Montag20. Oktober 2025

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DeutschlandZukunft der Ampel-Koalition steht auf dem Spiel

Deutschland / Zukunft der Ampel-Koalition steht auf dem Spiel
Kabinettssitzung in Berlin: Wie lange blinkt die Ampel noch? Foto: AFP/Odd Andersen

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Steht die Ampel kurz vor dem Bruch? Die politische Unsicherheit ist groß – und sie wurde durch Trumps Wahlsieg noch größer. Am Mittwoch versuchen Kanzler, Vizekanzler und Finanzminister erneut, die Wogen zu glätten. Eine Einigung im Haushaltsstreit aber ist noch nicht in Sicht.

Nebel liegt am Mittwoch über Berlin. Es ist ein grauer, nasskalter November-Tag, der keine Aufheiterung bringen wird. In den USA zieht ein triumphierender Donald Trump mit seiner radikalen Agenda ins Weiße Haus ein, die Deutschland und Europa tief erschüttern könnte. Und in Berlin reiht sich ein Krisentreffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) an das Nächste. Schon am Mittwochmorgen saßen die Regierungsspitzen im Kanzleramt zusammen, am Nachmittag erneut, für den Abend ist dann ein Koalitionsausschuss angesetzt. Doch damit die Ampel-Partner in diesem Format konkrete Beschlüsse fassen können, müssten zuerst Scholz, Habeck und Lindner auf höchster Ebene eine Grundsatzeinigung erzielen: Geht es gemeinsam weiter? Oder bricht die Ampel? Bis zum späten Nachmittag jedenfalls steigt kein weißer Rauch aus dem Kanzleramt auf.

Und so herrscht an diesem Tag, wie zuletzt so oft, große Unsicherheit im politischen Berlin. Niemand kann sicher sagen, ob die Ampel-Spitzen sich noch einmal zusammenraufen können. Der aktuelle Streit kreist dabei im Kern um die Aufstellung des Bundeshaushalts für 2025, in dem noch immer ein Loch in hoher einstelliger oder gar zweistelliger Milliardenhöhe klafft. Für den 14. November ist die sogenannte Bereinigungssitzung angesetzt, die den Schlusspunkt der Beratungen im Haushaltsausschuss markiert. Ende November soll dann der Bundestag das Haushaltsgesetz final beschließen.

Gelingt die Einigung nicht, müsste die Bundesregierung bis weit ins kommende Jahr mit einer vorläufigen Haushaltsplanung weiterregieren, ihre Handlungsfähigkeit wäre massiv eingeschränkt. Das will sich angesichts der angespannten weltpolitischen Lage keiner leisten.

Angesichts der Streitigkeiten auf offener Bühne lässt sich wohl kaum noch von einer funktionierenden und handlungsfähigen Bundesregierung sprechen

Thorsten Frei, Parlamentsgeschäftsführer der Union

Und so ist am Mittwoch zwar noch keine Lösung in Sicht, dafür umso mehr Appelle zu hören. Mit Blick auf die US-Wahl und die tiefe Spaltung in der amerikanischen Gesellschaft sagte Scholz an die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland gerichtet: „Ich wünsche mir, dass wir in Deutschland zusammenbleiben. Wir mögen unterschiedliche politische und gesellschaftliche Auffassung haben, aber wir leben in einem Land.“

SPD-Vertreter wollen Ampel-Fortbestand

Die Worte des Kanzlers klingen durchaus auch nach einer Mahnung an die eigene Koalition. Vizekanzler Habeck warnte erneut vor einem Scheitern der Ampel. „Die Konsequenz dieses Wahlausgangs in den USA kann ja nur sein, dass Deutschland in Europa nicht ausfallen kann“, sagte Habeck in Berlin. „Und ich glaube, mit der gleichen Klarheit und Ernsthaftigkeit werden die Gespräche jetzt geführt.“

Auch bei anderen SPD-Vertretern ist die Sache klar: Man wünscht sich den Ampel-Fortbestand. „Ich wünsche mir, dass alle jetzt parteitaktische Überlegungen über Bord werfen, dass man sich auch im Koalitionsausschuss heute Abend in die Augen guckt, dass man sich noch mal klarmacht, welche Verantwortung man jetzt trägt“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil im ARD-„Morgenmagazin“.

Die Frage bleibt, wie eine Lösung im Haushaltsstreit aussehen könnte. Die Grünen sehen nun SPD und FDP am Zug, nachdem sie bereits einen Vorschlag gemacht haben. „Robert Habeck hat mit dem Angebot, einen Milliarden-Betrag aus dem Klima- und Transformationsfonds zur Verfügung zu stellen, einen wichtigen Schritt auf die Koalitionspartner zugemacht“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch unserer Redaktion. „Jetzt muss der Punkt kommen, an dem andere von ihren Maximalpositionen abrücken und konstruktive Vorschläge machen“, so Audretsch.

Mehr für die Ukraine und die Sicherheit tun

In der Opposition hingegen spricht man der Regierungskoalition schon jetzt jegliche Handlungsfähigkeit ab. „Angesichts der Streitigkeiten auf offener Bühne lässt sich wohl kaum noch von einer funktionierenden und handlungsfähigen Bundesregierung sprechen“, sagte der Parlamentsgeschäftsführer der Union, Thorsten Frei (CDU), unserer Redaktion. „Insofern kann ich mir auch nicht vorstellen, dass die Koalitionäre noch einen verfassungsfesten Haushalt verabschieden werden.“

Durch Trumps Wahlsieg in den USA sind die Probleme in Deutschland jedenfalls noch größer geworden. Denn es wird befürchtet, dass der künftige US-Präsident die Unterstützung für die Ukraine streichen könnte. Es werden bereits Forderungen laut, dass Deutschland und Europa künftig mehr für die Ukraine und für die eigene Sicherheit aufbringen müssen. Auch Finanzminister Lindner schrieb auf dem Kurznachrichtendienst X: „In EU, NATO und auch in Berlin müssen wir jetzt dringlicher denn je unsere wirtschafts- und sicherheitspolitischen Hausaufgaben erledigen.“ Hinter vorgehaltener Hand wird auch die Idee eines Sondervermögens für die Ukraine-Ausgaben diskutiert, die dann nicht mehr im regulären Haushalt zu Buche schlagen würden. Ob sich dafür eine Mehrheit finden ließe, ist fraglich. Und so ist der Mittwoch im politischen Berlin bis zum frühen Abend vor allem von einem geprägt: dem Stochern im Nebel.