„Haben alles gesehen“
Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Rafael Grossi hat nach dem Besuch des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja ein teils positives Fazit gezogen. Zwar seien Schäden durch den Beschuss des Kraftwerks offenkundig und inakzeptabel, aber wichtige Sicherheitselemente wie die Stromversorgung des Kraftwerks funktionierten, sagte Grossi am Freitagabend nach der Rückkehr aus der Ukraine am Flughafen Wien. Auch die Zusammenarbeit zwischen den russischen Besatzern und dem ukrainischen Personal klappe auf professioneller Ebene einigermaßen. Seine größte Sorge bleibe, dass das Atomkraftwerk durch weiteren Beschuss schwer beschädigt werden könnte.
Er erwarte eine genaue Analyse der Sicherheit des Kraftwerks durch seine vor Ort verbliebenen Experten im Laufe der nächsten Woche, sagte Grossi. Noch seien sechs IAEA-Experten beim Atomkraftwerk. Vier würden zurückkehren, zwei bis auf Weiteres vor Ort bleiben. Er habe nicht den Eindruck, dass die russischen Besatzer etwas verborgen haben. „Wir haben alles gesehen, was ich sehen wollte“, sagte Grossi. Ein entscheidender Unterschied zu vorher sei auch, dass er nun aus eigenen Quellen erfahre, was vor Ort passiere.
Nord Stream 1 weiter ohne Gas
Die Lieferung von russischem Gas nach Deutschland durch die Nord-Stream-Pipeline bleibt auf unbestimmte Zeit unterbrochen. Gazprom teilte am Freitagabend mit, es sei ein Ölleck an einer Turbine entdeckt worden, weshalb Reparaturarbeiten notwendig seien. „Bis zur Reparatur (…) ist die Lieferung von Gas via Nord Stream komplett eingestellt“, erklärte der russische Energiekonzern. Angaben zur Dauer der Reparatur machte Gazprom nicht.
Die Gaslieferungen durch Nord Stream 1 waren bereits am Mittwoch gestoppt worden, wofür Gazprom turnusgemäße Wartungsarbeiten an einer Kompressorstation als Grund genannt hatte. An diesem Samstag hätte der Gasfluss aber eigentlich wieder beginnen sollen. Der Lieferstopp an der nach Deutschland führenden Nord-Stream-Pipeline ist bereits der zweite in diesem Sommer und schürt die Furcht vor Versorgungsengpässen im Winter. Der Westen wirft Moskau bei der Energieversorgung Erpressung vor.
G7: Preisdeckel für russisches Öl
Wegen des Ukraine-Krieges wollen die G7-Staaten weltweit eine Preisobergrenze für russische Öllieferungen durchsetzen. Es solle eine „breite Koalition“ von Staaten gebildet werden, um die Maßnahme „dringend“ umzusetzen, heißt es in einer nach Beratungen der G7-Finanzminister in Berlin veröffentlichten Erklärung. Damit sollten Russlands Möglichkeiten beschränkt werden, den Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren, und der weltweite Anstieg der Energiepreise eingedämmt werden. Der Kreml warnte für den Fall einer Preisobergrenze vor einer „Destabilisierung“ des Marktes.
Die USA hatten die Strafmaßnahme gegen Russland beim G7-Gipfel im Juni auf Schloss Elmau in Bayern vorgeschlagen. Die Umsetzung gilt als schwierig, weil sie eigentlich auch eine Unterstützung von Großabnehmern russischen Öls wie China und Indien voraussetzt. Konkret soll der Preisdeckel über ein Verbot von Dienstleistungen wie Versicherungen für Öl-Transporte per Schiff durchgesetzt werden. Sie dürften dann nur noch stattfinden, wenn das transportierte Öl unterhalb einer vorher festgelegten Preisobergrenze verkauft wird.

Gefangenenaustausch im Osten
Im ostukrainischen Gebiet Donezk haben die Ukraine und Russland erneut Gefangene ausgetauscht. Es seien 14 Ukrainer freigekommen, teilte am Freitag der für Kriegsgefangene zuständige Koordinationsstab in Kiew im Nachrichtenkanal Telegram mit. Die Soldaten von zwei motorisierten Brigaden seien seit dem Frühling in Gefangenschaft gewesen. Unter ihnen befanden sich demnach ein Offizier und ein Militärsanitäter.
Eine Bestätigung der russischen Seite stand zunächst noch aus. Kiew teilte nicht mit, wie viele russische Soldaten im Gegenzug freikamen. In der Regel lassen beide Seiten gleich viele Militärangehörige frei. Älteren Angaben nach sind seit Kriegsbeginn mehr als 6.000 Ukrainer in russische Gefangenschaft geraten. Auf ukrainischer Seite waren es über 600 russische Gefangene.
Ukraine beschießt Enerhodar
Die Ukraine hat unweit des von Moskaus Truppen besetzten Atomkraftwerks Saporischschja russische Artilleriepositionen beschossen. „Bestätigt ist, dass unsere Truppen im Bereich der Ortschaften Cherson und Enerhodar drei Artilleriesysteme des Gegners mit präzisen Schlägen vernichtet haben“, hieß es im Bericht des ukrainischen Generalstabs am Freitagabend bei Facebook. Ebenfalls seien ein Munitionslager und mindestens eine Kompanie der russischen Armee vernichtet worden.
Den Angaben nach haben die russischen Besatzer vor dem Eintreffen der Expertengruppe der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) alle Militärtechnik vom Gelände des AKW entfernt. Diese sei in die benachbarten Orte verlegt worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Russland hatte stets behauptet, auf dem Gelände des Kernkraftwerks keine schweren Waffen stationiert zu haben.

Brüssel und die Kriegswirtschaft
Die EU-Kommission will im Krisenfall Firmen in Zukunft Vorgaben für die Produktion machen können. Das geht aus einem EU-Dokument hervor, das Reuters am Freitag einsehen konnte. Die Brüsseler Behörde könnte künftig unter anderem verlangen, dass bestimmte Aufträge für krisenrelevante Güter bevorzugt hergestellt werden müssen.
Sollten sich die betroffenen Unternehmen weigern, könnte die EU-Kommission diese mit Geldstrafen belegen und sie letztlich auch verpflichten. Dem Gesetzentwurf zufolge sollen Firmen auch dazu gezwungen werden können, Reserven von wichtigen Gütern anzulegen. Hintergrund für die Pläne sind die Corona-Pandemie und der russische Einmarsch in die Ukraine. Der Entwurf soll am 13. September vorgestellt werden.
De Maart
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