesserten Qualifizierung. Eine gleichberechtigte Partizipation ist anzustreben. Die Ausbildung von Fachkräften ist wichtig, aber auch die Eltern und Großeltern werden gebraucht. Es gilt, Partnerschaften zu schaffen und Netzwerke aufzubauen.

Recht auf Teilhabe

Auch in der Begrifflichkeit ist eine Entwicklung nicht von der Hand zu weisen. Viele verbinden mit Sport nur den Wettkampfsport. Aber es zählt auch der Freizeitsport, der Sport für alle. Beim Begriff des Behinderten steht heute die Person im Mittelpunkt. Man spricht eher von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung. Wichtig sind im angesprochenen Bereich die motorischen, psychischen und sozialen Kompetenzen. „Das Selbstbewusstsein gehört zu den Formulierungen von Special Olympics. Ich traue mir etwas zu. ‚I know, I can.‘“
Diese Vorstellungen wurden schon 1987 in einer Charta vom Europarat niedergeschrieben. Ein interessantes Dokument wurde 2003, im europäischen Jahr für Menschen mit Behinderungen, erstellt. Hier geht es um Teilhabe, Selbstbestimmung und Gleichstellung. Soweit dies alles möglich ist. „Dafür lohnt sich jeder Einsatz“, so Doll-Tepper.

Auch die Vereinten Nationen haben die Rechte dieser Zielgruppe auf Teilhabe an Erholung, Freizeitmöglichkeiten, Kultur und Sport geregelt. Ein Menschenrecht. Special Olympics ist die weltweit einzige Sportorganisation, die sich um Bereiche („Healthy Athlete, Family Program“) kümmert, die außerhalb des Sports liegen. „Auch das ist Special. Und darauf soll man stolz sein. Das muss man ausbauen.“ Zum Abschluss rief Doll-Tepper noch einmal zum Handeln auf und schlug vor, die Angebote zu erweitern, Barrieren abzubauen sowie die öffentliche Aufmerksamkeit über die Medien zu verbessern. Ohne zu vergessen, dass die Athleten in erster Linie Sportler sind.

Ein Empfang, wo Erfahrungen und Erinnerungen ausgetauscht wurden, sowie eine gelungene musikalische Umrahmung durch die „Jazz Combo“ der Echternacher Musikschule rundeten einen interessanten Abend ab.