Mittwoch22. Oktober 2025

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BulgarienZersplittertes Parlament erschwert Wahlsieger Borissow die Regierungsbildung

Bulgarien / Zersplittertes Parlament erschwert Wahlsieger Borissow die Regierungsbildung
Wahlplakat der „Bewegung für Recht und Freiheit“, dessen Spitzenkandidat Deljan Peewski (erste Reihe Mitte) bei anderen Parteien auf Skepsis stößt Foto: AFP/Nikolay Doychinov

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Die Wahlen gewonnen – und noch weit weg vom Regierungsziel: Nicht nur das zersplitterte Neun-Parteien-Parlament erschwert Bulgariens Wahlsieger Bojko Borrisow (Gerb) die Regierungsbildung. Auch sein Wunschpartner, der Medienmogul Deljan Peewski (DPS-NN), stößt bei anderen Parteien auf Skepsis.

Gelöste Wahlsieger sehen anders aus. Mit zerfurchter Stirn und ernster Miene trat Bulgariens Dauerbrenner Bojko Borissow flankiert von einem Dutzend schweigsamer und nicht minder bedrückt wirkender Mitstreiter in der Nacht zum Montag vor die Kameras. „Wir werden mit jedem regieren, der unser Programm unterstützt“, so die Botschaft des Vormanns der rechten Gerb-Partei: Die prorussische „Wiedergeburt“ nahm er im gleichen Atemzug von seinem Angebot ausdrücklich aus.

Fünf der sieben vorgezogenen Parlamentswahlen in den letzten dreieinhalb Jahren hat Gerb gewonnen, aber dabei nie einen solch deutlichen Vorsprung wie dieses Mal erzielt: Mit 26,46 Prozent der Stimmen liegt die langjährige Regierungspartei klar vor dem Anti-Korruptionsbündnis PP-DB (14,23 Prozent), der russophilen Wiedergeburt (13,38 Prozent) und der neu gegründeten Oligarchenpartei DPS-NN (11,45 Prozent) des Medienmoguls Deljan Peewski.

Zwar beteiligte sich mit knapp 38 Prozent der Wahlberechtigten wieder einmal nur eine Minderheit der Bulgaren an dem Urnengang. Doch diese hat dem ärmsten EU-Mitglied ein so zersplittertes Parlament wie nie zuvor beschert: Die starke Fragmentierung der Volksvertretung, aber auch die erheblichen Vorbehalte gegenüber seinem kontroversen Wunschpartner Peewski dürfte die von Borissow anvisierte Regierungsbildung erheblich erschweren.

Bei neun Parlamentsparteien werde es keine Regierung geben, hatte der Gerb-Chef in der Wahlnacht noch düster orakelt. Sein Alptraum wurde am nächsten Morgen wahr: Nach Auszählung von 99,07 Prozent der Stimmen ist mit der rechtsextremen „Größe“ (4,01 Prozent) und der nationalistischen MECH (4,56 Prozent) neben der „Wiedergeburt“ und der sozialistischen BSP (7,57 Prozent) noch zwei weiteren prorussischen Kleinparteien der Sprung über die Vierprozenthürde geglückt: Damit stimmten fast 30 Prozent der Wähler für russophile Parteien, die offen gegen die Russland-Sanktionen der EU und für die Einstellung der Militärhilfen an die Ukraine streiten.

Rechnerisch wäre eine westlich orientierte Regierungsmehrheit eigentlich kein Problem: Mit der DPS-NN von Peewski hat ein potenzieller Gerb-Partner bereits seine Bereitschaft zum Einstieg ins Koalitionsboot signalisiert. Doch es sind gerade die Vorbehalte gegenüber dem wegen Korruption von den USA und Großbritannien auf die schwarze Sanktionsliste gesetzten Peewski, die die Regierungsbildung erneut scheitern lassen könnten.

Droht im nächsten Jahr die achte Wahl

Nicht nur die von der DPS im erbitterten Machtstreit abgesplitterte APS (7,49 Prozent) von Ahmed Dogan und die EU-skeptische Protestpartei ITN (6,79 Prozent) schließen ein Bündnis mit Peewski rigoros aus: Auch für die selbsterklärten Staatserneuerer der PP-DB ist der des Stimmenkaufs bezichtigte Medienmogul ein rotes Tuch.

Eine sichere Regierungsmehrheit ließe sich für die Gerb nur mit drei weiteren Partnern finden. Hält Borissow an der von ihm schon nach der letzten Wahl im Juni anvisierten, als „Oligarchenkartell“ kritisierten Kooperation mit Peewski fest, müsste er sein Regierungsglück mit einem Minderheitskabinett versuchen – möglicherweise unterstützt von prorussischen Kräften wie der BSP oder „abgeworbenen“ Überläufern der Protestparteien.

„Borissow hat zwei Möglichkeiten – entweder eine Regierung mit Peewski oder eine ohne Peewski“, fasst der Kommentar des bulgarischen Dienstes von „Radio Free Europe“ die Ausgangslage zusammen: „Die Entscheidung hängt nicht von anderen ab, sondern nur von ihm.“ Sollte Gerb beim Versuch einer Regierungsbildung indes erneut scheitern, werden die Bulgaren im nächsten Jahr zum achten Mal in Folge in eine vorgezogene Parlamentswahl ziehen.